EZB-Präsident will Krisenpolitik erläutern Draghi stellt sich dem Bundestag
Er ist in Deutschland umstritten, nun will er seine Krisenpolitik im Bundestag erläutern: Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), stellt sich heute in Berlin den Fragen von Mitgliedern des Haushalts-, Finanz- und EU-Ausschusses. Dabei geht es vor allem um den EZB-Beschluss, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen angeschlagener Euro-Länder zu kaufen.
Von Bettina Freitag, HR, ARD-Hauptstadtstudio Berlin
Der Bundestag hat ihn eingeladen. Oder besser: Die Abgeordneten hatten den Eindruck, dass Draghi gerne eingeladen werden wollte. Vor einigen Wochen hatte die "Süddeutsche Zeitung" den EZB-Chef interviewt und dabei auch gefragt, ob er nicht mal im Bundestag reden wolle, um dort die Anleihenkäufe zu erklären. Der Notenbanker wollte. Wie er auch sonst jede Gelegenheit nutzt, in Deutschland um Vertrauen zu werben.
Ende September war er schon einmal in Berlin, hatte erst mit der Kanzlerin gesprochen und dann vor deutschen Wirtschaftsvertretern. "Die Bürger vertrauen darauf, dass wir ihre Erwartungen in uns erfüllen. Das nehmen wir sehr ernst und wir werden sie nicht enttäuschen", erklärte Draghi damals.
Rösler vertraut EZB-Kurs nicht
Bei der selben Veranstaltung hatte auch der Wirtschaftsminister geredet. Und Philipp Rösler machte nicht den Eindruck, als vertraue er dem Kurs der EZB. "Schon das Thema Anleihenankauf ist ein Thema, was vielleicht nicht sofort, aber auch schon nicht mehr langfristig, sondern mittelfristig durchaus eine Gefahr werden kann, auch im Sinne von Inflation", mahnte Rösler.
Die Inflation - das Schreckgespenst. Es gibt nicht viel, vor dem gerade die Deutschen mehr Angst haben. Der Bundesbankchef Jens Weidmann kämpfte bisher vergeblich gegen den Anleihenkauf. Er warnte davor, dass überschuldete Euroländer versuchen könnten, ihre Haushalte mithilfe der EZB zu sanieren.
So ähnlich hatte auch die SPD reagiert. Auf die schiefe Bahn gerate die EZB jetzt, sagte der Haushaltspolitiker Carsten Schneider: "Und das passiert mit Duldung und Akzeptanz der Bundesregierung, denn sie geht jetzt in die Staatsfinanzierung mit rein und das ist nicht ihre Aufgabe. Die Unabhängigkeit einer Zentralbank kommt vor allem daher, dass sie sich um Geldwertstabilität kümmern soll. Jetzt macht sie aber Finanzpolitik. Sie goutiert, ob sich ein Staat gut verhält oder nicht, und dann kauft sie Staatsanleihen oder nicht."
In der Union sieht man das anders. Die meisten Abgeordneten von CDU und CSU werden mit Draghi heute nicht so hart ins Gericht gehen. Zwar ist auch ihnen klar: Die EZB hat zuallererst dafür zu sorgen, dass der Euro hart, die Währung stabil bleibt. Doch Gerda Hasselfeldt, die Landesgruppenvorsitzende der CSU findet: "Zur Wahrung der Geldwertstabilität kann es notwendig sein, Staatsanleihen im Sekundärmarkt aufzukaufen, um das Ziel der Geldwertstabilität zu sichern."
"EZB hatte keine andere Wahl"
So wird Draghi heute auch argumentieren. Und er wird sicher wiederholen, dass die EZB aus seiner Sicht keine andere Wahl hatte, als Staatsanleihen aufzukaufen. "Unter den gegenwärtigen Umständen wäre es das größte Risiko gewesen, nichts zu tun. Deshalb hat die europäische Zentralbank etwas getan", erklärte der EZB-Chef.
Im Plenarsaal wird Draghi allerdings nicht reden. Eine zu große Ehre fanden die Abgeordneten, schließlich ist er nicht der Papst, der letztes Jahr dort sprach. Stattdessen wird der nächstgrösste Sitzungssaal im Reichstag freigeräumt, dort wo sich sonst CDU und CSU zu ihren Fraktionssitzungen versammeln.
Geplant ist eine Diskussion mit den Fachpolitikern, also in erster Linie mit denen, die im Haushalts-, Finanz- oder Europaausschuss sitzen. Alle anderen, die sich interessieren, dürfen auch kommen - bisher haben sich rund 150 Abgeordnete angemeldet. Das Treffen findet hinter verschlossenen Türen statt. Die offizielle Begründung lautet: Die Veranstaltung soll nicht für Schaufensterreden missbraucht werden.