Klagen von Umweltverbänden Gericht verurteilt Regierung zu Klima-Sofortprogramm
Die Ampel muss einen weiteren Rückschlag vor Gericht hinnehmen: Weil Deutschland die Klimaziele im Verkehrs- und Gebäudesektor in den vergangenen Jahren verfehlt hat, muss sie laut Urteil gegensteuern. Die Bundesregierung kündigte Revision an.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung in mehreren Punkten als rechtswidrig verurteilt. Es verpflichtete die Ampelkoalition dazu, Sofortprogramme für mehr Klimaschutz im Verkehr und bei Gebäuden aufzulegen. Damit gab das Gericht Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und des Umweltverbands BUND statt.
Es geht um das Klimaschutzgesetz, das derzeit für jeden Sektor jährliche Ziele zur Senkung der schädlichen Treibhausgase vorschreibt. Werden diese in einzelnen Sektoren verfehlt, muss laut Gesetz das jeweils zuständige Ministerium mit einem Sofortprogramm gegensteuern.
Gegen Vorgaben des Klimaschutzgesetzes verstoßen
Die Bundesregierung hatte in den Sektoren Verkehr und Gebäude sowohl 2021 als auch 2022 gegen die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes verstoßen. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) lehnte jedoch ein Sofortprogramm ab. Auch ein Programm von Bauministerin Klara Geywitz (SPD) für den Bausektor beschloss die Bundesregierung nie. Sie hatte argumentiert, ein neues Klimaschutzgesetz sei ohnehin geplant, bei dem den Sektoren mehr Spielraum eingeräumt werde.
Das Gericht stellte fest, dass die Bundesregierung mit zusätzlichen Maßnahmen gegensteuern müsse, um die Klimaziele für die Jahre 2024 bis 2030 sicher zu erreichen. In der mündlichen Begründung argumentierte die Vorsitzende Richterin Ariane Holle, dass die Regierung zwar im Oktober 2023 als Reaktion auf die zu hohen Emissionswerte ihr Klimaschutzprogramm ergänzt habe. Das sei aber ein eher mittel- bis langfristiges Instrument. Das im Gesetz geforderte Sofortprogramm sei etwas anderes.
Das Sofortprogramm sei als konkrete Reaktion auf eine Zielverfehlung vorgesehen, um sicherzustellen, dass die Ziele in den folgenden Jahren erfüllt werden, begründete Holle das Urteil weiter. Das Argument der Bundesregierung, die Klage sei gar nicht zulässig, wies das Gericht zurück.
Bundesregierung kündigt Revision an
Die Bundesregierung wird Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen, wie Verkehrsminister Wissing dem ARD-Hauptstadtstudio sagte. Die Ampelkoalition stützt sich dabei auf das Argument, dass ohnehin eine Novelle des Klimaschutzgesetzes geplant sei.
"Die Bundesregierung hat die Klimaschutzziele im vergangenen Jahr eingehalten", sagte Wissing. "Die Systematik des Klimaschutzgesetzes sieht allerdings eine Sektorbetrachtung vor. Diese Sektorbetrachtung ändern wir gerade durch eine Novelle und Revision des Klimaschutzgesetzes, und diese wird in Kürze vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Und damit entfällt die Sektorbetrachtung und auch die Relevanz der Entscheidung."
Nach Einschätzung der ARD-Rechtsredaktion kann es sechs bis zwölf Monate dauern, bis sich das Bundesverwaltungsgericht als nächste Instanz mit der Klage befasst. Sollte das neue Klimaschutzgesetz bis dahin in Kraft getreten sein, wäre dem Urteil die Grundlage entzogen.
Kläger zeigen sich mit Urteil zufrieden
Das aktuelle Urteil begrüßten die Kläger und forderten sofortiges Handeln, etwa mit einem Tempolimit. BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock zeigte sich hochzufrieden: "Das Gericht hat dem Klimaschutz den Rücken gestärkt. Das klimapolitische Versagen der Bundesregierung ist gesetzeswidrig." Sie erwarte von den Bundesministerien nun mehr Ehrgeiz. "Das heißt: Tempolimit jetzt, Dienstwagenprivileg abschaffen, Steuervorteile für Diesel und Kerosin beenden und klare Vorgaben für die energetische Modernisierung von Gebäuden."
DUH-Anwalt Remo Klinger sagte: "Das Urteil ist ein Erfolg auf ganzer Linie." Klimaschutz sei eine gesetzliche Pflicht und nicht ein "Nice to have". Er räumte allerdings ein, dass eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht die Wirkung des Berliner Urteils aufzuschieben drohe.
Grüne begrüßen Entscheidung ebenfalls
Die Grünen sehen sich durch das Urteil in ihrer Forderung nach mehr Einsatz und Geld für den Klimaschutz bestärkt. "Auch wenn wir die nötigen Weichen gestellt haben, um einen großen Teil des Klimarückstands der Großen Koalition aufzuholen, bleibt viel zu tun", sagte die Parteivorsitzende Ricarda Lang der Nachrichtenagentur dpa. In der Regierung werde man nun Wege finden, um notwendige Investitionen in den Klimaschutz und die Wettbewerbsfähigkeit zu stemmen, fügte die Co-Vorsitzende hinzu.
Katharina Dröge, eine der beiden Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, sagte: "Gerade jetzt braucht es eine gesicherte Finanzierung für die Fortsetzung der Projekte im Klima- und Transformationsfonds." Eine Möglichkeit, diese sicherzustellen, wäre "ein rechtlich neu aufgestelltes Sondervermögen Klimaschutz".