Ministerium soll sparen Was bei der Familienpolitik diskutiert wird
Das Elterngeld für Gutverdiener zu streichen, findet die FDP nicht gut. Familienministerin Paus hält an der Kindergrundsicherung fest und SPD-Chef Klingbeil stellt das Ehegattensplitting infrage. Wo soll nun gespart werden? Ein Überblick.
Die Ausgangslage
Bundesfamilienministerin Lisa Paus muss sparen. 2024 will die Bundesregierung die Vorgaben der Schuldenbremse wieder einhalten - und das bedeutet laut dem vom Kabinett beschlossenen Haushaltsplan Einschnitte in fast allen Bereichen. Das Familienministerium muss im kommenden Jahr mit fast 218 Millionen Euro weniger auskommen.
Wegen der Kürzungen ist aktuell unklar, ob Paus die Kindergrundsicherung wie geplant umsetzen kann. Die Grünen-Politikerin hat deshalb vorgeschlagen, beim Elterngeld für Besserverdienende zu sparen - die FDP lehnt das jedoch ab. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hat nun die Idee eingebracht, das Ehegattensplitting abzuschaffen.
Worum geht es bei der Kindergrundsicherung?
In der seit Monaten laufenden Diskussion über die Kosten der geplanten Kindergrundsicherung kursieren die verschiedensten Zahlen. Paus hatte dafür ursprünglich einmal zwölf Milliarden Euro im Jahr veranschlagt. In der Finanzplanung für das Jahr 2025, in dem die Kindergrundsicherung eingeführt werden soll, stehen nun als "Platzhalter" zwei Milliarden. Bei welcher Summe der Zeiger am Ende wirklich stehen wird, dürfte Ende August klar sein, wenn endlich ein Gesetzentwurf für das Vorhaben fertig sein soll.
Die Grünen drängen darauf, dass mit der Kindergrundsicherung nicht nur staatliche Leistungen für Kinder zusammengefasst und unbürokratischer ausgezahlt, sondern dass diese auch erhöht werden. "Und deswegen bin ich zuversichtlich, dass es am Ende mehr als zwei Milliarden werden", hatte Paus am Donnerstag gesagt. Sie rechne aber auch nicht damit, dass es zwölf Milliarden werden. Ihre neue Hausnummer laute zwei bis sieben Milliarden, sagte sie dem aktuellen "Spiegel".
Was ist das Elterngeld?
Mit dem Elterngeld unterstützt der Staat Eltern, die nach der Geburt des Kindes nicht oder vorerst nur wenig arbeiten und damit kaum oder kein Geld verdienen. Es muss beantragt werden. Eltern mit höheren Einkommen erhalten 65, Eltern mit niedrigeren Einkommen bis zu 100 Prozent des Netto-Verdienstes, den sie vor der Geburt hatten. Es gibt mindestens 300 Euro pro Monat, nach oben ist das Elterngeld bei 1800 Euro gedeckelt. Ab etwa 2700 Euro netto Monatsverdienst steigt es also nicht weiter an.
Das Elterngeld wird höchstens 14 Monate lang gezahlt, wenn sich beide Elternteile an der Betreuung beteiligen. Die Zahlungsdauer kann auch weiter gestreckt werden - das sogenannte ElterngeldPlus. Dafür fallen die monatlichen Zahlungen dann geringer aus.
Eingeführt wurde das Elterngeld 2007. Es löste das vorherige Erziehungsgeld ab, das bei maximal 450 Euro lag. Die neue Leistung sollte mehr Paare zum Nachwuchs ermutigen, auch wegen der niedrigen Geburtenzahlen in Deutschland. Außerdem sollte sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, da Elterngeld auch ergänzend bezogen werden kann, wenn Mütter oder Väter nach der Geburt in Teilzeit arbeiten. Ziel war es außerdem, auch mehr Väter zu ermuntern, für das Kind eine berufliche Auszeit zu nehmen.
Bisher erhalten alle Paare Elterngeld, deren gemeinsam zu versteuerndes Einkommen unter 300.000 Euro liegt. Familienministerin Paus hat nun vorgeschlagen, die Grenze auf 150.000 Euro zu senken.
Wäre die neue Grenze schlecht für die Gleichberechtigung?
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr warnt vor einer Verschlechterung der Gleichstellung von Mann und Frau in der Familie. Auch Paus selbst hatte eingeräumt, in dieser Hinsicht sei der Schritt "kein Glanzstück".
Die Berliner Wirtschaftsprofessorin Katharina Wrohlich hält es indes für unwahrscheinlich, dass eine Streichung des Elterngeldes für Paare mit mehr als 150.000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen das Verhalten der Betroffenen beeinflusst. Im Verhältnis zu einem steuerpflichtigen Jahreseinkommen von 150.000 bis 300.000 Euro mache ein Elterngeld von maximal 1800 Euro pro Monat nur einen geringen Teil des Einkommens dieser Paare aus, sagte die Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) der Nachrichtenagentur epd.
