Einstufung als Verdachtsfall Antragsflut verzögert AfD-Verfahren
Das Gerichtsverfahren um die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall geht weiter. Entgegen voriger Erwartungen lässt das Urteil auf sich warten - auch, weil diverse prozessuale Anträge die Entscheidungsfindung verlangsamten.
Zwei Tage hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster angesetzt, um über den Verdachtsfall AfD mündlich zu verhandeln. Normalerweise sollte das ausreichend Zeit sein für eine verwaltungsgerichtliche Verhandlung - selbst wenn es um ein sogenanntes Großverfahren geht. Schließlich hatten die Parteien des Rechtsstreits schon im Vorfeld des Termins Ihre Standpunkte schriftlich ausgetauscht.
So jedenfalls dürfte die Planung des OVG gelautet haben. Ein Urteil könne es dann schon schnell nach Ende der mündlichen Verhandlung geben, vielleicht sogar noch am selben Tag, so war es im Vorfeld der Verhandlung zu hören. Doch dieser zweite Verhandlungstag endete nun mit einer Vertagung auf einen späteren Termin. Zur Fortsetzung der Verhandlung, wohlgemerkt. Nicht zur Urteilsverkündung. Es hatte insgesamt einfach länger gedauert.
Zahlreiche Anträge
Die Anwälte der klagenden Partei, die für den Bundesverfassungsschutz rechtsextremistisch genug ist, um sie mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten, machten umfassend Gebrauch von den prozessualen Möglichkeiten, die ihnen das Gesetz einräumt. Sie stellen Beweisanträge, Befangenheitsanträge und Anträge auf Ausschluss der Öffentlichkeit.
Die Verhandlung wurde darum regelmäßig unterbrochen, damit der Senat über diese Anträge beraten konnte. Denn ignorieren kann ein Gericht solche Anträge nicht, sofern es nicht Ansatzpunkte für eine mögliche Revision liefern will. Er wolle nicht die prozessualen Rechte der Partei beschränken, teilte der Senatsvorsitzende zwischendurch mit. Und so dauerte es eben etwas länger.
Tatsächliche Anhaltspunkte?
Die große inhaltliche Frage des Verfahrens lautet: Hat der Bundesverfassungsschutz genug tatsächliche Anhaltspunkte, die es rechtfertigen, die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einzugruppieren?
Erst am Nachmittag des zweiten Verhandlungstages näherte sich das Verfahren inhaltlich diesem wichtigen Aspekt. Im Mittelpunkt: der "ethnisch verstandene Volksbegriff". Laut Ansicht des Bundesverfassungsschutzes sei in weiten Teilen der AfD die Ansicht verbreitet, dass Menschen mit Migrationsgeschichte keine "richtigen" Deutschen werden könnten. Selbst nach Erlangen der deutschen Staatsbürgerschaft verblieben sie als "Passdeutsche" nur Staatsbürger zweiter Klasse.
Generell unterscheide die AfD zwischen "deutschem Volk" und "Staatsvolk". Das gehe unter anderem aus Aussagen Björn Höckes und Alexander Gaulands hervor. Personal also aus der obersten Führungsebene der Partei.
AfD bestreitet Vorwürfe
Wer in der AfD solle das denn verstehen, lautete das Gegenargument von Roman Reusch (AfD). Er ergriff in dieser Phase das Wort und führte aus: Die AfD-Mitglieder seien weitgehend "einfache Leute", die mit derartiger "Haarspalterei" nichts anfangen könnten. Zudem gebe es "stapelweise" Migranten in der Partei, die wiederum bestätigen könnten, dass der Verfassungsschutz falsch liege.
Um das zu belegen, präsentierte die AfD drei Parteimitglieder mit Migrationshintergrund. Sie erhielten kurz vor Schluss des Verhandlungstages die Gelegenheit, sich zu äußern. Ob das dem OVG ausreicht, um die Belege, die der Verfassungsschutz vorgelegt hat, zu erschüttern, ist eine Frage dieses Verfahrens.
Neuer Termin noch nicht bestimmt
Einige Tausend Beweise sind es, die dem Gericht zur Kenntnis vorgelegt wurden - in Film- und Schriftform. Wie das Gericht dazu steht, wird sich erst zeigen, wenn die Verhandlung fortgesetzt wird. Einen festen Termin dafür nannte das OVG noch nicht, der werde demnächst bestimmt.
Weil die Klage der AfD keine aufschiebende Wirkung hat, bleibt es also zunächst beim Status Quo: Die Einstufung der AfD als Verdachtsfall, wie sie auch das Verwaltungsgericht Köln bestätigt hat, bleibt weiterhin bestehen.