Arbeit im Gefängnis Weniger als drei Euro Stundenlohn
In Sachsen-Anhalt verdienen Häftlinge zwischen 1,33 Euro und 2,51 Euro pro Stunde - je nach Tätigkeit. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist das verfassungswidrig. Welchen Wert hat die Arbeit hinter Gittern?
Das Sägeblatt, es springt bei Ricardo Schumann das ein oder andere Mal aus der kleinen, handlichen Säge. Der 40-jährige Häftling in der Nebenstelle "Frohe Zukunft" der JVA Halle in Sachsen-Anhalt hat einen arbeitstherapeutischen Platz - das bedeutet, er bekommt bei der Arbeit hinter Gittern besonders viel Unterstützung.
Aktuell arbeitet er an Weihnachtswichteln aus Holz. Auch beim Bohren gibt es leichte Probleme - Ergotherapeutin Maria Güldenfuß eilt ihm zu Hilfe: "Den Bohrer nach unten drücken, dann geben Sie ja hier Druck drauf und dann muss der Bohrer nicht nur gegen das Holz arbeiten, sondern auch noch gegen den Druck, den Sie hier oben ausüben." Schon klappt es.
Nicht zum ersten Mal im Gefängnis
Es sind einfache Tätigkeiten, bei denen Schumann aktuell Unterstützung braucht. Für den Wittenberger ist die erste Herausforderung, einen geordneten Tagesablauf zu haben. Im Gefängnis ist er nicht zum ersten Mal. "Zehn Jahre hab ich schon weg insgesamt", erklärt er. Die Gründe sind Vergehen mit Drogen und Betäubungsmitteln.
"Ich habe 25 Jahre Drogen genommen. Da ist das alles neu im Endeffekt, sich zu konzentrieren, vorher haben einem die Drogen das abgenommen - mit der Konzentration." Er zittert beim Erzählen, kann nicht ruhig stehen bleiben. Zum Auffliegen seiner Vergehen muss er dann selbst schmunzeln: "Man hat wirklich gewartet, bis ich nach Hause komme und dann hat man mich kontrolliert", meint er. Sechs Monate seiner aktuellen Haftstrafe hat er bereits verbüßt. 13 weitere folgen noch.
Arbeitstherapie soll ihn fit machen
Durch die Arbeitstherapie sollen er und im Schnitt fünf weitere Häftlinge in der JVA Nebenstelle in Halle wieder fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden. Sie haben einen geregelten Tagesablauf: Feste Zeiten und Abläufe sollen für Strukturen sorgen. "Das Konzentrieren fällt mir schwer, durch den Drogenkonsum viele Jahre lang", erklärt Schumann bei einer kleinen Raucherpause auf dem Hof.
Wieder oben in der Werkstatt angekommen, hat sich Schumann beim Bohren verletzt. "Wie ist es jetzt passiert?" fragt die Ergotherapeutin. "Beim Bohren", erklärt Schumann, der mit einem Finger in die Kurbel gekommen ist. Es blutet etwas, doch er kann weiterarbeiten. "Es geht ja nur darum, dass ich das Holz nicht mit Blut vollschmiere", erklärt er, bevor er wieder zurück zu den Holzwichteln geht.
Um Probleme im Arbeitsalltag in den Griff zu bekommen und die Häftlinge mit ihrer Tätigkeit nicht zu überfordern, gibt es für die Teilnehmer der Arbeitstherapie individuell angepasste Arbeitstage, die durchgehend von einer Ergotherapeutin begleitet werden. Es gibt drei Kategorien mit unterschiedlichen Arbeitszeiten: Zwei Stunden, vier Stunden und sechs Stunden.
Gefangenenvergütung muss angepasst werden
Schumann arbeitet aktuell zwei Stunden täglich - er hofft, dass er bald bereit für mehr Stunden ist. Für seine Arbeit bekommt er auch einen kleinen Lohn. Aktuell sind es für Gefangene in Sachsen-Anhalt zwischen 1,33 Euro und 2,51 Euro pro Stunde - je nach Tätigkeit. Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass so niedrige Löhne verfassungswidrig sind. Die Arbeit müsse Anerkennung finden. Doch wie hoch die Vergütung sein muss, sagten die Richter nicht. Die Gefangenengewerkschaft hofft auf eine Erhöhung von sechs bis sieben Euro pro Stunde.
Bei seiner aktuellen Arbeit findet Schumann seinen Lohn grundsätzlich angemessen. "Man muss gucken, dass es ein bisschen mehr Geld wird, weil ja auch draußen auch alles teurer geworden ist", erklärt er vorausschauend. Bei Arbeiten im Gefängnis wird ein Teil des Lohns direkt einbehalten - als sogenannte Überbrückungshilfe. Diese bekommen die Häftlinge dann ausgezahlt, wenn sie ihre Strafe abgesessen haben - eine Art Budget für ihr Leben in Freiheit. Den anderen Teil bekommen die Gefangenen ausgezahlt und können es beim hauseigenen Supermarkt der JVA für Sachen wie Kuchen, Eis oder Zigaretten ausgeben.
Schumann verdient aktuell rund 70 Euro im Monat - die genaue Höhe des Lohns für Häftlinge ist Sache der einzelnen Bundesländer. Aktuell gibt es dazu Beratungen der Justizminister der Länder - noch ohne Entscheidung.
Anstaltsleitung: Arbeit im Gefängnis nicht vergleichbar
Ob in der Arbeitstherapie oder bei der normalen Gefängnisarbeit - die stellvertretende Leiterin der JVA Halle, Anika Franke, möchte die Arbeit in Haft nicht mit der auf dem freien Arbeitsmarkt vergleichen: "Der Anspruch ist hier drin einfach ein anderer." Sie begründet das damit, dass die Gefangenen nicht so aufgestellt sind, wie bei einer Akkordarbeit in Freiheit - das würden die Strukturen im Gefängnis nicht zulassen. "Von daher kann man das auch qualitativ und quantitativ so nicht vergleichen", erklärt Franke.
Bis Ricardo Schumann in 13 Monaten seine Haftstrafe abgesessen hat, will er weiter in der Werkstatt arbeiten. Er will für die Zeit nach der Haft etwas Geld verdienen und sich parallel vom Alltag hinter Gittern ablenken.