Bundes-IT und Klimaschutz "Erschreckendes Ausmaß an Unkenntnis"
Immer mehr Daten, aber auch immer mehr Energie: Vor gut einem Jahr hat Ministerin Schulze ihre umweltpolitische Digitalagenda präsentiert. Die Linkspartei fragte nun nach - und ist entsetzt.
Das Fazit könnte nicht härter ausfallen: Beim Thema Digitalisierung und Nachhaltigkeit sei die Bundesregierung "nicht nur völlig ehrgeizlos, sondern auch buchstäblich ahnungslos", urteilt die digitalpolitische Sprecherin der Linksfraktion Anke Domscheit-Berg im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Zusammen mit Lorenz Gösta Beutin, dem klimapolitischen Sprecher der Fraktion, hatte sie der Bundesregierung einen umfangreichen Fragenkatalog geschickt.
Klimaschutz und Digitalisierung: Es sind zwei Zukunftsthemen, die nicht zu trennen sind, denn der digitale Fortschritt mit all seinen positiven Seiten braucht auch sehr viel Energie. Problem erkannt - dieses Signal wollte Bundesumweltministerin Svenja Schulze wohl im März 2020 senden, als sie ihre umweltpolitische Digitalagenda präsentierte.
In der dazugehörigen Broschüre ist unter anderem als Ziel formuliert: "Mit einem Register für Rechenzentren soll der Energieverbrauch der digitalen Infrastruktur besser kontrolliert und reduziert werden." Die Erstellung des Registers werde im Rahmen des Energieforschungsplans erarbeitet, schreibt die Bundesregierung jetzt: "Das Forschungsvorhaben befindet sich derzeit im Ausschreibungsverfahren." Nach baldiger Umsetzung klingt das nicht.
81 Seiten und viele Tabellen
Was tut die Bundesregierung da, wo sie selbst in der Verantwortung ist - bei der bundeseigenen IT-Infrastruktur, vor allem den Rechenzentren? Die Bundesregierung lieferte 81 Seiten inklusive vieler Tabellen. Doch Drucksache 19/31210 hinterlässt zumindest Fragezeichen.
Wie viele Rechenzentren betreiben das Bundeswirtschaftsministerium und seine nachgeordneten Behörden? In einer Übersicht zu allen Ressorts heißt es: zehn. In Anlage 1.1 zum Energieverbrauch listet das BMWi dann plötzlich 27 auf.
"Sehr komplexe Systeme"
Aus Sicht von Domscheit-Berg ist das nur ein Beispiel für ihren Vorwurf, die Bundesregierung könne nicht einmal einen Überblick über den Ist-Zustand liefern: "Das Ausmaß der Unkenntnis des Status Quo in Sachen Klimabilanz der Bundes-IT ist erschreckend."
Verpflichtende Grenzwerte, wie energieeffizient Rechenzentren mindestens sein müssen, plant die Regierung nicht. Es handele sich um "sehr komplexe Systeme", die "keiner einfachen Regulierung zugänglich" seien. Entwickelt werden soll aber ein freiwilliges Energielabel für Rechenzentren, das eine Vergleichbarkeit möglich machen soll.
Was weiß die Bundesregierung über die eigenen Rechenzentren? In vielen Tabellen findet sich häufig der Eintrag k.A., also keine Angabe. Beispiel Energieverbrauch: Bei einer erheblichen Anzahl von Rechenzentren kann oder will die Regierung keine Zahl liefern.
Klimaschädliche Kältemittel
Doch nicht nur der Energiebedarf spielt bei der Nachhaltigkeit eine Rolle. In den Rechenzentren des Bundes, so heißt es in der Antwort, kämen noch immer überwiegend Kältemittel zum Einsatz, die "aufgrund ihres hohen Treibhauspotenzials sehr klimaschädlich" seien. Nach Auswertung der Linken-Politikerin Domscheit-Berg gilt das für 79 Prozent der Rechenzentren, die überhaupt Angaben machten. Nur die wenigsten planten eine Umrüstung. Die Bundesregierung betont, die Einschränkung solcher Stoffe sei durch eine EU-Verordnung bereits beschlossen, die Nutzung gehe zurück. Ein weiterer Kritikpunkt: Nur ein Bruchteil der Rechenzentren würde die eigene Abwärme nutzen.
Unter dem Strich wirft die digitalpolitische Sprecherin der Linken der Bundesregierung vor, die Klimakrise durch Nichtstun zu verschärfen. Es brauche eine "umfassende und transparente Ökobilanz" als Grundlage für einen Plan, der von allen Ministerien verpflichtend umzusetzen sei. "Dieser Plan muss unter anderem Mindesteffizienzkriterien, umweltfreundliche Kältetechnik und 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien verbindlich vorschreiben", so Domscheit-Berg zum ARD-Hauptstadtstudio.