Wahl in Niedersachsen SPD klar vor CDU - Grüne und AfD zweistellig
Die SPD von Amtsinhaber Weil hat die Wahl in Niedersachsen mit deutlichem Abstand zur CDU gewonnen. Die Grünen legen stark zu, ebenso die AfD. Die FDP liegt nur bei 4,7 Prozent. Das Bundesland könnte eine rot-grüne Regierung bekommen.
Die regierende SPD von Ministerpräsident Stephan Weil bleibt stärkste politische Kraft in Niedersachsen. Laut Hochrechnung von Infratest dimap für die ARD kommt sie auf 33,4 Prozent. Damit büßt sie im Vergleich zu 2017 (36,9 Prozent) zwar ein, landet aber deutlich vor der CDU.
Die Sozialdemokraten profitierten dabei von der Zugkraft ihres Spitzenkandidaten und dessen Amtsbonus. Der 63-jährige Weil regiert das Land seit fast zehn Jahren, mit seiner soliden, etwas spröden Art kommt er bei vielen gut an. Obwohl im Wahlkampf bundespolitische Themen wie die Energiekrise und Inflation dominierten und die Zufriedenheit mit der SPD-geführten Bundesregierung rapide abnahm, schaffte es Weil offenbar, die Kritik an der Ampel weitgehend von sich fernzuhalten. Es ist ein SPD-Wahlsieg gegen den Bundestrend.
"Wir haben gekämpft und wir haben gewonnen", sagte Wahlsieger Weil vor jubelnden Genossen. Die SPD habe den Regierungsauftrag bekommen.
CDU scheitert erneut
Der CDU von Spitzenkandidat Bernd Althusmann gelang es auch im zweiten Anlauf nicht, die SPD als stärkste Kraft im Land abzulösen. Die Partei kommt auf 28,1 Prozent und landet damit klar auf dem zweiten Platz. Schon 2017 war Althusmann gegen Weil angetreten, verlor jedoch und wurde in der folgenden Großen Koalition Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister. Dennoch konnte die CDU nicht von der Regierungsbeteiligung profitieren.
Im Wahlkampf versuchte die CDU vor allem mit Kritik an der SPD-geführten Bundesregierung zu punkten und die Abstimmung zu einem Votum über die Krisenpolitik in Berlin zu machen. In der Atompolitik sprach sich die CDU dafür aus, das niedersächsische AKW Emsland über 2022 hinaus am Netz zu lassen, was SPD und vor allem die Grünen strikt ablehnen.
Noch am frühen Abend kündigte Althusmann seinen Rücktritt als CDU-Landeschef an. "Wir haben unser Wahlziel, stärkste Kraft in Niedersachsen zu werden, auf jeden Fall nicht erreicht", räumte er ein. "Dieses Votum nehmen wir demütig an."
Grüne zweistellig
Die Grünen können ihr Ergebnis von 2017 erheblich verbessern und kommen nun auf 14,5 Prozent. Allerdings hatten sie zwischenzeitlich in Umfragen bei mehr als 20 Prozent gelegen. Doch die Streitereien in der Ampel in Berlin und die Patzer des grünen Vorzeigeministers Robert Habeck etwa bei der Gasumlage setzten offenbar auch den Landes-Grünen zu. Die wenig bekannte 36 Jahre alte Julia Willie Hamburg führte die Grünen durch den Wahlkampf, bei dem sie ganz auf ihr Kernthema Klimaschutz setzten. Nun können sie sich berechtigte Hoffnungen machen, Teil der nächsten Landesregierung zu sein. Am liebsten mit der SPD.
FDP verliert, AfD legt deutlich zu
Die FDP würde auch gerne mitregieren, doch es ist unwahrscheinlich, dass sie es überhaupt wieder in den Landtag schafft. Die Hochrechnung sieht die Liberalen um Spitzenkandidat Stefan Birkner bei 4,7 Prozent. Damit steuert die Partei erneut auf ein niederschmetterndes Wahlergebnis zu. Schon bei den Abstimmungen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen musste sie herbe Verluste hinnehmen, im Saarland schaffte sie es erneut nicht in den Landtag.
In Niedersachsen startete die FDP im Schlussspurt des Wahlkampfs eine Zweitstimmenkampagne und warb offensiv um Stimmen aus dem bürgerlichen Lager. Doch der Landes-Partei machte ganz offenbar der negative Bundestrend zu schaffen und die schwierige Rolle, die die FDP mit Parteichef und Finanzminister Christian Lindner in der Dreierkonstellation mit SPD und Grünen innehat.
Die AfD kann deutlich zulegen. Sie kommt auf 11,0 Prozent, vor fünf Jahren lag die Partei bei 6,2 Prozent. Angetreten war sie mit dem wenig bekannten Stefan Marzischewski-Drewes, der den zerstrittenen Landesverband wieder einen sollte. Die AfD profitierte von den großen Sorgen und Ängsten vieler Menschen vor weiteren Preissteigerungen sowie von der Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik in Berlin. Auch die steigenden Flüchtlingszahlen machte die AfD zum Thema.
Hinter den Parteien liegt ein Wahlkampf, der stark von den Themen Energiekrise, Versorgungssicherheit, Entlastungen und der Angst vor einer weiteren Eskalation des russischen Krieges gegen die Ukraine geprägt war, also alles Themen, auf die Landespolitik nur bedingt Einfluss hat.
Es würde reichen für Rot-Grün
Stephan Weil kann weiterregieren und seine dritte Amtszeit als Ministerpräsident planen. Sein Wunsch-Koalitionspartner sind die Grünen, mit ihnen hat er schon von 2013 bis 2017 regiert. Diesmal dürften sie jedoch erheblich selbstbewusster in die Verhandlungen gehen. Schafft es die FDP nicht in den Landtag, hätte Rot-Grün eine komfortable Mehrheit. Doch auch mit den Liberalen im Parlament würde es rechnerisch knapp für SPD und Grüne reichen.
Rechnerisch möglich wären auch eine Ampel oder eine erneute Große Koalition, vor allem letztere ist jedoch politisch sehr unwahrscheinlich.
Dass die CDU als zweitplatzierte Partei ebenfalls Anspruch auf die Regierungsbildung erhebt und versucht mit Grünen und FDP ein Bündnis zu schmieden, gilt ebenfalls als politisch unwahrscheinlich.
Insgesamt waren knapp 6,1 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. Es war die letzte Landtagswahl in diesem Jahr.
Berliner Blicke
Gerade weil die Landtagswahl so stark von bundespolitischen Themen dominiert wurde, schauten auch die Berliner Parteien mit Spannung auf die Ergebnisse in Hannover. Insbesondere die CDU hatte die Wahl auch zu einer Abstimmung über die Krisenpolitik der Ampelkoalition im Bund erklärt. Auch für die Harmonie im regierenden Dreierbündnis dürfte die Wahl eine Rolle spielen.