Wahl im Saarland SPD vor absoluter Mehrheit
Für die Saar-SPD mit Spitzenkandidatin Rehlinger rückt die absolute Mehrheit in greifbare Nähe - dagegen stürzt die CDU auf ein historisch schlechtes Ergebnis ab. Die AfD ist sicher im Landtag, die Grünen und die FDP müssen weiter bangen.
Nach mehr als als zwei Jahrzehnten gibt es im Saarland einen Machtwechsel. Bei der Landtagswahl wurde die SPD mit einem haushohen Sieg stärkste Partei vor der CDU. Neue Ministerpräsidentin wird ihre Spitzenkandidatin, die bisherige Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger. Und sie kann auf eine absolute Mehrheit hoffen.
Laut Hochrechnung von Infratest dimap kommen die Sozialdemokraten auf 43,5 Prozent und verbessern sich damit im Vergleich zur Wahl 2017 um mehr als 13 Prozentpunkte. Die 45-jährige Rehlinger löst den bisherigen CDU-Regierungschef Tobias Hans ab. "Das Saarland hat Rot gewählt", freute sich Wahlsiegerin Rehlinger um kurz nach 18 Uhr in der ARD. "Die Saar-SPD hat die Wahl gewonnen." Die Sozialdemokratie sei wieder stärkste Kraft an der Saar. Ob die SPD eine Alleinregierung wagen will, wenn dies die Zahlen am Ende hergeben, ließ Rehlinger am offen. Sie sagte im ZDF: "Stabilität ist für mich das Entscheidende bei der Regierungsbildung."
Der Machtwechsel - wenn auch nicht in dieser Deutlichkeit - hatte sich abgezeichnet. Nun wird mit Rehlinger erstmals wieder seit 1999 die SPD das Saarland regieren - und die erste SPD-Regierungschefin in der Geschichte ihres Landes. Bundesweit stehen dann vier sozialdemokratische Frauen an der Spitze einer Landesregierung - so viele wie noch nie. Die anderen Parteien von Union über Grünen bis Linke haben nur männliche Regierungschefs. Für die SPD ist dies an der Saar das beste Ergebnis seit der Jahrtausendwende. Seit 1994 haben die Sozialdemokraten keine Landtagswahl im Saarland mehr gewonnen - damals mit Oskar Lafontaine.
Hans will persönliche Konsequenzen ziehen
CDU-Regierungschef Hans muss nach nicht einmal einer Legislaturperiode die Staatskanzlei in Saarbrücken räumen. Er hatte das Amt 2018 von Annegret Kramp-Karrenbauer übernommen, doch schaffte es offensichtlich nie, einen Amtsbonus aufzubauen. Das Ergebnis: 28,5 Prozent - und damit zweistellige Verluste im Vergleich zu 2017. Ein Desaster für die Saar-CDU. "Natürlich werde ich persönliche Konsequenzen ziehen", kündigte CDU-Ministerpräsident Tobias Hans an. Er sprach in der ARD von einer "sehr bitteren Niederlage", für die er persönlich die Verantwortung übernehme.
Von der Schwäche der CDU profitiert der bisherige Juniorpartner in der Regierung: SPD-Spitzenkandidatin Rehlinger ist seit 2014 Vize-Regierungschefin und Wirtschaftsministerin in der Großen Koalition. Im Wahlkampf punktete sie vor allem bei den Themen Arbeitsplätze und Wirtschaft - im strukturschwachen Saarland durchaus wahlentscheidend für viele Menschen. Die 45-Jährige gilt als beliebt im Land, kompetent und glaubwürdig. Mit ihrer Arbeit zeigten sich auch in den Vorwahlumfragen deutlich mehr Menschen zufrieden als mit der von Amtsinhaber Hans.
Linker Absturz
Lafontaines spätere Partei - Die Linke - erlebt an diesem Wahlabend einen Absturz in die politische Bedeutungslosigkeit. Kam sie 2009 mit Spitzenkandidat Lafontaine noch auf 21,3 Prozent schrumpft sie nun auf 2,6 Prozent und fliegt damit aus dem Landtag. Die weithin unbekannte Spitzenkandidatin Barbara Spaniol gelang es nicht, die zerstrittene Partei zu einen, bis zuletzt dominierten Personalquerelen, die im Austritt des einstigen Zugpferds Lafontaine wenige Tage vor der Wahl gipfelten. Im Wahlkampf setzte sie auf klassisch linke Themen, drang damit aber nicht durch.
AfD und Grüne knapp über Fünf-Prozent-Hürde
Die AfD gab ebenfalls ein zerstrittenes Bild ab. Wegen des internen Streits trat sie ohne Landesliste und damit ohne Spitzenkandidaten an. Die Hochrechnung sieht sie bei 5,7 Prozent. Sie mobilisierte ihre Anhänger vor allem mit ihrem Protest gegen die Corona-Beschränkungen und mit Kritik an Zuwanderung. 2017 war die AfD im Saarland erstmals angetreten und hatte mit 6,2 Prozent auch den Sprung in den Landtag geschafft.
Die Grünen sind im Saarland traditionell schwach, das zeigt sich auch wieder bei dieser Wahl. Sie landen bei 5,0 Prozent. Ihr Einzug in den Landtag könnte also knapp klappen. 2017 waren sie unter der Fünf-Prozent-Hürde geblieben. Auch die Saar-Grünen waren zutiefst zerstritten, erst im Januar einigte man sich auf Spitzenkandidatin Lisa Becker. Die 31-Jährige soll für einen Neuanfang stehen, ist aber unerfahren und unbekannt. Die Saar-Grünen hatten es in diesem Wahlkampf zudem mit politischer Konkurrenz durch die neue Wählervereinigung bunt.saar zu tun, die zumindest teilweise eine ähnliche Wählerklientel anspricht.
FDP knapp unter fünf Prozent
Auch die FDP hat es traditionell schwer im Saarland. Seit nunmehr zehn Jahren - nach dem Bruch der Jamaika-Koalition - sitzt sie nicht mehr im Landtag in Saarbrücken. Nun kommt sie auf 4,8 Prozent. Die Partei um Spitzenkandidatin Angelika Hießerich-Peter muss also weiter bangen. Dabei wollte die Unternehmerin ihre Partei nicht nur in den Landtag zurückführen, sondern auch gleich in Regierungsverantwortung als Juniorpartner der SPD. Die Saar-FDP profitierte bei dieser Wahl auch von der CDU-Schwäche und einem positiven Bundestrend. Der Einsatz von Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner gegen hohe Spritpreise dürfte im Auto-Land gut angekommen sein.
Die Wahl im Saarland ist der Auftakt zu einer Serie von Landtagswahlen in diesem Jahr. Im Mai wird in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen abgestimmt, im Oktober in Niedersachsen. Die Bundesparteien dürften mit Spannung vor allem auf den Ausgang im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW schauen.
Im Saarland waren heute rund 750.000 Menschen zur Wahl aufgerufen, 51 Mandate waren zu vergeben. Bei der Wahl 2017 lag die Wahlbeteiligung bei 69,7 Prozent.
Es ist die erste Wahl nach dem Sieg der SPD und Olaf Scholz bei der Bundestagswahl und nach der personellen Neuaufstellung der CDU mit Friedrich Merz an der Spitze. Daher gilt die Saar-Wahl auch als erster Test für die Ampel und das Berliner Spitzenpersonal.