Diskussion über Impfstoff Nebenwirkungen fürs Volk?
"Celvapan", "Pandemrix" und "Focetria" heißen die Impfstoffe gegen die Schweinegrippe. Doch wer bekommt welches Präparat? Sonderbehandlung für die Minister? Nebenwirkungen fürs Volk? Etwa ein Fall von Zwei-Klassen-Medizin? Darüber streiten Politik und Wissenschaft.
Von Bettina Freitag, HR, ARD-Hauptstadtstudio
Drei Impfstoffe gegen die Schweinegrippe sind in Europa zugelassen. Größter Unterschied: Die Herstellung. "Celvapan" wird aus kompletten Virenhüllen produziert, "Focetria" und "Pandemrix" aus Bruchteilen. Das hat den Vorteil, dass weniger Virenmaterial gezüchtet werden muss, sich also mehr Impfstoff in kürzerer Zeit produzieren lässt. Klaus Vater vom Bundesgesundheitsministerium sagt, das habe den Ausschlag gegeben, für die Bevölkerung Pandemrix zu besorgen: "Sie können damit vier statt nur einen Menschen impfen."
Allerdings: Damit der Impfstoff aus Bruchstücken genauso wirksam ist, muss er verstärkt werden - mit Zusatzstoffen, über deren Nebenwirkungen seit Tagen gestritten wird. Die Wissenschaftler im bundeseigenen Paul-Ehrlich-Institut sagen: Trotzdem spreche nichts gegen die Impfung mit Pandemrix. Und auch der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach, der sonst kein Blatt vor den Mund nimmt, bestätigt: "Beide Impfstoffe wirken, beide Impfstoffe sind sicher und beide haben keine gravierenden Nebenwirkungen."
Auch die Kanzlerin geht zur "Volksimpfung"
Vor einem Jahr schloss dass Bundesbeschaffungsamt in Koblenz eine Rahmenvereinbarung mit der Pharmafirma Baxter - vorsorglich für den Falls einer weltweiten Grippe-Pandemie. Baxter entwickelte später "Celvapan", das Mittel ohne Zusatzstoffe und verkauft nun ausschließlich diesen Stoff. Spitzenpolitiker bekommen - wenn sie sich impfen lassen wollen - "Pandemrix", wie alle anderen auch.
Ist der eine Schweinegrippen-Impfstoff schonender als der andere?
Die Schlagzeilen, wonach die Bunderegierung für sich selbst "Celvapan" bestellt habe, seien falsch, sagt Regierungssprecher Ulrich Wilhelm: "Es geht nur um die Soldaten der Bundeswehr, die Bundespolizei, die Angehörigen der Krisenstäbe im Bund." Wenn aber ein Mitglied der Bundesregierung zu seinem Hausarzt ginge, dann "würde es mit dem Wirkstoff Pandemrix geimpft". So, wie es übrigens auch die Bundeskanzlerin halten will.
Ob "Celvapan" tatsächlich schonender ist, darüber gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. An Kindern oder Schwangeren wurde keiner der drei zugelassenen Impfstoffe getestet. Der Hallenser Mikrobiologe Alexander Kekulé sagte dennoch schon vor Tagen, die Bundesländer hätten mit "Pandemrix" den falschen Impfstoff eingekauft. Am Sonntag legte er nach: "Das ist wirklich ein Skandal, dass die Regierung hier für sich selbst und ihre oberen Beamten, die übrigens auch über den Impfstoff entschieden haben, einen anderen Impfstoff bestellt."
Vorwürfe, die völlig unberechtigt sind, sagt die Bundesregierung. Für den Regierungskritiker Kekulé hat Klaus Vater vom Gesundheitsministerium nur Spott übrig: "Wo hat denn Professor Kekulé in den letzten sieben, acht Jahren gearbeitet? Influenzaforschung? Virusforschung? - Sie werden kein einziges Dokument finden, das das belegt. Insofern hab ich gegenüber diesen Stimmen eine gewisse Scheu. Dass er sich gut im Fernsehen macht, als eine Mischung aus Einstein und Johnny Depp, da kann er nix für. Deswegen kommt er gern ins Fernsehen."
Mischung aus Einstein und Johnny Depp? Die Meinung des Hallenser Wissenschaftlers Kekulé ist im Bundesgesundheitsministerium nicht gefragt.
Die Sorge der Gesundheitsbehörden: Von der Diskussion verunsichert, werden sich weniger Menschen impfen lassen als erwartet. Laut Klaus Vater hat die befürchtete zweite Grippewelle in Mexiko bereits begonnen, in wenigen Wochen könne sie Europa erreichen.