Windkraft in Bayern Der Ausbau im Staatswald stockt
Deutschlands größtes Flächenland tut sich schwer mit dem Windkraftausbau. Dabei hat Bayern riesige Staatsforsten, aber auch hier geht es nicht voran. Andere Bundesländer haben mehr Windräder in ihren Wäldern. Warum?
Es ist nochmal gut gegangen für das Prestigeprojekt: Am vergangenen Sonntag stimmten Bürgerinnen und Bürger im oberbayerischen Marktl für Windräder auf ihrem Gemeindegebiet. Ende Januar hatte sich die Nachbargemeinde Mehring gegen Windräder ausgesprochen.
Dabei ist der Windpark im bayerischen Chemiedreieck im Landkreis Altötting für die bayerische Staatsregierung ein Prestigeprojekt. Noch ein Nein per Bürgerentscheid wäre eine Blamage für Ministerpräsident Markus Söder gewesen. Der CSU-Politiker hatte vor einem Jahr dort noch den größten Windpark Bayerns mit 40 Windrädern bauen wollen. Dagegen gab es laute Protest und Söders Energieminister musste schlichten.
Letzter Appell vom Energieminister
Vor dem Bürgerentscheid in Marktl hatte sich Energie- und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählen per Videobotschaft eingeschaltet: "Bitte stimmen Sie für den ausgehandelten Kompromiss." Der sieht für das Chemiedreieck nur noch 27 Windenergieanlagen vor und größere Abstände zu Wohnhäusern.
Nach der Abstimmung lobte Aiwanger, die deutliche Zustimmung der Bevölkerung von Marktl sei ein gutes Zeichen für die Energiewende im Freistaat. Doch es wirkte eher wie eine Zitterpartie.
Bayerns Industrie braucht Windkraft
Für Aiwanger ist die Zustimmung in Marktl nur ein Etappensieg. Der Windkraftausbau in Bayerischen Staatswäldern geht nur schleppend voran. Und der Minister hatte lange werben müssen bei den Bürgern im Chemiedreieck: Zahlreiche Infoveranstaltungen vor Ort, eine Bustour zu anderen Windrädern und mehrere Einladungen ins Wirtschaftsministerium.
Fazit: Umsonst war die Zustimmung Marktls nicht. Dabei ist Wirtschaftsminister Aiwanger klar: Nicht nur das Chemiedreieck im Südosten, ganz Bayern braucht Windkraft. Als Autoland ist der Freistaat energiehungrig. Zugleich ist er finanzstark und das mit Abstand größte Flächenland in Deutschland.
Bedarf, Geld und Platz für neue Windräder wären also vorhanden. Doch noch immer knabbert Bayern beim Windkraftausbau an einer CSU-Politik, die sich zunehmend als Fehler entpuppt.
Das Erbe der 10H-Regelung
Zehn Jahre ist es her, da wollte Ministerpräsident Horst Seehofer nicht zuletzt der Landbevölkerung entgegenkommen, als er eine strikte Abstandsregelung für Windräder durchsetzte. Sie legte den Mindestabstand zu einer Wohnbebauung auf die zehnfache Höhe des Windrades fest.
Durch diese 10H-Regel sei bei der Regionalplanung über viele Jahre ein Planungsstillstand entstanden, sagt Bernd Wust vom Bundesverband Windenergie in Bayern (BWE). Immer weniger Flächen standen daraufhin für Windräder zur Verfügung. Zugleich stieg der Druck auf die Bayerischen Staatsforsten, denn hier war Platz und "10H" an den meisten Stellen kein Problem.
500 neue Windräder in den Staatswald?
Die Bayerischen Staatsforsten sind mit rund 8.000 Quadratkilometern Fläche der größte Waldbesitzer in Deutschland. 2019 hatte Ministerpräsident Söder viele neue Windräder im Staatswald angekündigt, doch nur wenige kamen hinzu. Laut einem Gutachten im Auftrag der Staatsforsten gibt es Platz für 500 Windräder, aktuell sind dort 101 in Betrieb.
Entscheidend für die Ansiedlung der Windkraft im Wald sind die Vergabebedingungen: Wer darf bauen und welche Regeln gelten? Die Staatsforsten sind Eigentum des Freistaats Bayern. Sie vergeben ihre Standorte für Windräder in einem europaweiten Ausschreibungsverfahren.
