Knappheit von Kinder-Arzneimitteln Durchbruch beim Kampf gegen Lieferengpässe
Gesundheitsminister Lauterbach hatte versprochen, den Mangel bei Kinderarzneimitteln schnell zu beheben. Doch seine Pläne waren zunächst nicht mit den Krankenkassen abgesprochen. Nun gibt es nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios eine Lösung.
Leere Schubladen in Apotheken, wo eigentlich fiebersenkende Mittel für Kinder liegen sollten. Verzweifelte Eltern, die nach Holland fahren, um sich dort mit Medikamenten für ihre kranken Kinder einzudecken. Solche Zustände hatten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Dezember unter Druck gesetzt.
Mit einem Eckpunktepapier wollte Lauterbach besonders für Kinder eine schnelle Lösung präsentieren. So sollten die Preisregeln bei wichtigen Arzneimitteln für Kinder gelockert werden. Die Krankenkassen wollte Lauterbach anweisen, für Kinderarzneimittel bis zu 50 Prozent mehr als den aktuellen Festbetrag zu zahlen. Der Festbetrag eines Medikaments ist der maximale Betrag, den die gesetzlichen Krankenkassen für dieses Medikament eigentlich erstatten. "Die kurzfristige Wirkung bei den Kindern wird unmittelbar eintreffen", hatte Lauterbach gesagt und damit für Verwirrung gesorgt.
Festbeträge sollen kurzfristig ausgesetzt werden
Denn vom GKV-Spitzenverband hieß es kurz darauf, es gebe noch keine klare rechtliche Grundlage, die Mehrkosten bei den Kinderarzneimitteln zu tragen. Die Festbeträge würden nach einem im Sozialgesetzbuch festgelegten Verfahren bestimmt, das die GKV nicht einfach umgehen könne.
Nun zeichnet sich doch eine zeitnahe Lösung ab. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios sollen die Festbeträge für bestimmte Fertigarzneimittel für Kinder mit den Wirkstoffen Ibuprofen und Paracetamol sowie für Antibiotika, die als Zäpfchen oder in flüssiger Anwendungsform vorliegen, ab Februar 2023 für drei Monate komplett ausgesetzt werden.
Mögliche Aufzahlungen sollen kurzfristig wegfallen
"Damit schaffen wir die Voraussetzungen, dass einer weiteren Verschärfung der angespannten Versorgungslage mit Kinderarzneimitteln kurzfristig entgegengewirkt werden kann", heißt es von der GKV. Die Regelung kann erst ab Februar gelten, damit die datentechnische Umsetzung in den Apotheken abgestimmt und gewährleistet werden kann.
Die Aussetzung der Festbeträge betrifft insgesamt 180 Kinderarzneimittel, darunter unter anderem Ibuprofen-Säfte, Paracetamol-Zäpfchen und Antibiotika. Für Pharmafirmen könnte die Regelung ein Anreiz sein, aufgrund der Erstattung höherer Preise mehr zu liefern.
Für Versicherte hat die Regelung zur Folge, dass Zusatzkosten wegfallen. Denn wenn der Verkaufspreis höher ist als der Festbetrag, tragen Patienten in der Regel die Differenz zum Festbetrag entweder selbst oder erhalten ein anderes - therapeutisch gleichwertiges - Arzneimittel ohne Aufzahlung.
Keine dauerhafte Lösung
Die Maßnahme ist jedoch keine dauerhafte Lösung. Der Pharmaindustrie kurzfristig höhere Preise zu ermöglichen, sei nicht nachhaltig, heißt es von der GKV. Die Aussetzung der Festbeträge sei "kein Freifahrtschein für Gewinnmaximierung". Die Pharmaindustrie erhalte durch die Aussetzung Zeit, die bestehenden Produktions- und Lieferprobleme in den Griff zu bekommen. Das Vorgehen sei mit dem Bundesgesundheitsministerium abgesprochen. Man erwarte von der Politik nun aber gesetzliche Vorgaben, um die bestehenden Lieferprobleme bei der Arzneimittelversorgung anzugehen.
Künftig keine Rabattverträge mehr für Kinderarzneimittel
In dem im Dezember vorgelegten Eckpunktepapier sieht Lauterbach neben den kurzfristigen Maßnahmen für Kinderarzneimittel vor, den Kostendruck bei der Produktion von patentfreien Medikamenten langfristig zu verringern. Denn die Krankenkassen schließen für viele Arzneimittel bisher Rabattverträge mit dem günstigsten Anbieter. Zur Vermeidung von Lieferengpässen soll es für Arzneimittel für Kinder künftig keine Rabattverträge mehr geben.
Bei patentfreien Arzneimitteln auch für Erwachsene, etwa Antibiotika oder Arzneien gegen Krebs, soll die Wirkstoffproduktion in der EU gestärkt werden. Künftig soll deshalb nicht wie bisher nur der billigste Anbieter zum Zug kommen. Stattdessen soll bei wichtigen Arzneimitteln neben dem günstigsten Anbieter aus dem nicht-europäischen Ausland stets auch der günstigste Hersteller aus der EU berücksichtigt werden. Für rabattierte Arzneimittel ist zudem eine mehrmonatige Lagerhaltung vorgesehen. Bisher sind es jedoch nur Eckpunkte. Ein konkreter Gesetzentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium steht noch aus.