Pistorius' Bundeswehr-Reformpläne Schlanker, schneller, "kriegstüchtiger"
Sein Ministerium hat Verteidigungsminister Pistorius schon an einigen Stellen umgebaut. Jetzt ist die Bundeswehr dran. Heute stellt er seine Strukturreform vor, die vieles bewegen könnte.
Torben Arnold kennt sich im Inneren der Bundeswehr aus. Der Offizier war auf Auslandseinsätzen im Kosovo und in Mali, auch als Kompaniechef. Inzwischen forscht Arnold zu Sicherheitspolitik für die Stiftung Wissenschaft und Politik.
Er ist davon überzeugt, dass die Bundeswehr eine Reform nötig hat, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius an die teils verkrusteten Strukturen heran muss. Das würde die Truppe aus seiner Sicht nach vorne bringen. Arnold erklärt im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio, dass die Zeitenwende für die Soldatinnen und Soldaten bisher noch nicht greifbar sei.
Es fehle weiterhin an Ausrüstung, es dauere einfach, bis das bestellte, neue Material eintreffe. "Aber mit einer Strukturänderung wird jeder Soldat am eigenen Leib erfahren, dass sich jetzt etwas verändert. Dass die gesamte Bundeswehr auf links gekrempelt wird", sagt Arnold.
"Keine Denkverbote"
Pistorius will umkrempeln und zwar im großen Stil: Gleich nach seinem Amtsantritt Anfang 2023 kritisierte er öffentlich die komplizierten und teils undurchsichtigen Abläufe der Bundeswehr. Zu viel sei festgefahren, zu viel über die Jahre liegengeblieben.
Im Herbst schließlich kündigte der SPD-Politiker auf der Bundeswehrtagung in Berlin eine Strukturreform an. Und dabei wurde er deutlich: Beim Umbau der Bundeswehr dürfe es explizit keine Denkverbote geben.
Ganze Organisationsbereiche und bestehende Kommandos sollten hinterfragt werden. Der Minister rief eine Projektgruppe ins Leben, der auch der ranghöchste Soldat der Truppe angehört, Generalinspekteur Carsten Breuer.
Zentral: das Wort "kriegstüchtig"
Nun geht es um die Ergebnisse dieser Projektgruppe. Der ARD liegt ein Entwurf der Strukturreform vor. Was schnell auffällt: Auf den 34 Seiten steht gleich 17 Mal das Wort "kriegstüchtig" - der Begriff, den Pistorius mit Blick auf den russischen Überfall auf die Ukraine geprägt hat.
Tatsächlich sind große Schritte angedacht: Im Entwurf ist die Rede von einem "einheitlichen operativen Führungskommando", das entstehen soll. Es könnte die bisherigen zwei Schaltstellen zusammenfassen: das territoriale Führungskommando für das Inland und das Einsatzführungskommando für Auslandseinsätze.
Gebündelte Kräfte, klare Zuständigkeiten, mehr Synergie. Offizier Arnold spricht von Führung aus einer Hand und einer sinnvollen Idee.
Abwertung des Sanitätsdienstes?
Ein Nebeneffekt: Der Sanitätsdienst und die sogenannte Streitkräftebasis - Logistik, Feldjäger und ABC-Abwehr - würden an Eigenständigkeit verlieren. Sie sollen in einem sogenannten Unterstützungsbereich unter einem Kommando gebündelt werden.
Bei Vertretern aus dem Gesundheitswesen hat das schon Protest ausgelöst. Ärzteverbände warnen davor, dass der gute Ruf des Sanitätsdienstes der Bundeswehr leiden könnte. Ihre Befürchtung außerdem: Die Bundeswehr könnte es künftig schwerer haben, gutes medizinisches Fachpersonal zu finden.
Grundsätzlich geht es bei der Strukturreform darum, Kräfte zu bündeln. Denn die Bundeswehr ist weit von ihrer geplanten Stärke entfernt. Bis 2031 soll sie über 203.000 Soldatinnen und Soldaten verfügen, im Moment sind es gerade einmal 181.000. Bisher gelingt es der Bundeswehr nicht, genügend neues Personal zu gewinnen. Die Überlegung ist daher, die bestehenden Kräfte gezielter zu verplanen: Sie aus bürokratischen Strukturen herauszuholen und dort einzusetzen, wo ein akuter Mangel herrscht.
"Parallelen zur alten Bundeswehr"
Ein weiteres Ziel ist es, die Bundeswehr wieder stärker auf die Landes- und Bündnisverteidigung auszurichten und weniger auf Auslandseinsätze. Offizier und Wissenschaftler Arnold erkennt darin Parallelen zur alten Bundeswehr, wie sie vor der Wiedervereinigung aufgestellt war.
In einigen Bereichen werde die Struktur von vor 1990 wieder hergestellt, weil die Teilstreitkräfte prominenter herausgestellt würden. Aber einen Rückschritt sieht Arnold nicht. Denn das Kriegsbild habe sich im Vergleich zu den 1970er- und 1980er-Jahren völlig verändert. "In einem Verteidigungsfall würde man die Kräfte der NATO unterstellen und dort würden sie aus einer Hand geführt werden", erklärt Arnold.
"Die Arbeit geht jetzt erst los"
Wie viele Vorschläge aus dem Entwurfspapier Pistorius tatsächlich übernimmt, ist unklar. Doch seine zentralen Forderungen sind bekannt: schlankere Hierarchien bei der Bundeswehr und dadurch schnellere Entscheidungen. Alles, was an konkreten Schritten in diese Richtung geht, dürfte gute Chancen auf Umsetzung haben.
Journalist und Militärexperte Thomas Wiegold warnt allerdings vor zu hohen Erwartungen beim Tempo. Jetzt stehe nur die neue Grobstruktur der Bundeswehr. Sie müsse noch mit Leben gefüllt werden, sagt Wiegold im Interview mit dem SWR. "Die Arbeit geht jetzt erst los."