Die gleichstellungspolitischen Ziele des Elterngeldes würden jedoch "zum Teil durch die Einsparungen konterkariert", erklärte Wrohlich. Es sei ein wichtiges Ziel der Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 gewesen, die ökonomische Unabhängigkeit beider Elternteile vom Partner zumindest teilweise zu ermöglichen.
Die Soziologin Kim Bräuer von der Technischen Universität Braunschweig, die zu Vätern forscht, sieht darin kein Problem für die Gleichstellung. Sie sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, es habe oft keine finanziellen Gründe, dass Väter im Schnitt deutlich kürzer Elternzeit nähmen. Viele Gutverdiener hätten Angst um ihre berufliche Zukunft. "Ihnen fehlt das Vertrauen, dass eine Elternzeit auch von ihren Arbeitgebern wirklich gewollt ist", sagte Bräuer. Wenn schon gespart werden müsse, sei es aus ihrer Sicht richtig, "lieber das Elterngeld bei finanziell abgesicherten Familien zu kürzen und den Fokus auf die Kindergrundsicherung als Zeichen gegen Kinderarmut zu legen".
SPD-Chef Lars Klingbeil forderte nun, das Elterngeld zu modernisieren, um die Gleichstellung von Vätern und Müttern voranzutreiben. "Derzeit ist es ja so, dass die meisten Männer, wenn überhaupt, zwei Monate Elternzeit nehmen, weil das die Minimalgrenze ist, ab der es sich finanziell lohnt", erklärte Klingbeil im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Sollten nicht besser beide Elternteile jeweils sechs Monate nehmen können und die restlichen unter beiden aufgeteilt werden? Als SPD haben wir ein solches Modell vorgeschlagen. Ich finde, wir könnten die Wucht dieser öffentlichen Debatte nutzen, die jetzt entstanden ist."
Welche Rolle spielt nun das Ehegattensplitting?
Statt der geplanten Kürzung beim Elterngeld hat Klingbeil eine schnelle Abschaffung der Steuervorteile durch das Ehegattensplitting für alle neuen Ehen vorgeschlagen. Das könne zudem "dem antiquierten Steuermodell, das die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigt, ein Ende setzen", sagte Klingbeil dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
"Ich bin dafür, dass höhere Einkommen mehr schultern und mehr Verantwortung tragen. Aber Verteilungsfragen klärt man über die Steuerpolitik, nicht über das Elterngeld", sagte Klingbeil. Das Elterngeld sei keine Sozialleistung, sondern solle Männer motivieren, mehr Verantwortung in der Familie zu übernehmen.
Wie funktioniert Ehegattensplitting?
Ehegattensplitting bezeichnet das Verfahren, nach dem Ehepaare und Lebenspartnerschaften besteuert werden, die keine Einzelveranlagung wählen. Dabei wird das gemeinsame Einkommen halbiert, die darauf entfallende Einkommensteuer berechnet und die Steuerschuld anschließend verdoppelt. Das nützt vor allem Paaren, bei denen einer viel und der andere wenig verdient. Den Staat kostet das laut Zahlen der Bundeszentrale für politische Bildung von 2020 jährlich 20 Milliarden Euro.
Was wird am Ehegattensplitting kritisiert?
OECD und EU-Kommission hatten Deutschland in der Vergangenheit öfter für das Ehegattensplitting kritisiert - mit dem Argument, dass es Frauen vom Arbeitsmarkt fernhalte. Auch nach Ansicht von Wirtschaftsprofessorin Wrohlich hemmt es nachweislich die Erwerbsbeteiligung verheirateter Frauen und fördere "eine ungleiche Aufteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit in Familien". Eine Reform des Ehegattensplittings sei daher aus gleichstellungs- und auch aus arbeitsmarktpolitischer Perspektive sinnvoll, sagte Wrohlich.
Wird das Ehegattensplitting abgeschafft?
Die Ampelkoalition hatte sich vorgenommen, die ökonomische Gleichstellung in Ehen voranzubrigen. Konkret heißt es im Koalitionsvertrag: "Wir wollen die Familienbesteuerung so weiterentwickeln, dass die partnerschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Unabhängigkeit mit Blick auf alle Familienformen gestärkt werden."
Ein Sprecher des FDP-geführten Finanzministeriums sagte jedoch, eine Abschaffung des Ehegattensplittings könne aus dem Koalitionsvertrag nicht abgeleitet werden. Aktuell werde an einem anderen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zur Familienbesteuerung gearbeitet, sagte der Sprecher. Die Ampelkoalition hatte sich darin auf eine Abschaffung der Steuerklassen 3 und 5 verständigt. Diese sollen in die Klasse 4 überführt werden.
Dabei könnte es bei der Überführung in Klasse 4 eine Regelung geben, mit der Ehepaare weiter einen Vorteil genössen. Weitere Details sind bislang noch nicht bekannt. Handlungsleitend sei auch, dass es keine Steuererhöhungen gebe, sagte der Sprecher weiter.
(Quelle: dpa, epd, KNA)