BGH urteilt zur Organspende Ärzte haften für schlechte Aufklärung
Ein Organ zu spenden, ist ein Schritt mit Risiken und eventuellen gesundheitlichen Folgen. Gerade darum müssen Ärzte umfassend aufklären, urteilte nun der BGH. Dies sei "unabdingbar".
Worum geht es in dem Fall?
Der Bundesgerichtshof (BGH) musste über zwei Fälle entscheiden. In der Öffentlichkeit steht vor allem einer - der Kläger Ralf Zietz. Er nutzt das Verfahren, um auf die Risiken einer Organlebendspende aufmerksam zu machen.
Im Jahr 2010 spendete er seiner kranken Frau eine Niere. Während es ihr erst einmal besser ging, fühlte sich Zietz schlagartig schlechter. Als er nach der OP wach wurde, sei er "extrem überrascht" gewesen, wie schlecht es ihm gegangen sei, erzählte er vor der Gerichtsverhandlung in Karlsruhe im November.
Auch mit der Zeit ging es ihm nicht besser. "Morgens wenn ich aufstehe, bin ich immer noch genauso müde wie abends. Ich habe also nicht das Gefühl, mich erholt zu haben." Nur drei bis vier Stunden sei er einigermaßen arbeitsfähig. "Ich fühle mich mittags zwischen zwölf und ein Uhr eigentlich so wie sonst früher nachts um elf. Mein Tag ist dann zu Ende."
Dass Zietz heute nach formalen Kriterien nierenkrank ist, ist diagnostiziert. Dass davon die Erschöpfung kommt, lässt sich nicht beweisen, obwohl es auch andere Nierenspender mit solchen Beschwerden gibt. Dieses Risiko hätten die Ärzte ihm verschwiegen, beklagt Zietz.
Zusammen mit einer zweiten Nierenspenderin aus Dortmund, die ebenfalls an chronischer Erschöpfung leidet, hatte er deshalb die Uniklinik Essen und die für die Transplantation verantwortlichen Mediziner verklagt.
Wann darf ein Lebender ein Organ spenden?
Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind sehr eng. Erste Wahl soll immer das Organ eines Toten sein. Eine Lebendspende ist nur zwischen Menschen möglich, die sich sehr nahestehen. Das können zum Beispiel Eltern, Geschwister oder Ehepartner sein.
Außerdem darf der Spender "voraussichtlich nicht über das Operationsrisiko hinaus gefährdet oder über die unmittelbaren Folgen der Entnahme hinaus gesundheitlich schwer beeinträchtigt" werden. In Deutschland werden bei Lebendspenden fast ausschließlich Nieren oder Teile der Leber übertragen.
Wie müssen Ärzte vor der Spende aufklären?
Das Transplantationsgesetz macht den Ärzten genaue Vorgaben, worüber Spender aufzuklären sind, etwa über den Umfang und mögliche Folgen und Spätfolgen der Organentnahme. Außerdem muss ein unbeteiligter, neutraler Arzt bei dem Aufklärungsgespräch dabei sein und der Inhalt des Gesprächs protokolliert werden.
In den beiden Fällen vor dem Bundesgerichtshof haben sich die Ärzte nicht genau an ihre Aufklärungspflichten gehalten. Bei den Vorgesprächen war jeweils kein neutraler Arzt dabei.
Im Fall von Ralf Zietz hieß es im Urteil der Vorinstanz, die inhaltliche Aufklärung sei "zum Teil unzureichend" gewesen. Im Fall der zweiten Klägerin hatte das Oberlandesgericht zudem bemängelt, dass das Aufklärungsgespräch nicht wie vorgesehen dokumentiert worden sei. Außerdem wurden die Kläger, die schon vor der Operation selbst schlechte Nierenwerte hatten, nicht ordnungsgemäß über die gesundheitlichen Folgen der Organentnahme aufgeklärt, so das Oberlandesgericht.
Wie hat der Bundesgerichtshof entschieden?
Ärzte und Kliniken haften für inhaltliche Fehler bei der Aufklärung. Das heißt, Spender können einen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld haben, wenn sie nicht ordnungsgemäß über die Folgen der Organentnahme für ihre Gesundheit aufgeklärt worden sind - so auch Zietz und die zweite Klägerin vor dem BGH. Wie hoch ihr Anspruch ist, das heißt, wie viel ihnen die Klinik am Ende zahlen muss, muss das Oberlandesgericht festlegen.
Der BGH stellte klar: Wenn Ärzte und Kliniken nicht haften müssten, würde dies "das notwendige Vertrauen potentieller Lebendorganspender in die Transplantationsmedizin" schwächen. "Denn die Einhaltung der Vorgaben des Transplantationsgesetzes ist unabdingbare Voraussetzung, wenn - um des Lebensschutzes willen - die Bereitschaft der Menschen zur Organspende langfristig gefördert werden soll", begründeten die Richter ihre Entscheidung.
Wie hatte die Klinik argumentiert?
Aus Sicht der Klinik hätten die beiden Spender ihre Nieren auch gespendet, wenn sie richtig informiert worden wären. Juristen sprechen von einer "hypothetischen Einwilligung". Diese Rechtsfigur ist im allgemeinen Arzthaftungsrecht anerkannt.
Bei einer Lebendorganspende sei dafür aber "kein Raum", so der Bundesgerichtshof. Die ärztliche Aufklärung sei bewusst streng geregelt. Mögliche Spender sollen dadurch "vor sich selbst" geschützt werden. Spender etwa einer Niere befänden sich nämlich in einer besonderen Konfliktsituation, da solche Lebendorganspenden überhaupt nur unter sich nahestehenden Menschen erlaubt sind.
Wie wichtig sind Lebendspenden?
Derzeit warten in Deutschland nach Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation rund 8000 Menschen auf eine neue Niere. Das sind etwa dreimal so viele, wie derzeit Transplantate vermittelt werden können. Die postmortalen Organspenden sind der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zufolge 2017 auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren eingebrochen. Lebendspenden sind für Patienten und ihre Angehörigen daher eine Chance.