Sommerpressekonferenz Scholz kritisiert öffentlich ausgetragenen Streit
Kanzler Scholz hat bei der Sommerpressekonferenz das Heizungsgesetz verteidigt. Den heftigen öffentlichen Streit der Koalition darüber kritisierte er jedoch. Scholz sicherte zudem der Ukraine weitere Unterstützung zu.
Bei der alljährlichen Sommerpressekonferenz hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das umstrittene Heizungsgesetz erneut verteidigt. Scholz sagte, der Kompromiss der Ampel-Koalition werde Deutschland nach vorne bringen. Wichtig sei vor allem gewesen, Vorgaben zum Heizungsaustausch mit einer verbindlichen Wärmeplanung in den Kommunen zu verbinden.
Vor allem über verschiedene Aspekte des Einbaus klimafreundlicherer Heizungen und die Vorgaben für den Austausch alter Heizungen im Gebäudeenergiegesetz hatte es monatelang heftige Kontroversen innerhalb der Koalition aus SPD, Grünen und FDP gegeben - inklusive öffentlich ausgetragener Streitigkeiten der Koalitionspartner. Dies kritisierte Scholz in Berlin. Er sagte: "Es ist ja kein Geheimnis: Dass da so laut diskutiert worden ist, gefällt weder mir noch irgendwem sonst".
Scholz sagte weiter, bestimmte Dinge, die mit dem Innovationstempo, das sich die Koalition für Deutschland vorgenommen habe, auf den Weg gebracht worden seien, seien zum ersten Mal diskutiert worden. Nicht nur die Regierung, sondern auch die Gesellschaft brauche ein Verständnis dafür, dass Kompromisse gute und vernünftige Politik seien. Dafür werbe er sehr.
Scholz sieht Fortschritt bei Kindergrundsicherung
Auch um die Kindergrundsicherung und ihren Finanzierungsrahmen gab es zuletzt Uneinigkeit in der Ampelkoalition. Trotz jüngster Diskussionen sieht Scholz "einen großen, auch moralischen Fortschritt".
Wir wollen, dass es keine Kinderarmut in Deutschland mehr gibt.
Außerdem sagte Scholz, im August werde der nächste Schritt getan, um die Kindergrundsicherung zu etablieren, damit Kinder nicht mehr auf die bisherige Grundsicherung angewiesen seien. Erste Schritte seien mit der Anhebung des Kindergeldes auf 250 Euro im Monat und des Kinderzuschlags für Familien, die wenig verdienen, bereits erfolgt. Damit sei die Grundlage geschaffen, erklärte Scholz.
Abschaffung von Ehegattensplitting kein Thema
Eine weitere Debatte versuchte Scholz zu beruhigen: Die Forderungen nach einer Abschaffung des Ehegattensplittings relativierte Scholz bei der Pressekonferenz erneut. Das Ehegattensplitting sei Gesetzeslage in Deutschland und der Koalitionsvertrag sehe keine Abschaffung vor, sagte er.
Es gebe immer mal wieder Diskussionen, ob die jetzige Regelung nicht unverhältnismäßig sei, gerade bei denjenigen, die ein paar Hunderttausend Euro im Jahr verdienten. Die Bundesregierung arbeite allerdings an einer Änderung der Steuerklassen, so der Bundeskanzler. Die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen hatte sich im Koalitionsvertrag auf eine Abschaffung der Steuerklassen 3 und 5 verständigt. Diese sollen in die Klasse 4 überführt werden. Ehepaare sollen weiter steuerliche Vorteile genießen.
Scholz: Keine Normalisierung rechten Gedankenguts
Mit Blick auf das aktuelle Umfragehoch der AfD zeigte sich der Kanzler gelassen. Er sehe keine Normalisierung rechten Gedankenguts in der Mitte der Gesellschaft. In allen 16 Bundesländern seien die demokratischen Parteien und ihre Anhängerschaften die große Mehrheit, sagte Scholz.
Ich bin ganz zuversichtlich, dass die AfD bei der nächsten Bundestagswahl nicht viel anders abschneiden wird als bei der letzten.
Bei der Wahl im Jahr 2021 kam die AfD auf 10,3 Prozent der Stimmen. Die zuletzt hohen Werte bei Wahlumfragen für die AfD führte Scholz unter anderem auf die Verunsicherung vieler Bürgerinnen und Bürger mit Blick auf die Zukunft zurück.
Weiterhin Investitionen in China
Und auch außenpolitisch positionierte sich der Kanzler: Zur gestern beschlossenen China-Strategie der Bundesregierung sagte Scholz, deutsche Unternehmen würden auch weiterhin in der Volksrepublik investieren und dorthin exportieren können.
