Landtagswahl in Niedersachsen Ein Wahlkampf ohne viel Kampf
In Niedersachsen endet ein weitgehend geräuschloser Wahlkampf. Pannen oder Lacher zum falschen Zeitpunkt gab es nicht, um landespolitische Themen ging es nicht - für die wahlkämpfenden Parteien war es mitunter ein Drahtseilakt.
Dass dieser Landtagswahlkampf anders sein würde, stand bereits im März fest: Einen Monat nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine wurde Bernd Althusmann zum Spitzenkandidaten der Niedersachsen-CDU gewählt. Statt scharfer politischer Spitzen gegen die Parteienkonkurrenz stand die Solidarität mit der Ukraine im Vordergrund.
Nicht nur für die CDU, sondern auch für SPD, Grüne und FDP stand schnell fest: Man wolle auch in dieser Krise zusammenstehen. Weniger politische Schachzüge, mehr "demokratisches Zusammenrücken", wie Grünen-Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg im Sommer sagte. Ende des vergangenen Jahres geschriebene Wahlprogramme wanderten zurück in die Schubladen - wegen der Energiekrise haben sie an Aktualität eingebüßt. Stattdessen geht es fortan um Energie, Armut und Inflation. Themen, für die es auf landespolitischer Ebene nur wenig Entscheidungsspielraum gibt.
Drahtseilakt für Grüne und FDP
"In einer solchen Zeit treten die landespolitischen Themen in den Hintergrund und da ist natürlich gefragt, was die Antworten auf diese vielfältigen Krisen sind", zeigte sich FDP-Spitzenkandidat Stefan Birkner überzeugt. Beide Parteien setzten mehr als sonst auf Unterstützung aus der Bundespolitik und erklärten den Kurs, den die Ampel-Koalition in Berlin einschlägt. Und das wurde mitunter zum Drahtseilakt. Denn während FDP und Grüne in Niedersachsen aus der Oppositionsrolle heraus agieren, gestalten sie auf Bundesebene mit. Wie viel Kritik ist möglich, wie viel Kritik ist nötig? Zumal die Performance der Ampel zuletzt zunehmend als unbefriedigend angesehen wird. Aus Berlin kommt daher eher Gegenwind als Rückenwind.
Grünen-Kandidatin Willie Hamburg weiß: "Wir erleben schon, dass das dieses Mal eine Bundeswahl wird." Die Menschen in Niedersachsen interessiert mehr, wie teuer Winter und Energierechnung werden - ob irgendwann doch das Gas für die eigene Heizung fehlt. Die Grünen versuchten deshalb die Landesregierung in den Blick zu nehmen, sie forderten Landesprogramme, um die Folgen des russischen Angriffskrieges abzufedern.
Ende des geräuschlosen Regierens
Den CDU-Spitzenkandidaten Althusmann trifft das Schicksal ebenfalls - nur umgekehrt. In Berlin sind die Christdemokraten in der Opposition, in Niedersachsen Teil der Regierung. Althusmann, immerhin Vize-Regierungschef und Wirtschaftsminister in Niedersachsen - entwickelte sich deshalb zum Ampelkritiker. Die SPD um Ministerpräsident Stephan Weil verärgerte das gelegentlich - geräuschloses Regieren, so wie es in den vergangenen fünf Jahren Strategie des rot-schwarzen Kabinetts gewesen ist, wurde nahezu unmöglich.
Althusmann wurde im Verlauf des Wahlkampfes zunehmend angriffslustig und nahm sich vor allem den Noch-Koalitionspartner und deren Spitzenkandidaten Weil vor. Der CDU-Politiker kämpft für eine Regierung unter seiner Führung nach der Wahl, und Wahlkampf funktioniert nun mal nicht ohne Geräusche. Aber so richtig laut wurde es dabei trotzdem nicht.
Politische Partner und Konkurrenten: Stephan Weil und Bernd Althusmann
Keine Pannen, keine Lacher zum falschen Zeitpunkt
Es gab keine Pannen, keine Ungeschicklichkeiten, keine Bilder von zu falschen Zeitpunkten lachenden Spitzenkandidierenden. Stattdessen Aufnahmen von Politikerinnen und Politikern vor Kernkraftwerk, Windpark, LNG-Standorten - dort wo bundespolitische Musik spielt, liefen auch die niedersächsischen Spitzenkandidierenden auf.
"Natürlich hätte ich es lieber, wir würden auch über landespolitische Themen reden, aber ich kann es mir nicht aussuchen", sagte Weil zum Verlauf des Wahlkampfs. Und fügte hinzu: "Ich finde es aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger absolut nachvollziehbar, dass wir jetzt über das Thema Energie sprechen. Und ich finde es auch richtig, dass sie vom Ministerpräsidenten erwarten, dass er ihnen dazu Rede und Antwort steht."
Doch über die Zeit entstand vor allem auch der Eindruck: Die Spitzenkandidierenden wollten den Wahlkampf möglichst schnell hinter sich bringen. Die Probleme wie steigende Energie- und Lebensmittelpreise, Verunsicherung und Zukunftsängste der Menschen erscheinen zu groß für Wahlkampfgetöse und Parteiengezänk.
Der AfD könnte die Angst vor Preissteigerungen und Energieknappheit in die Hände spielen. Ausgerechnet einer ihrer zerstrittensten Landesverbände könnte der Partei den ersten Wahlerfolg in diesem Jahr bringen.