Regierungserklärung von Scholz "Friedensliebe heißt nicht Unterwerfung"
Ein Jahr nach seiner "Zeitenwende"-Rede hat Bundeskanzler Scholz die Souveränität der Ukraine betont. Forderungen nach Friedensverhandlungen erteilte er eine Absage. China warnte er vor Waffenlieferungen an Russland.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat das Recht der Ukraine auf Souveränität verteidigt. Es werde keinen Friedensschluss über die Köpfe der Ukrainer hinweg geben, sagte Scholz in seiner Regierungserklärung im Bundestag ein Jahr nach seiner "Zeitenwende"-Rede.
"Man schafft auch keinen Frieden, wenn man hier in Berlin 'Nie wieder Krieg' ruft - und zugleich fordert, alle Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen", sagte er. "Friedensliebe heißt nicht Unterwerfung unter einen größeren Nachbarn. Würde die Ukraine aufhören, sich zu verteidigen, dann wäre das kein Frieden, sondern das Ende der Ukraine."
Keine Verhandlungen mit "Waffe an der Schläfe"
Forderungen nach Friedensverhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin erteilte er eine Absage: "Mit der Waffe an der Schläfe lässt sich nicht verhandeln - außer über die eigene Unterwerfung".
Von Russland forderte er die "Wiederherstellung internationalen Rechts" - es spreche jedoch nichts dafür, dass Putin bereit wäre zu verhandeln.
Botschaft an Peking: "Liefern Sie keine Waffen!"
Kanzler Scholz forderte China auf, sich für einen Frieden in der Ukraine zu engagieren. "Meine Botschaft an Peking ist klar: Nutzen Sie Ihren Einfluss in Moskau, um auf den Rückzug russischer Truppen zu drängen. Liefern Sie keine Waffen an den Aggressor Russland", sagte er im Bundestag.
Scholz bekannte sich erneut zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO. Dazu sei generell eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben im Bundeshaushalt erforderlich, sagte er. Er habe seine Zusage gegeben, und "diese Zusage ... gilt".
Hilfe für Rüstungsindustrie, Garantien für die Ukraine
Der Rüstungsindustrie sagte er Hilfen zu, damit sie eine "laufende Produktion von wichtigen Waffen, Geräten und Munition" aufbauen kann. "Das erfordert langfristige Verträge und Anzahlungen, um Fertigungskapazitäten aufzubauen." Man brauche eine schnelle, planbare und leistungsfähige Beschaffung von Rüstungsgütern für die Bundeswehr und andere europäische Armeen.
Der Ukraine stellte der Kanzler Sicherheitsgarantien der Verbündeten für die Zeit nach dem Krieg in Aussicht. Die Bundesregierung werde der Ukraine "helfen", dass es zu einem Frieden kommt, sagte er. "Deshalb sprechen wir mit Kiew und weiteren Partnern auch über künftige Sicherheitszusagen für die Ukraine." Solche Sicherheitszusagen setzten aber zwingend voraus, dass sich die Ukraine in diesem Krieg erfolgreich verteidigt.
Am 27. Februar 2022 hatte Scholz drei Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Bundestag eine Neuausrichtung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik angekündigt. Unter anderem versprach er 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Aufrüstung der Bundeswehr.
Merz: "Es müssen Entscheidungen getroffen werden"
Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU), bei dem sich Scholz zuvor für die letztjährige Unterstützung bedankt hatte, warf Scholz während der anschließenden Aussprache fehlendes Tempo beim Ausbau der Bundeswehr vor. Der Verteidigungsetat sei trotz der Ankündigung, mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben zu wollen, gesunken.
Von dem sogenannten Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro seien erst 600 Millionen ausgegeben. "Was ist eigentlich im zweiten Halbjahr 2022 geschehen, dass diese Zusagen, die Sie gegeben haben, auch umgesetzt werden?" Merz fügte mit Blick auf den russischen Angriff auf die Ukraine hinzu, man werde "Jahre, wenn nicht Jahrzehnte" Sicherheit in Europa nicht mehr mit, sondern gegen Russland organisieren müssen. "Und dazu, Herr Bundeskanzler, müssen Entscheidungen getroffen werden und nicht nur Regierungserklärungen abgegeben werden."
Kritik an Schwarzer und Wagenknecht
Der Unionsfraktionschef kritisierte auch die von Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht und Frauenrechtlerin Alice Schwarzer am Samstag am Brandenburger Tor in Berlin veranstaltete Kundgebung gegen den Krieg.
Er warf Teilnehmern von AfD und Linken vor, vorsätzlich Täter und Opfer zu verwechseln. "Es gibt nur einen, der ganz allein für diesen Krieg verantwortlich ist. Und der Mann heißt Wladimir Putin." Wenn Russland heute die Waffen schweigen ließe, dann sei morgen der Krieg zu Ende. "Wenn die Ukraine heute die Waffen niederlegt, dann ist morgen das ukrainische Volk und die Ukraine als Staat am Ende. Das ist der Unterschied."
Linke und AfD fordern Friedensverhandlungen
Der Co-Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, verteidigte hingegen die Forderung nach Friedensverhandlungen. Wer Verhandlungen fordere, wolle das Sterben und Leid in der Ukraine sowie die Gefahr einer nuklearen Eskalation beenden, sagte er.
Verhandlungen forderte auch AfD-Co-Fraktionschef Tino Chrupalla. Beide Seiten müssten schnellstmöglich auf diplomatischem Weg zu einer Lösung kommen, sagte Chrupalla, der deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnte. "Es ist nicht unser Krieg", sagte er.