Telefonat von Bundeswehroffizieren Generalbundesanwalt ermittelt zum "Taurus"-Leak
Verteidigungsminister Pistorius hat für das geleakte "Taurus"-Telefonat von Bundeswehroffizieren schnell eine Erklärung geliefert. Dabei ist unklar, wie es abgehört wurde. Nun liegt der Fall nach WDR-Informationen beim Generalbundesanwalt.
Sie sprachen über Waffenhilfe für die Ukraine. Über die Stärken und Schwächen des Marschflugkörpers "Taurus". Was die ranghohen deutschen Luftwaffen-Offiziere Ende Februar in einer rund 40-minütigen Telefonkonferenz diskutierten, war jedoch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Doch genau da landete ein Mitschnitt des Gesprächs, veröffentlicht von russischen Propagandamedien.
Inzwischen ist die Abhöraffäre um das "Taurus"-Leak ein Fall für die deutsche Justiz. Nach WDR-Informationen führt der Generalbundesanwalt nun ein Ermittlungsverfahren in der Sache, und zwar gegen Unbekannt. Der Verdacht lautet formal: geheimdienstliche Agententätigkeit.
BKA ermittelt
Bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe geht man davon aus, dass ein russischer Geheimdienst die Telefonkonferenz heimlich mitgeschnitten hat. Nun ist das Bundeskriminalamt (BKA) mit der Aufklärung des Vorfalls beauftragt. Die Ermittler sollen klären, wie es dazu kommen konnte, dass das Gespräch der Bundeswehr-Offiziellen abgehört werden konnte und wer genau dafür verantwortlich ist.
Schon seit Bekanntwerden des abgehörten Gesprächs sind der Militärische Abschirmdienst (MAD) und mehrere Stellen des Bundesverteidigungsministeriums mit der Aufklärung des Sachverhalts befasst. Geprüft wird auch, ob Disziplinarverfahren gegen die Luftwaffen-Angehörigen eingeleitet werden, da möglicherweise vertrauliche oder gar geheime Details über einen dafür nicht zulässigen Kommunikationskanal besprochen wurden.
Nur ein "Zwischenergebnis"
Vor zwei Wochen schien es so, als sei die Abhöraffäre für Verteidigungsminister Boris Pistorius schon so gut wie aufgeklärt. Anfang März, nur wenige Tage nachdem russische Propagandisten den Mitschnitt veröffentlicht hatten, erklärte er bei einer Pressekonferenz in Berlin, wie es seiner Ansicht nach zu dem peinlichen Vorfall gekommen war.
Pistorius sprach von einem "individuellen Anwendungsfehler". Ein Gesprächsteilnehmer, der sich auf Dienstreise in einem Hotel in Singapur befunden habe, habe sich über eine "nicht sichere Datenleitung" eingewählt, so der Minister. Dort sei es zu einem Datenabfluss gekommen. Die Systeme der Bundeswehr seien demnach nicht kompromittiert.
Erstaunlich: Zum Zeitpunkt, als der Minister den mutmaßlichen Hergang der Abhöraktion öffentlich schilderte, waren nach WDR-Informationen weder die Computer und Mobiltelefone aller Gesprächsteilnehmer, noch das Hotel-WLAN in Asien abschließend untersucht worden. Pistorius selbst sprach von einem "Zwischenergebnis" der Untersuchung.
Zahlreiche offene Fragen
Wie genau die virtuelle Konferenz allerdings von Russland abgehört wurde, dazu gibt es bis heute keine Erklärung vom Verteidigungsministerium. Mehrere Fragen, etwa dazu, ob die elektronischen Geräte mittlerweile abschließend überprüft wurden, ob dabei Schadsoftware festgestellt wurde, oder ob inzwischen ermittelt werden konnte, wie genau ein mutmaßlicher Datenabfluss in Singapur stattgefunden hat, ließ das Ministerium unbeantwortet und verwies lediglich auf die früheren Aussagen des Ministers.
Der besagte Gesprächsteilnehmer in Singapur, der Brigadegeneral der Luftwaffe, Frank Gräfe, hatte Ende Februar die "Singapore Airshow", eine internationale Messe der Luftfahrtbranche, besucht. Dabei kommen jährlich neben zivilen Flugzeugherstellern auch Militärvertreter in dem südostasiatischen Stadtstaat zusammen.
In diesem Umfeld und den von Teilnehmern genutzten Hotels hätten "flächendeckend" gezielte Abhöraktionen russischer Geheimdienste stattgefunden, sagte Pistorius in seinem Pressestatement Anfang März. In Sicherheitskreisen wird zudem darauf verwiesen, dass in Südostasien grundsätzlich auch mit verstärkten Aktivitäten chinesischer Nachrichtendienste gerechnet werden müsse.
Gefahren russischer Spionage bekannt
Das wirft die Frage auf, warum sich der Brigadegeneral über eine unsichere Leitung zu dem Konferenzgespräch zuschalten ließ, statt beispielsweise einen stärker verschlüsselten Kommunikationskanal in der Deutschen Botschaft in Singapur zu nutzen.
Tatsächlich gibt es Beispiele aus der Vergangenheit, die zeigen, dass russische Geheimdienste durchaus elektronische Spionage in Hotels betreiben: So sollen Hacker der Einheit 26165 des russischen Militärgeheimdienstes GRU, die als APT28 oder "Fancy Bear" bekannt ist, vor einigen Jahren im malaysischen Kuala Lumpur versucht haben, sich in das WLAN eines Hotels zu hacken. Damals hielten sich dort Mitglieder der Untersuchungskommission zum Abschuss des Flugzeugs MH17 auf.
Außerdem hackten die russischen Geheimdienstler offenbar die malaysischen Ermittlungsbehörden und die Staatsanwaltschaft. Die Niederlande machen russische Militärangehörige für den Abschuss des Passagierflugzeugs über der Ukraine im Juli 2014 verantwortlich. Dabei kamen 298 Menschen ums Leben.