Transport von Windrädern Der lange Weg der Rotorblätter
Die Bundesregierung will den Ausbau der Windkraft vorantreiben. Doch nicht nur Genehmigung und Planung kosten viel Zeit. Windräder an ihren Standort zu bringen, kann zu einem Kraftakt werden.
"Das war nicht geplant", sagt Oliver Neumaier, Projektleiter beim Freiburger Ökoenergieanbieter Badenova Wärmeplus. "Normalerweise wäre der Selbstfahrer auf der Teerstraße gestartet. Aber da wurde wohl die Genehmigung nicht eingeholt."
Der "Selbstfahrer", das ist ein tonnenschweres Fahrzeug, das für den Transport des Rotorblatts einer Windkraftanlage genutzt wird - und zwar für die letzten, oft besonders schwierigen Kilometer der Wegstrecke. Einen 68 Meter langen Windflügel haben Arbeiter am Vortag auf den "Selbstfahrer" montiert, der nun auf einem matschigen Parkplatz steht. Die zwei anderen Rotorblätter liegen noch daneben.
Ausparken mit 168 Tonnen Gewicht
Insgesamt 168 Tonnen wiegt der "Selbstfahrer" samt Rotorblatt. Dass die Genehmigung zum Abstellen des Kolosses auf dem Asphalt nicht eingeholt wurde, ist das Versäumnis der Transportfirma. Nun legen deren Arbeiter Stahlplatten auf den Matsch, damit die Reifen des Transportfahrzeuges nicht einsinken. Es ist ein riskantes Ausparkmanöver, zwischen mehreren Bäumen hindurch und direkt neben der viel befahrenen Bundesstraße 33, die den Schwarzwald durchquert.
Alles geht gut, die Fahrt kann losgehen - zunächst auf dem Asphalt. Doch später wird der asphaltierte Teil der Strecke enden und der nasse Untergrund zum Problem werden.
Das "Team Bladelifter" transportiert den Flügel
Andreas Meiwandt ist dafür zuständig, dass das Rotorblatt an sein Ziel kommt. Meiwandt ist Teamleiter beim Transportunternehmen Steil. Er lenkt das Transportfahrzeug per Fernsteuerung, sein Kollege Günter Göbel - ebenfalls per Fernbedienung - den Flügel: Er kann ihn heben, senken und drehen, damit der Flügel möglichst gut um die Ecken kommt.
Meiwandt, Göbel und die anderen Mitarbeiter der Transportfirma sind extra aus Trier in den Schwarzwald gereist. "Team Bladelifter" nennen sie sich, die Fachmänner für den Transport von Windflügeln. Die Rotorblätter selbst haben eine noch weitere Anreise hinter sich: Von der Produktionsstätte im Norden Portugals mit dem Schiff nach Cuxhaven und von dort aus quer durch Deutschland bis in den Schwarzwald.
Der schwierigste Teil der Strecke liegt jetzt noch vor ihnen: die letzten sieben Kilometer. Sie führen quer durch ein kleines Dorf und dann über matschige Waldwege mit engen Kurven bis hinauf auf eine Hügelkuppe mitten im Schwarzwald. Dort steht schon der Turm der Windkraftanlage: An ihm sollen die Flügel montiert werden.
Andreas Meiwandt steuert den Transport des Rotorblattes aus kurzer Entfernung.
Komplizierte Genehmigungsverfahren
Der Transport: Für Sebastian Schüßler, Leiter der Windprojektentwicklung bei "Badenova Wärmeplus", ist es die letzte Etappe eines langen Weges. Vor sieben Jahren begannen die ersten Planungen für den sogenannten "Windpark Kallenwald". Der soll, anders als der Name suggeriert, fürs Erste aber nur aus einer einzigen Anlage bestehen.
Kompliziert war die Projektentwicklung trotzdem: "Wenn es um die Genehmigungen geht, spielen alle Ebenen eine Rolle: also Europa, Bund, Land - und natürlich die betroffenen Kommunen", sagt Schüßler. Entsprechend langwierig seien die Verfahren für Transport, Bau und Betrieb einer Windkraftanlage.
Das habe auch für die Anlage im Kallenwald Folgen gehabt: Die bürokratischen Verfahren hätten so lange gedauert, dass der Anlagentyp, der ursprünglich vorgesehen war, irgendwann nicht mehr lieferbar gewesen sei. "Also mussten wir umgenehmigen, auf eine kleinere Anlage", so Schüßler. "Und auch wenn die Anlage kleiner ist, muss das Landratsamt alle Themen wieder durchprüfen: Wie verhält sich der Lärm? Wie verhält sich der Schatten? Und so weiter."
Verbreiterte Wege, gefällte Bäume
Grundsätzlich findet es Schüßler gut, dass etwa alle Eingriffe in die Natur vorher genehmigt werden müssen. Er betont, dass nach dem aufwändigen Transport der Rotorblätter vieles so gut wie möglich wieder hergestellt werde: Dann würden verbreiterte Wege wieder zurückgebaut, gefällte Bäume neu gepflanzt. Doch dass die Verfahren so lange dauern - das erschwere nicht nur ihm die Arbeit, sondern gefährde auch die Ziele der Energiewende insgesamt.
Beim Transport des ersten Rotorblattes in den Kallenwald zeigt sich, dass auch auf der letzten Etappe auf dem Weg zur Inbetriebnahme eines Windrads noch viel schiefgehen kann. Zwar läuft die Fahrt durch die engen Straßen und zwischen den Häusern des Dorfes Prinzbach ohne Zwischenfälle. Doch im Wald gibt es Probleme. Der Untergrund des extra ausgebauten Waldwegs ist wegen des Regens der vorangegangenen Tage durchnässt, in den Kurven bleibt das Fahrzeug immer wieder stecken.
Auf durchweichter Fahrbahn bleibt der Schwerlasttransporter immer wieder stecken. So dauert es fünf Tage, bis das Rotorblatt am Ziel ist.
Transport muss unterbrochen werden
Zunächst kann ein Sattelschlepper Abhilfe schaffen: Mit dessen Hilfe gelingt es den Männern, das Transportfahrzeug doch noch um eine Kurve zu schieben. Doch die darauffolgende Kurve ist noch enger - und steiler. Wieder muss der Sattelschlepper schieben, diesmal vergeblich. "Wir sind am Ende", sagt Transportspezialist Meiwandt zu Badenova-Projektleiter Schüßler. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit steckt der Transport endgültig fest.
Erst am darauffolgenden Morgen gelingt es den Männern mit Hilfe eines Zugfahrzeuges des örtlichen Forstbetriebes, den "Selbstfahrer" um die Kurve zu ziehen. Weitergehen kann der Transport trotzdem noch nicht, denn inzwischen ist starker Wind aufgezogen. Der macht den Männern sogar noch Tage später Probleme: Über den Baumwipfeln misst das an der Spitze des Windflügels eingebaute Messgerät Windstärken von mehr als zehn Metern pro Sekunde - das ist zuviel. Meiwandt muss den Transport wieder abbrechen.
So kommt das Rotorblatt schließlich erst am darauffolgenden Tag ans Ziel - fünf Tage, nachdem es sich im Tal in Bewegung gesetzt hat. Doch zwei Rotorblätter liegen zu diesem Zeitpunkt noch unten. Erst, wenn auch die oben sind, kann die Anlage - sieben Jahre nach den ersten Planungen - in Betrieb gehen.