Befürchtungen der Wirtschaft vor überbordender staatlicher Kontrolle versuchte Scholz ebenfalls zu zerstreuen. Er erklärte: "Es geht nicht darum, jetzt alle Investitionen, die im Ausland getätigt werden, jetzt nun einer staatlichen Kontrolle zu unterwerfen". Zugleich betonte er:
Dass wir genau hingucken wollen, wenn es um Fragen geht, die für militärische Sicherheit und für Sicherheit insgesamt von Bedeutung sind, das ist vielleicht so selbstverständlich. Aber wir haben das jetzt auch aufgeschrieben.
"Wir sind auf Solidarität miteinander angewiesen"
Zuversichtlich zeigte sich der Kanzler auch dahingehend, dass die Europäische Union sich auf ein gemeinsames Asylsystem verständigen wird. Er sei optimistisch, dass es erstmals gelingen werde, "einen gemeinsamen Mechanismus hinzubekommen", sagte Scholz. "Wir sind auf Solidarität im Umgang miteinander angewiesen, diese Erkenntnis scheint sich durchzusetzen." Die offenen Grenzen in Europa seien eine der großen Errungenschaften. Die EU-Innenminister hatten sich im vergangenen Juni mehrheitlich auf eine gemeinsame Position bei den geplanten Regelungen verständigt, die unter anderem Asyl-Verfahren an den EU-Außengrenzen vorsehen. Im nächsten Schritt stehen nun auf Basis dieser Position Verhandlungen mit Vertretern des Europaparlaments bevor.
Für Deutschland wolle die Bundesregierung die irreguläre Migration begrenzen, betonte Scholz. Gleichzeitig wolle die Regierung dafür sorgen, dass Deutschlands Volkswirtschaft gut zurechtkomme, sagte er weiter. Im Rahmen der regulären Fachkräfte- und Arbeitskräftezuwanderung in den nächsten Jahren sollten all die "Babyboomer", die in Rente gingen, ersetzen werden können, so Scholz.
Bis zu 17 Milliarden Euro für Ukraine
Auch der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine war Thema bei der Pressekonferenz. Scholz sicherte der Ukraine dabei eine dauerhafte Unterstützung mit Waffenlieferungen zu. Deutschland leiste nach den USA schon jetzt "die größte Unterstützung auch in militärischer Hinsicht", sagte Scholz. Dies sei auch für die kommenden Jahre sichergestellt. Auf Grundlage bisheriger Beschlüsse würden ab dem Beginn des Krieges bis zum Jahr 2027 insgesamt bis zu 17 Milliarden Euro für Waffenlieferungen an die Ukraine aufgewendet.
Konkrete Pläne für ein erneutes Telefonat mit Russlands Präsident Wladimir Putin habe er nicht, sagte Scholz. "Ich werde selbstverständlich auch mal wieder mit ihm reden", sagt er.
Als Mensch, als Bürger, als Deutscher, als Europäer wünsche ich mir, dass die Ukraine Erfolg hat.
Scholz zurückhaltend beim Thema Streumuition
Die umstrittene Lieferung von Streumunition der USA an die Ukraine wollte Scholz nicht bewerten. Er sagte, dies sei eine souveräne Entscheidung anderer Staaten, die er nicht zu kommentieren habe. Deutschland habe die Konvention gegen Streumunition anders als die USA, Russland und die Ukraine unterzeichnet und werde diese Munition nicht beschaffen und einsetzen. Die US-Regierung habe die Lieferung auch damit begründet, dass es einen Mangel an anderer Munition für die Ukraine gebe.
Zugleich unterstrich Scholz: "Aber ich will ergänzend noch mal sagen: Für mich ist diese Konvention von großer Bedeutung." Es gehe darum, "dass nicht nach dem Krieg und außerhalb der Kriegsparteien von zufällig herumliegender Munition andere bedroht werden". Überall in Deutschland, wo Bomben niedergegangen seien, gibt es auch viele Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkrieges immer wieder Bombenalarm. "Und deshalb ist es schon ein sehr berechtigtes Anliegen, das wir mit dieser Konvention verfolgen. Und dem fühle ich mich auch verpflichtet", sagte Scholz.
Scholz: Deutschland soll 2024 NATO-Ziel erreichen
Scholz bekräftigte zudem, dass die Bundesregierung im kommenden Jahr erstmals das NATO-Ziel erreichen will, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Dies gelinge durch Mittel aus dem regulären Haushalt und das nach dem Angriffskrieg geschaffene Sondervermögen für die Bundeswehr, sagte der Kanzler. Danach werde Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel dauerhaft erreichen, "auch wenn das Sondervermögen aufgebraucht ist."
Die NATO wird nach Angaben von Scholz trotz einer engeren Zusammenarbeit mit asiatischen Partner ein transatlantisches Bündnis bleiben. Man werde die Zusammenarbeit mit Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland aber weiter vertiefen, sagt er mit Blick auf die Debatte einer möglichen NATO-Erweiterung.