Parlamentsinitiative Worum es bei den Gesetzentwürfen zur Sterbehilfe geht
In Berlin haben mehrere Bundestagsabgeordnete ihren gemeinsamen Gesetzentwurf zur Sterbehilfe vorgestellt. Wie sehen die verschiedenen Entwürfe aus und welche Kritik gibt es? Ein Überblick.
Die Ausgangslage
2020 hat das Bundesverfassungsgericht ein seit 2015 bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt, da es das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben verletzte. Dabei hat "geschäftsmäßig" nichts mit Geld zu tun, sondern bedeutet "auf Wiederholung angelegt".
Nun soll die sogenannte Suizidbeihilfe gesetzlich neu geregelt werden. Dazu gibt es verschiedene Gesetzentwürfe von parteiunabhängigen Abgeordnetengruppen. Die Gruppen um die Grünen-Politikerin Renate Künast und die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr haben ihre Entwürfe zusammengelegt und daraus ein gemeinsames Konzept erarbeitet. Damit wollen sie die Chancen für eine liberalere Regelung gegenüber einem Gesetzentwurf der Abgeordnetengruppe um den SPD-Politiker Lars Castellucci verbessern.
Was sieht der Entwurf der Gruppe um Castellucci vor?
Der Gesetzentwurf der Gruppe Castellucci will die Suizidbeihilfe über das Strafrecht regeln und sieht ein grundsätzliches Verbot der geschäftsmäßigen, also organisierten Sterbehilfe vor. Verstöße sollen mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe geahndet werden können.
Nicht rechtswidrig soll die geschäftsmäßige Sterbehilfe sein, wenn bestimmte Beratungspflichten und Wartezeiten erfüllt sind. Konkret sollen Sterbewillige im Regelfall mindestens zwei Untersuchungen durch Fachärztinnen beziehungsweise Fachärzte für Psychiatrie oder Psychotherapie sowie mindestens eine weitere Beratung absolvieren. Zudem ist ein Verbot für die Werbung für die Hilfe zum Suizid vorgesehen. Dieser Gesetzentwurf wurde Berichten des Redaktionsnetzwerk Deutschland zufolge von 111 Abgeordneten unterzeichnet.
Was stand bislang im Entwurf der Gruppe um Helling-Plahr?
Der Gesetzentwurf der Gruppe um FDP-Politikerin Helling-Plahr sieht den Aufbau eines Netzes von staatlich anerkannten Beratungsstellen vor, die Sterbewillige ergebnisoffen aufklären sollen. Zentraler Punkt ist eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes. Ärztinnen und Ärzten soll es frühestens zehn Tage nach der Beratung erlaubt sein, Medikamente zum Suizid zu verschreiben.
Festgeschrieben werden soll auch, dass Dritte ein Recht haben, Menschen beim Suizid Hilfe zu leisten und sie bis zum Eintritt des Todes zu begleiten. Zudem soll niemand aufgrund seiner oder ihrer Berufszugehörigkeit untersagt werden dürfen, diese Hilfe oder Begleitung zu leisten. Dieser Entwurf hatte bisher offenbar 69 Unterstützer.
Wie sah der Entwurf der Gruppe um Künast bisher aus?
Die Gruppe um die Grünen-Politikerin Renate Künast hat ein "Gesetz zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben" vorgeschlagen. Darin wird unterschieden zwischen Sterbewilligen in einer medizinischen Notlage und jenen, die sich nicht in einer medizinischen Notlage befinden.
Im ersteren Fall sollen Ärztinnen oder Ärzte sowohl für die Verschreibung als auch für die Beratung zuständig sein. Bei Sterbewilligen, die nicht in einer medizinischen Notlage sind, sollen die Betroffenen einen Antrag bei einer vom jeweiligen Land zu bestimmenden Stelle stellen. Weitere Voraussetzung ist unter anderem eine zweimalige Beratung in einer staatlich zugelassenen Beratungsstelle.
Der Entwurf sieht zudem Regelungen für das Wirken von Hilfsanbietern vor, etwa zur Abgabe der tödlich wirkenden Medikamente. Für Hilfsanbieter ist eine Zulassung erforderlich. Außerdem soll mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden, wer unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für andere oder zum Missbrauch für Straftaten eine Bescheinigung für die Abgabe des Betäubungsmittels zu erhalten. Als Ordnungswidrigkeit soll unter anderem die "grob anstößige" Werbung geahndet werden können. Diesen Entwurf unterzeichneten bisher offenbar 45 Unterstützerinnen und Unterstützer.
Was steht nun im gemeinsamen Entwurf?
Die Abgeordneten schlagen vor, Sterbewilligen den Zugang zu tödlich wirkenden Medikamenten zu ermöglichen, wenn sie zuvor eine Beratung in Anspruch genommen haben. In Härtefällen - wenn sich jemand "in einem existenziellen Leidenszustand mit anhaltenden Symptomen" befindet - soll ein Arzt auch ohne Beratung die Mittel verschreiben dürfen. Einen Anspruch darauf soll es aber nicht geben. Findet sich kein Arzt, der zur Verschreibung der Mittel bereit ist, soll die im jeweiligen Bundesland zuständige Behörde entscheiden. Im Gesetzentwurf finden sich damit Ideen der ursprünglich zwei Gruppen wieder, unter anderem das von Helling-Plahr angestrebte bundesweite Beratungsnetz.
Die Gruppen habe eine Grundhaltung geeint, nämlich der Respekt vor dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben, sagte Helling-Plahr bei der Vorstellung. Künast sagte, man sei sich zudem einig gewesen, dass es keine strafrechtliche Regelung zur Suizidassistenz geben soll. Damit liegen dem Parlament für die noch vor der Sommerpause geplante Abstimmung nur noch zwei statt drei Vorschläge vor.
Welche Kritik gibt es?
Patientenschützer warnen vor einer gesetzlichen Regelung für eine organisierte Sterbehilfe. Die Selbstbestimmung der Sterbewilligen und der Schutz vor Fremdbestimmung seien viel zu komplex, um sie in Paragrafen zu pressen, sagte der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Darüber hinaus besteht so die Gefahr, dass zu den 10.000 sogenannten harten Suiziden mindestens 20.000 organisierte Suizide jährlich hinzukommen", warnte Brysch. Er beklagte zudem, dass Psychotherapie und würdevolle Pflege oder Therapie "für viele sterbenskranke, lebenssatte, psychisch kranke oder depressive Menschen weiter unerreichbar" seien. "Suizidprävention bleibt somit viel zu häufig auf der Strecke."
Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) forderte den Bundestag dagegen auf, eine Medikamentenabgabe an erwachsene Sterbewillige ohne jede Pflichtberatung gesetzlich zu ermöglichen. "Was für die Menschen tatsächlich wichtig ist, dass sie sich auf einen Notausgang verlassen können", sagte DGHS-Präsident Robert Roßbruch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Dafür müsse vor allem das Betäubungsmittelgesetz geändert werden. Zugleich schlug Roßbruch mehr Beratungsangebote auf freiwilliger Basis vor.