Laut Staatforsten soll das Verfahren möglichst "öffentlich, transparent, diskriminierungsfrei und vor allem zügig" ablaufen. Doch führt dieser Weg auch schnell zum Erfolg? Andere Bundesländer regeln das anders.
Gute Erfahrungen mit Windkraft in Rheinland-Pfalz
Im Landesforst Rheinland-Pfalz werden die Plätze für Windräder in der Regel im Rahmen von Interessensbekundungsverfahren vergeben. Zudem erfolge die Vergabe an kommunale Träger im Rahmen eines freihändigen Verfahrens auf der Grundlage von Wertgutachten vereidigter Sachverständiger, erläutert das rheinland-pfälzische Umweltministerium auf BR-Anfrage.
Mit der Windkraft im Wald haben laut Ministerium die Landesforsten Rheinland-Pfalz grundsätzlich sehr positive Erfahrungen gemacht: "Wer auf Windenergienutzung setzt, kommt im waldreichsten Bundesland Rheinland-Pfalz am Wald als Standort nicht vorbei."
Hessen setzt auf den Wald beim Windkraftausbau
Hessen ist gemeinsam mit Rheinland-Pfalz mit einem Waldanteil von mehr 40 Prozent der Landesfläche eines der waldreichsten Bundesländer. Der gesamte Wald in Hessen entspricht der Fläche der Bayerischen Staatsforsten.
In hessischen Wäldern stehen jedoch mehr als 500 Windenergieanlagen. Auf der Fläche des Landesbetriebes HessenForst, der etwa 40 Prozent der hessischen Waldfläche ausmacht, haben 149 Windräder einen Platz gefunden.
Die Vergabe der Standorte geschieht dort in offenen Bieterverfahren. Dabei werden Kommunen und Bürgergenossenschaften bevorzugt, weil nicht allein das Geld, das ein Investor bietet, für den Zuschlag entscheidend ist.
"Die Kriterien der regionalen und kommunalen Wertschöpfung und auch Möglichkeiten einer finanziellen Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger werden mit einem Anteil von 30 Prozent berücksichtigt", erklärt das hessische Umweltministerium. Die wirtschaftlichen Kriterien der Angebote würden bei der Bewertung mit einem Anteil von 70 Prozent gewichtet.
Brandenburg baute schon früh Windräder im Wald
Auch die Waldfläche in Brandenburg ist etwa so groß wie die der der Bayerischen Staatsforsten. Laut Fachagentur Wind und Solar hatte Brandenburg vergangenes Jahr 493 Windenergieanlagen im Wald.
Akzeptanz bei den Bürgern vor Ort bekommt die Windkraft auch durch ein Landesgesetz: Das verpflichtet Windradbetreiber, jährlich eine Sonderabgabe von 10.000 Euro zu zahlen an Gemeinden im Umkreis von drei Kilometern eines Windrads.
Bayern will Zustimmungspflicht der Gemeinden anpassen
In Bayern müssen Gemeinden beim Bau von Windrädern in den Staatsforsten zustimmen. Diese Zustimmungsklausel haben sich die Staatsforsten 2011 selbst auferlegt. Längst wird dieser Passus in Frage gestellt, so auch vom Altöttinger CSU-Landrat.
Immer deutlicher spricht sich auch Wirtschaftsminister Aiwanger dagegen aus. "Der jetzige Passus bei den Bayerischen Staatsforsten aus früheren Zeiten passt nicht mehr zur aktuellen Lage", sagte er dem BR.
Ursprünglich sollte die Regelung Kommunen vor unerwünschten Planungen schützen, bewirke aber mittlerweile, dass kommunal erwünschte Planungen zerschossen werden könnten und Investoren damit einen Bogen um den Staatswald machen würden, so Aiwanger. "Deshalb werden wir diesen Passus anpassen."
Passus soll geändert werden
Nach einer Kabinettssitzung in dieser Woche sagte Aiwanger dem BR auf die Frage, wann der Passus nun geändert werden solle: "Das geht sehr schnell, das können wir in den nächsten Wochen machen, wenn wir wollen."
Ministerpräsident Söder unterstrich das mit den Worten: "Wir haben die Mehrheit." Gemeint ist damit die Mehrheit im Aufsichtsrat der Staatsforsten, der überwiegend mit Vertretern der Staatsregierung besetzt ist.
Warum diese Mehrheit nicht schon früher genutzt wurde, um den Windkraftausbau im Wald voranzutreiben, darüber spricht Söder nicht.