Autobahn-Gebühren Wie teuer wird das Maut-Debakel?
Nach dem EuGH-Urteil wird das Ausmaß des Maut-Debakels immer deutlicher. Wohin flossen Gelder? Welche Entschädigungszahlungen stehen aus? Verkehrsminister Scheuer muss nun im Bundestag Antworten geben.
Die Aufregung war groß, als das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der vergangenen Woche das vorläufige Ende der deutschen Pkw-Maut besiegelte. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer setzte unmittelbar nach Bekanntwerden eine Arbeitsgruppe in seinem Ministerium ein, die die rechtlichen und finanziellen Konsequenzen aus dem Urteil prüfen soll.
Heute muss der CSU-Politiker in der nicht öffentlichen Sitzung des Verkehrsausschusses Rede und Antwort stehen, auch im Haushaltsausschuss will er Auskunft geben. Der Stopp der Maut durch den EuGH ist außerdem Thema einer Aktuellen Stunde im Parlament.
Rund 54 Millionen Euro sind bereits geflossen
Ein Teil der Kosten, die durch das Maut-Debakel entstehen, ist bereits bekannt. Aus den Haushaltsplänen der Bundesregierung der vergangenen Jahre geht hervor: Von 2014 bis 2018 wurden für die Vorbereitung der Maut-Einführung insgesamt rund 42 Millionen Euro ausgegeben. Für das Haushaltsjahr 2019 waren noch mal 86 Millionen Euro veranschlagt.
Knapp zwölf Millionen Euro davon sind bereits ausgegeben beziehungsweise fest verplant worden. Das zeigt ein Bericht des Bundesverkehrsministeriums an den Verkehrsausschuss im Bundestag, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Es sind also bislang insgesamt rund 54 Millionen Euro für die Maut ausgegeben worden.
Kosten für Berater, Gutachten und Personal
Das Geld floss für Beraterkosten, für Gutachten oder für zusätzliches Personal im Ministerium, im Kraftfahrtbundesamt und im Bundesamt für Güterverkehr. 82 Planstellen von insgesamt 423 sind bereits besetzt worden. Den Mitarbeitern soll nicht gekündigt werden. Sie sollen über die Zeit auf andere in den Behörden frei werdende Stellen verteilt werden.
Außerdem hatte die Bundesregierung mit Einnahmen aus der Maut ab Oktober 2020 gerechnet. Dieses Geld wurde bereits für Infrastrukturmaßnahmen eingeplant. Insgesamt fehlt deshalb in der Finanzplanung bis 2023 laut Ministeriumsbericht nun rund eine Milliarde Euro im Verkehrsetat.
300 Millionen Euro Schadensersatz?
Relevant ist zudem die Frage, wie hoch mögliche Schadensersatzforderungen ausfallen. Unternehmen wie CTS Eventim und Kapsch TrafficCom wurden mit der Mauterhebung beauftragt und könnten nun Forderungen an den Bund stellen. Das Verkehrsministerium kündigte die entsprechenden Verträge noch am Tag des EuGH-Urteils. Diese sahen während der Mindestlaufzeit von zwölf Jahren ein Auftragsvolumen von zwei Milliarden Euro vor.
Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet ohne Quellenangabe, dass CTS Eventim und Kapsch nun 300 Millionen Euro Schadensersatz verlangen könnten. Das "Handelsblatt" verweist mit Blick auf den ursprünglichen Vertragsentwurf auf noch höhere potenzielle Forderungen.
Verträge mit Schutzbestimmungen
Bestätigen wollten die Unternehmen das nicht. Auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios erklärte ein Eventim-Sprecher, dass man mit dem Verkehrsministerium nicht über Zahlen gesprochen habe. Richtig sei, dass die Verträge Schutzbestimmungen enthielten, die "Vermögenschäden für die Betreibergesellschaft" verhindern sollen.
Das gelte auch für den Fall, dass die Maut nicht eingeführt werde. Wie hoch die Kosten für die Vorbereitung bislang sind oder wie viele Mitarbeiter dafür rekrutiert wurden, darüber wollten Eventim und Kapsch aus "Gründen der Geheimhaltung" keine Auskunft geben.
Opposition droht mit Untersuchungsausschuss
Grüne und FDP fordern volle Transparenz der Verträge, die die Bundesregierung für die Erhebung der Maut geschlossen hat. Der Verkehrsminister kündigte auf Twitter an, die Hauptverträge zur Verfügung zu stellen - "vollständig und ohne Schwärzung". Mitglieder des Verkehrsschusses können nun in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages vertraulich Einsicht nehmen.
Die Abgeordneten dürfen nur allein und zu festgelegten Uhrzeiten in die Akten schauen - dabei soll es sich um zehn umfangreiche Ordner handeln.
Grüne wollen interne Kommunikation offenlegen
In einem Antrag an den Verkehrsausschuss, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, verlangen die Grünen zudem eine komplette Offenlegung der internen Kommunikation zur Maut. Dabei geht es nicht nur um Facheinschätzungen im Verkehrsministerium selbst, sondern auch um den Austausch mit dem Justizministerium und dem Finanzministerium. Dabei soll geklärt werden, "inwiefern vor den Vertragsabschlüssen zur 'Pkw-Maut' im Jahr 2018 in ausreichender Form die unsichere juristische Lage vor dem EuGH-Urteil durch das Bundesverkehrsministerium berücksichtigt wurde".
Für die vollständige Klarheit bei den Maut-Kosten will Stephan Kühn, Mitglied der Grünen im Verkehrsausschuss, sogar noch weitergehen: "Sollte der Minister am Mittwoch nicht reinen Tisch machen, dann werden wir auf die FDP und die Linke zugehen und einen Untersuchungsausschuss in Erwägung ziehen, der das Maut-Desaster aufklärt." FDP und Linkspartei haben bereits ihre Zustimmung signalisiert.