Scholz' Regierungserklärung "Wir müssen Zuversicht neu begründen"
Rechtspopulistische Wahlerfolge als "Einschnitt": In einer Regierungserklärung hat sich Kanzler Scholz für mehr Zuversicht als Gegenmittel ausgesprochen. Auch auf innenpolitische Themen wie Etat und Bürgergeld ging er ein.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat das Ergebnis der Europawahlen mit einem Erstarken rechtspopulistischer Parteien als "Einschnitt" bezeichnet. Vor den beiden anstehenden EU- und NATO- Gipfeln sagte der SPD-Politiker in einer Regierungserklärung im Bundestag, es wirke sich aus, dass so viele Krisen gleichzeitig Vertrauen und Sicherheitsgefühl infrage gestellt hätten. Dem müsse man sich stellen.
In Deutschland und Europa müsse es wieder mehr Zuversicht geben. "Wir müssen dort, wo Zuversicht fehlt, sie neu begründen", so Scholz. "Ein Zurück in die gute alte Zeit, die meistens nie so gut war, das wird es nicht geben." Man brauche stattdessen eine politische Perspektive.
Kein Wettbewerb mit den Populisten
Worum es nicht gehe, sei ein "Wettbewerb mit den Populisten und Extremisten". Es gehe um Antworten in der Sache. Deutschland sei eine offene Gesellschaft, die zusammenhalte.
Besorgt äußerte sich der Kanzler darüber, dass viele Menschen bei der Europawahl Parteien gewählt hätten, die EU und NATO infrage stellten. In Deutschland sei dies "eine Partei, die gemeinsame Sache macht mit den Vorschlägen des russischen Präsidenten". Aber es würden eben auch drei von vier Wählerinnen und Wählern populistische und extremistische Kräfte nicht unterstützen.
Scharfe Kritik an BSW und AfD
Den Boykott der Bundestagsrede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor zwei Wochen durch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die meisten AfD-Abgeordneten kritisierte Scholz in seiner Rede scharf: "Das war falsch, das war feige und dieses Hauses unwürdig." Alle Parlamentarier des BSW und die der AfD bis auf vier Abgeordnete waren der Rede ferngeblieben.
Scholz wies im Bundestag auch die von Putin gestellten Bedingungen für einen Waffenstillstand zurück, zu denen der Verzicht der Ukraine auf die Halbinsel Krim und auf weite Teile der Ostukraine zählt. "Wer glaubt, dass (…) die Ukraine das überleben würde und dass daraus ein dauerhafter Frieden in Europa wird, der muss schon sehr viel Russia Today schauen", sagte er. Putin setze weiter voll auf Krieg und Aufrüstung. "Darüber darf niemand hinwegsehen."
"Bürger erwarten keinen Streit um Posten"
Was die Besetzung der wichtigsten EU-Posten nach der Europawahl anbelangt, mahnte Scholz nach der Einigung zwischen Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen eine schnelle Umsetzung an. "Wir dürfen uns keine Hängepartie in diesen schwierigen Zeiten leisten", sagte er. "Die Bürgerinnen und Bürger erwarten keinen Streit um Posten, sondern schnelle Arbeit."
Die drei Parteienfamilien hatten sich darauf verständigt, dass Ursula von der Leyen von der CDU Kommissionspräsidentin bleiben und die liberale estnische Regierungschefin Kaja Kallas den Posten der EU-Außenbeauftragten bekommen soll. Zum Präsidenten des Gremiums der Staats- und Regierungschefs soll der Sozialdemokrat und frühere portugiesische Regierungschef António Costa gewählt werden. "Das sind aus meiner Sicht gute Besetzungen und klare Entscheidungen für eine gute europäische Zukunft", sagte Scholz. Die Grundsatzeinigung muss bei dem morgen beginnenden EU-Gipfel noch endgültig beschlossen werden.
Haushaltsentwurf noch im Juli
Bei seiner teilweise sehr kämpferischen Rede ging Scholz auch auf innenpolitische Themen ein. So äußerte er sich überzeugt, dass sich die Bundesregierung in den kommenden Wochen auf einen Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 verständigen kann: "Wir werden den Haushaltsentwurf im Juli vorlegen", sagte Scholz. Die Gespräche darüber seien sehr kollegial und sachorientiert. "Dabei haben wir klare Prioritäten", unterstrich Scholz. Einschnitte bei der sozialen Gerechtigkeit, bei der Pflege oder der Rente dürfte es nicht geben.
Ursprünglich hatten sich Scholz, Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) einen Kabinettsbeschluss zum Haushalt 2025 am 3. Juli vorgenommen.
Die "Vorwärtsbewegung hinbekommen"
In Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung verwies der Kanzler auf das sogenannte Dynamisierungspaket, das mehr Wachstum bringen werde. Die Regierung werde deshalb ihre Investitionsoffensive fortführen. Auch sollen die Bedingungen für Arbeit attraktiver werden. "All das sind Dinge, die dazu gehören, dass wir diese Vorwärtsbewegung hinbekommen."
Um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, solle es unter anderem bessere Bedingungen für Menschen geben, die im Rentenalter weiterarbeiten wollten. Außerdem deutete er Vereinfachungen im Steuerrecht, Bürokratieabbau und verbesserte Abschreibungsregeln an.
Der Kanzler ging auch auf Forderungen nach Reformen im Bürgergeld ein. Es könne nicht angehen und akzeptiert werden, dass einige Bürgergeld bekämen und zugleich schwarzarbeiteten. Die Regierung werde gesetzlich dafür sorgen, "damit das nicht weiter passiert".