Gesetzentwurf wird vorbereitet Wie die Länder das Verfassungsgericht stärken wollen
Wie kann das Bundesverfassungsgericht vor Demokratiefeinden geschützt werden? Politiker mehrerer Parteien sind sich einig, dass eine Gesetzesänderung notwendig ist. Die Länder arbeiten bereits an einem Entwurf.
Die Bundesländer wollen mit einer Grundgesetzänderung die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts besser vor Verfassungsfeinden schützen. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung der Vorsitzenden der Justizministerkonferenz aus Niedersachsen, Bayern und Hamburg hervor.
Der Gesetzentwurf werde derzeit auf Grundlage von Vorarbeiten Nordrhein-Westfalens und im Austausch mit einer ehemaligen Richterin und einem ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht erarbeitet.
Arbeitsgruppe seit Ende 2023
Die Justizministerkonferenz hatte demnach Ende vergangenen Jahres eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum wehrhaften Rechtsstaat unter Federführung Hamburgs eingesetzt. Gegenstand der Beratungen der Arbeitsgruppe sind etwa eine Festlegung der zwölfjährigen Amtszeit und das Verbot der Wiederwahl der Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts.
Neue Regeln wollen die Justizminister auch für den Fall, dass eine Sperrminorität im Bundestag eine Richterwahl verzögern oder blockieren könnte. Vorgeschlagen wird auch, Änderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes künftig von einer Zustimmung des Bundesrats abhängig zu machen.
"Eine Gefahr für die Demokratie"
"Es ist an der Zeit, dass wir über Parteigrenzen hinweg in Bund und Ländern gemeinsam für einen wehrhaften Rechtsstaat eintreten", sagte Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne), die in der Justizministerkonferenz die Justizressorts der Grünen, SPD, Linken und FDP koordiniert.
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) sagte für die unionsgeführten Justizressorts: "Fast 75 Jahre nach der Verkündung des Grundgesetzes erleben wir derzeit Entwicklungen, die eine Gefahr für unsere Demokratie darstellen. Feinde des Rechtsstaats und der Demokratie bedrohen unsere freiheitliche Gesellschaft auch von innen." Der Rechtsstaat müsse wehrhaft sein und insbesondere die Hüter der Verfassung entschlossen und konsequent schützen.
Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD), Vorsitzende der Justizministerkonferenz, sagte: "Wenn Antidemokraten an die Macht kommen, ist die unabhängige Justiz oft ihr erstes Angriffsziel. Das Bundesverfassungsgericht als höchstes deutsches Gericht und Hüter des Grundgesetzes repräsentiert den Rechtsstaat in herausgehobener Weise."
Änderungen nur noch mit Zweidrittelmehrheit
Politiker der Ampelkoalition erwägen, Einzelheiten zur Wahl und zur Amtszeit von Verfassungsrichtern nicht nur in einem einfachen Gesetz, sondern im Grundgesetz festzuschreiben. Diese könnten dann nicht mehr mit einfacher Mehrheit, sondern nur mit Zweidrittelmehrheit geändert werden.
Das könnte zum Beispiel verhindern, dass bei einem Regierungswechsel Richter vergleichsweise einfach aus dem Amt entfernt werden könnten oder die Rolle des Verfassungsgerichts verändert werden könnte.
Um das Grundgesetz zu ändern, ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Die Ampelparteien bräuchten für ihre Pläne also die Union. Diese signalisierte zuletzt Zustimmung.
Debatte gewinnt an Beachtung
Die lange nur in Fachkreisen geführten Debatten gewinnen aktuell an öffentlicher Beachtung. Zuletzt sprachen sich beispielsweise Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dafür aus, die Diskussion zur Stärkung der Resilienz des Verfassungsgerichts voranzubringen. Ein Experten-Diskussionspapier legte drei Varianten für mögliche Lösungen vor.
Hintergrund sind auch die Entwicklungen in Ungarn und Polen. Die dortigen autoritären Regierungen hebelten die Unabhängigkeit und die Kontrollfunktion der obersten Gerichte aus. Auch in Israel wollte die Regierung das Verfassungsgericht schwächen.