Mitgliederzuwachs Erholt sich die Linkspartei vom Wagenknecht-Schock?
Die Linkspartei verzeichnet - den jüngsten Wahlniederlagen zum Trotz - steigende Mitgliedszahlen. 7.500 Eintritte gab es seit dem Austritt von Sahra Wagenknecht. Was bedeutet das? Und wer sind die Neuen in der Partei?
Die Zahlen sind für die Linke ein Lichtblick in der Finsternis: 7.500 Eintritte seit der Abspaltung durch Sahra Wagenknecht. Und obwohl mit Wagenknecht auch viele andere die Partei verlassen haben, gibt es bei der Linken insgesamt eine verhaltene Aufwärtsentwicklung. Aktuell sind mehr als 52.000 Menschen in der Partei, das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 3,7 Prozent.
2009 hatte die Partei noch etwa 78.000 Mitglieder. Doch das ist lange her. Jetzt zählen für Parteichefin Janine Wissler auch kleine Erfolge, gerade im Hinblick auf das, was kommt: "Eine solide Mitgliederbasis ist natürlich auch eine Grundlage dafür, erfolgreich Wahlkämpfe führen zu können." Und genau darauf wird es ankommen: bei den Landtagswahlen in diesem Jahr und bei der Bundestagswahl im nächsten.
Stabilisierung auf niedrigem Niveau
Gerade erst hat die Partei einen Tiefpunkt hinter sich: 2,7 Prozent bei der Europawahl im Juni. Der letzte Zugewinn bei Wahlen ist lange her. Vielleicht auch deshalb betrachtet der Politologe Uwe Jun die Mitglieder-Entwicklung bei der Linken skeptisch: "Angesichts des relativ geringen Zuwachses in diesem Jahr würde ich von einer Trendwende überhaupt nicht sprechen, man kann sagen, die Partei stabilisiert sich jetzt auf einem niedrigen Niveau, was die Mitglieder betrifft."
Dabei sind die Neuen in der Partei vor allem jung, die Hälfte sind Frauen. Vielleicht haben sie gezögert, solange Wagenknecht noch in der Linken war. Tatsächlich ist das BSW vor allem bei Älteren beliebt.
Und so denkt Klaus Dörre vom Institut für Soziologie, Jena, dass sich mit Weggang Wagenknechts bei potentiell Linken vielleicht so eine Art Blockade gelöst hat: "Diese Klärung, die sich mit der Spaltung vollzogen hat, erleichtert es solchen vorwiegend jungen Leuten dann zu sagen: 'Gerade jetzt unterstützen wir die Linkspartei.' Wie lange das anhält, ob das stabil ist, ob das ausreicht, die Verluste zu kompensieren, die man ja hat durch die Gründung des BSW - das ist eine ganz andere Frage."
Zuspruch bei Akademikern und Städtern
Die Mitglieder-Hochburgen der Linken sind große Städte: Berlin, Hamburg und Leipzig. Zwar tritt die Linke für eine Umverteilung und für ärmere Menschen ein. Trotzdem findet der Politologe Jun, dass die Partei sich "sozio-kulturell" von denen entfernt, die schlechter gestellt sind. Und das, obwohl "die Linke seit Jahren für sich in Anspruch nimmt, diese Gruppe zu repräsentieren". Die Entfernung zwischen den Mitgliedern und denjenigen, die die Linke als Wähler gewinnen möchte, könnte laut Jun zum Problem werden.
Weniger Geringverdiener oder Arbeiter vom Lande, mehr Studenten und Akademiker in den großen Städten. Dabei verjüngt die Linke sich. Ein Viertel aller Mitglieder ist allein in den vergangenen zwei Jahren eingetreten. Ob die Neuen sich mit den langjährigen Mitgliedern vertragen? Fraglich in Zeiten, in denen Kompromisse unbeliebter werden.
Jun geht außerdem noch eine ganz andere Überlegung durch den Kopf. Dabei denkt er gar nicht an die Eintritte: "Die Zahl der Austritte bei der Linken könnte noch höher sein, wenn das BSW bereit wäre, mehr Menschen aufzunehmen - das will die Partei allerdings nicht." Das ist jedoch eine Vermutung.
Bleibt die Linke im Bundestag?
Überhaupt ist die Zukunft der Linken aktuell äußerst ungewiss. Schafft sie den Wiedereinzug in den Bundestag? Und was, wenn nicht? Dann hat sie mit ihren rund 52.000 Mitgliedern noch eine Basis für den nächsten Anlauf, spätestens 2029. Politologe Jun weist darauf hin, dass ja auch die FDP bereits eine Legislaturperiode als außerparlamentarische Opposition überlebt hat.
Allerdings ist es seiner Einschätzung nach schwer, wenn eine Partei für einen längeren Zeitraum draußen ist: Dann fehlen die Gelder und die Aufmerksamkeit.
Aber solche Gedankenspiele kommen für Parteichefin Wissler kaum in Frage. Sie habe neue Mitglieder getroffen und dabei engagierte Menschen kennengelernt, sagt sie: "Ich stelle schon fest, dass eine ganze Menge Leute eingetreten sind, die verankert sind, ob sie in einem Mieterbündnis gearbeitet haben oder als Betriebsrat. Das sind Leute, die über den eigenen Freundeskreis hinaus Multiplikatoren sein können."
Damit könnten sie vielleicht gerade die Menschen ansprechen, die für die Linke immer schwerer zu erreichen sind. Das wäre ein Lichtblick für die Partei.