Kunsthandwerk im Erzgebirge Ausbildung mit Tradition wieder gefragt
Lange Zeit machten sich die Kunsthandswerksbetriebe im Erzgebirge Sorgen: Es gab kaum Auszubildende - und damit waren die Traditionen in Gefahr. Doch seit einiger Zeit wollen wieder mehr junge Menschen Holzspielzeugmacher werden.
Raphaela Haude steht in einer Bude auf dem Dresdener Striezelmarkt und drechselt einen Tannenbaum. Präzise fräst die Auszubildende im dritten Lehrjahr kleine Rillen in das eckige Holzstück. Neben ihr fallen reihenweise Holzspäne auf den Boden. Nach wenigen Minuten ist der Tannenbaum fertig.
"Manchmal verschenken wir die an die Kinder. Das ist einfach zum Zeigen", erzählt Haude. Beim "Schaudrechseln" präsentiert sie Handwerkstraditionen aus dem Erzgebirge.
Auf einem der ältesten Weihnachtsmärkte Deutschlands ist sie von Nußknackern, Schwippbögen und Räuchermännchen umgeben. Die verkauft sie für ihren Betrieb und erzählt dabei den Besuchern von ihrer Ausbildung: "Der Beruf vereint alles, was ich gerne mache: Das filigrane Arbeiten mit Holz, das Malen und das Zusammenbauen."
Alle Ausbildungsplätze besetzt
Nächstes Jahr im Sommer wird Haude fertig ausgebildete Holzspielzeugmacherin sein. In ihrer Berufsschule in Seiffen gibt es derzeit zwei Klassen, weil die Zahl der Auszubildenden in den vergangenen Jahren gestiegen ist. Offene Stellen gibt es nach Angaben der Industrie - und Handelskammer Chemnitz nicht mehr.
Haudes Chef Tino Günther ist froh, dass es wieder aufwärts geht: "Das gab es Jahrzehnte lang nicht. Es gab Jahre, da war es um unseren Nachwuchs richtig schlecht gestellt. Die Ausbildung war gefährdet."
Raphaela Haude beim Drechseln: Die Holzspielzeugmacherei ist ein vielseitiges Handwerk.
"Arbeiten mit Herz, Hand und Kopf"
Mittlerweile gibt es an der Drechsler- und Spielzeugmacher-Schule in Seiffen 50 Auszubildende. Dreimal so viele wie noch vor sechs Jahren - zur großen Freude des Verbands "Erzgebirgischer Kunsthandwerker und Spielzeughersteller".
Deren Vorsitzender Björn Köhler erklärt das gestiegene Interesse damit, dass viele Teile der Gesellschaft immer digitaler werden: "Da ist unser Beruf ein sympathischer Gegentrend. Wir arbeiten mit Herz, Hand und Kopf. Wir haben ein sinnliches Produkt, das wir mit allen Sinnen erfahren. Wir können das Holz riechen und fühlen. Wir können ein Produkt von Anfang bis Ende komplett fertig entwickeln."
Die Corona-Pandemie hätten die Kunsthandwerker und Spielzeughersteller aus dem Erzgebirge gut verkraftet. "Das hing auch damit zusammen, dass die Menschen das freigewordene Geld, was sie nicht für Urlaube verwenden konnten, dafür genutzt haben, ihre Wohnungen einzurichten", erklärt Köhler.
Ausbildung gibt es nur im Erzgebirge
Ende November laufen die Vorbereitungen auf das Weihnachtsgeschäft beim "Spielwarenmacher Günther" in Seiffen auf Hochtouren. Haude leimt in ihrem Ausbildungsbetrieb Weihnachtsmänner zusammen. Dabei die Geduld zu behalten, sei für sie keine große Anstrengung, sagt sie: "Es ist immer so meditativ. Ich bin allgemein eher eine sehr ruhige Person. Da fällt einem das nicht sehr schwer."
Für ihre Ausbildung ist die 20-Jährige aus der Nähe von Chemnitz 80 Kilometer weit hierher gezogen. Denn nur hier im Erzgebirge gibt es die Berufsschule und Betriebe, die Holzspielzeugmacher ausbilden.
Dabei ist auch Eigeninitiative gefragt: Haude hat einen Kerzenhalter selbst entworfen, den sogenannten "Äppelgriebs", einen Apfelstrunk. Den will sie für ihr Gesellenstück am Ende ihrer Ausbildung zur Holzpyramide weiterentwickeln. Die Flügelräder will sie mit den Blättern eines Baumes verzieren.
Kreative Ideen für das Gesellenstück: Raphaela Haude hat den "Äppelgriebs" entworfen.
Kundenberatung auf dem Striezelmarkt
Den "Äppelgriebs" verkauft Haude auf dem Dresdner Striezelmarkt. Hier berät sie auch Kunden, die mit speziellen Fragen auf sie zukommen. Heide Luhn zum Beispiel hat Probleme mit den Flügeln ihrer Holzpyramide. Haude vermutet, dass sich das Holz verzogen hat, weil die Pyramide den Rest des Jahres auf dem Dachboden lagert.
Die Holzflügel gibt es in ihrer Bude zwar nicht, aber die Auszubildende kann mit der Adresse einer Genossenschaft aus dem Erzgebirge weiterhelfen, die Pyramidenflügel einzeln verkauft.
Raphaela Haude im Beratungsgespräch am Strietzelmarktstand.
Viel Lob für die Ausbildung zur Holzspielmacherin
Die Kundin aus Hamburg ist beeindruckt, dass Haude die Ausbildung zur Holzspielzeugmacherin absolviert: "Ich finde es immer schlecht, wenn das Handwerk unterschätzt wird. Das sind die Früchte der vergangenen Jahre, wo jedes Kind aufs Gymnasium gehen muss. Es gibt keine Veranlassung dazu, auf Handwerker runterzuschauen."
Haude steht noch bis zum 23. Dezember auf dem Dresdener Striezelmarkt - jeden Tag. Das sei sei nicht ganz ohne, aber für sie als Weihnachtsfan schon machbar. Für sie steht fest: "Die Weihnachtszeit ist für mich die schönste Zeit des Jahres."