Scholz in Solingen "Das war Terrorismus - Terrorismus gegen uns alle"
Nach dem Anschlag hat Kanzler Scholz in Solingen der Opfer gedacht. Die Tat müsse nun schnell und hart bestraft werden, sagte er. Der Angriff treffe alle Deutschen - denn er ziele auf "die Art und Weise, wie wir leben".
Nach dem Messeranschlag mit drei Toten und acht Verletzten gedenken in Solingen Politiker parteiübergreifend der Opfer - unter ihnen auch Bundeskanzler Olaf Scholz, der am Anschlagsort eine weiße Rose niederlegte. "Das war Terrorismus, Terrorismus gegen uns alle", erklärte Scholz. Der Angriff bedrohe die "Art und Weise, wie wir leben". Das sei die Absicht derjenigen, die solche Anschläge planen und durchführen. "Und das ist etwas, das wir niemals hinnehmen werden."
"Wir trauern um die Toten, wir haben mit den Angehörigen um das Leben der Verletzten gebangt und tun es weiter", so der Kanzler. Ausdrücklich dankte Scholz den Helferinnen und Helfern vor Ort: "Ich konnte mit Helfern sprechen, die unmittelbar dabei waren - das war tief bewegend. Es gibt auch die Guten, die sich in so eine Situation hineinbegeben, um Menschenleben zu retten."
NRW-Innenminister Reul, Ministerpräsident Wüst, Kanzler Scholz, Bürgermeister Kurzbach und Vize-Ministerpräsidentin Neubaur legen Blumen an einer Kirche in der Nähe des Tatorts ab.
Waffenrecht soll verschärft werden
Zugleich stellte Scholz eine rasche Verschärfung des Waffenrechts in Aussicht: "Das soll und das wird jetzt auch ganz schnell passieren", versicherte der SPD-Politiker. Er sei sich sicher, dass ein entsprechender Vorschlag der Bundesregierung von Bundestag und Bundesrat schnell verabschiedet werden könne.
Der Attentäter müsse nun schnell und hart bestraft werden, forderte Scholz: "Wir empfinden zutiefst, was für ein furchtbares Verbrechen das ist. Das bewegt uns alle, und das wird keinem von uns aus den Köpfen gehen", sagte er. "Das werden wir nicht vergessen." Auch er selbst sei "wütend" und "zornig". Der Vollzug müsse nun konsequent erfolgen. "Notfalls" müsse es dafür auch weitere Rechtsänderungen geben.
Auch Wüst verspricht umfassende Aufklärung
Neben Scholz machte sich heute auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst vor Orte ein Bild von der Lage. Auch der CDU-Politiker kündigte eine umfassende Aufklärung der Tat an. Man müsse - mit Blick auf die nicht erfolgte Abschiebung des Verdächtigen - auch schauen, ob im "konkreten Fall alles richtig gelaufen ist". "Wenn etwas schief gelaufen ist, muss das auch klar benannt werden".
Zugleich betonte Wüst aber auch die schwierigen Arbeitsbedingungen der Behörden. Denen werde es "unglaublich schwer" gemacht, "auch nur nach Europa abzuschieben". Es gebe zu viele "bürokratische Hemmnisse" oder "Schlupflöcher". Es sei daher auch zu klären, ob die Behörden ausreichend mit Rechten ausgestattet seien.
Mutmaßlicher Täter in Untersuchungshaft
Der Tatverdächtige ist ein 26 Jahre alter Mann aus Syrien. Er hatte sich am Samstagabend gestellt und sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm auch vor, sich der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) angeschlossen zu haben.
Der IS reklamierte die Tat für sich und veröffentlichte ein Video, das den mutmaßlichen Täter zeigen soll. Wann das Video aufgenommen wurde und ob es sich beim darin gezeigten vermummten Mann um den Verdächtigen Issa Al H. handelt, ist noch unklar.
Der Mann nennt sich in dem Video Samarkand A. - möglicherweise eine Art Kampfname. Seine Attacke sei eine Vergeltung für die Tötung von Muslimen in Syrien, im Irak und in Bosnien und ein Racheakt für die "Menschen in Palästina", die Massaker mit Unterstützung von "Zionisten" erleiden müssten. Ähnlich Formulierungen fanden sich auch in einem ersten Bekennerschreiben des IS, das am Samstag aufgetaucht war.
Merz: "Naive Einwanderungspolitik"
Der Anschlag von Solingen hat die Debatte um einen härteren Kurs in der Asylpolitik wieder befeuert. Vonseiten der Union hieß es, man verlange nun zügig Antworten von Bundesinnenministerin Nancy Faeser.
"Es reicht", sagte CDU-Chef Friedrich Merz im ARD-Brennpunkt an Scholz und dessen Ampelregierung gerichtet, der er indirekt eine "naive Einwanderungspolitik" vorwarf. Neben der Forderung nach Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan erneuerte Merz auch seine Forderung nach einem Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus diesen Ländern - ohne jedoch zu erklären, wie das rechtlich umsetzbar wäre.
Weiter forderte der CDU-Vorsitzende dauerhafte Kontrollen und die konsequente Beachtung der sogenannten Dublin-Regeln. Diesen zufolge ist in der Regel jener EU-Staat für einen Asylantrag zuständig, wo der Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten hat. Ausreisepflichtige Straftäter seien "in zeitlich unbegrenzten Abschiebegewahrsam" zu nehmen, so Merz.
Der CDU-Chef räumte aber ein, dass mit seinen Vorschlägen die Tat von Solingen kaum hätte verhindert werden können - denn der Attentäter war vorher nicht als Straftäter in Erscheinung getreten.
Kühnert weist Forderungen zurück
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wies Merz' Forderung nach einem generellen Aufnahmestopp für Flüchtlinge zurück. Viele seiner Vorschläge gingen nicht, weil das Grundgesetz ihnen entgegenstehe, sagte er im ARD-Morgenmagazin. Das gelte zum Beispiel für das individuelle Recht auf Asyl.
Menschenrechtler: "Glaubhaft gegen Islamismus einsetzen"
Auch Menschenrechtler äußerten sich ähnlich. Diese Forderung sei "unmenschlich und populistisch" und nicht mit dem Asylrecht vereinbar, sagte der Nahostexperte der Gesellschaft für bedrohte Völker, Kamal Sido. "Reflexhafte Forderungen nach Abschiebungen und einem Aufnahmestopp für Asylbewerber aus Afghanistan oder Syrien bekämpfen Islamismus nicht."
Die Ampelparteien und die oppositionelle Union müssten sich endlich glaubhaft gegen Islamismus einsetzen. Dafür müsse auch ein Umdenken in der deutschen Außenpolitik stattfinden, so Sido weiter. "Solange islamistische Machthaber wichtige Partner Deutschlands und der NATO sind, sind Forderungen nach Abschiebungen als Islamismus-Bekämpfung unglaubwürdig und fahrlässig", kritisiert der Menschenrechtler.
Debatte über Abschiebung von Schwerstkriminellen
Bundeskanzler Scholz hatte im Juni nach dem tödlichen Messerangriff von Mannheim angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und Syrien wieder zu ermöglichen. Die Grünen hatten sich hier skeptisch gezeigt.
Jetzt stellte auch Vizekanzler und Grünen-Politiker Robert Habeck klar: "Für Mörder, Terroristen und Islamisten kann es keine Toleranz geben." Handle es sich etwa um Asylsuchende, hätten diese damit in Deutschland "den Schutzanspruch verloren".