Präsidium stärkt Scholz den Rücken SPD für Stationierung von US-Raketen
Sollen US-Langstreckenraketen in Deutschland stationiert werden? Darüber hat die SPD lange intensiv diskutiert. Nun steht ein Entschluss - doch nicht alle Kritiker sind zufrieden.
Das SPD-Präsidium hat sich klar für die Stationierung von weitreichenden US-Waffen in Deutschland ausgesprochen. Die Parteispitze stellt sich damit hinter Kanzler Olaf Scholz. Und zwar trotz aller Bedenken, aller Kritik, die in den vergangenen Wochen laut geworden war.
Über den Beschluss habe man intensiv diskutiert, sagt der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer. Er sei alles andere als leichtfertig gefasst worden: "Aber er ist eine notwendige Reaktion auf die Entwicklung, die wir sehen. Auch mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Und auch die Veränderung in der europäischen Sicherheitslandschaft."
Reihe von Aggressionen durch Russland
Wie diese Veränderungen aussehen, wird in einem knapp dreiseitigen Papier skizziert. Dabei geht es nicht nur um den Krieg in der Ukraine, sondern auch um die Aufrüstung, die Russland in den vergangenen Jahren vorangetrieben hat: die Entwicklung neuer Waffensysteme, die Modernisierung des Nuklearwaffenarsenals. Und um Abrüstungsabkommen die von den Vertragsparteien gekündigt oder auf Eis gelegt worden sind.
Auf diese Bedrohungslage muss aus Sicht des SPD-Präsidiums reagiert werden. "Aber natürlich fragen wir uns doch alle, wie kommen wir zu Frieden?", fragt der Co-Vorsitzende der SPD, Lars Klingbeil in der ARD. "Ich will auch Frieden. Das ist eine berechtigte Frage, die darf in dieser Gesellschaft nicht weggewischt werden."
Kritiker fordern weitere Debatte
Das SPD-Präsidium plädiert deshalb für eine offene Debatte über die Bedrohungslage und notwendige Schritte für die Sicherheit Deutschlands und Europas. In der Gesellschaft, in der Politik - aber sicher auch weiter innerhalb der Partei. "Und das finde ich erst einmal gar nicht verwerflich, sondern das kann auch dazu beitragen, dass Zustimmung entsteht", sagt Schweitzer.
Dazu gehört für die Kritiker der Entscheidung auch, neue Ansätze der Rüstungskontrolle und Abrüstungsinitiativen mit im Blick zu haben. Stichworte, die sich auch im Beschlusspapier wiederfinden. Und über die erklärte Gegner der Stationierung von neuen amerikanischen Marschflugkörpern innerhalb der SPD - wie Ralf Stegner - weiter intensiv diskutieren wollen.
Das Thema Krieg und Frieden will er auf keinen Fall Populisten im Wahlkampf überlassen: "Ich glaube, für uns ist das Thema Krieg und Frieden keine taktische Frage." Und man sehe jetzt, dass Populisten versuchen, damit ein Geschäft zu machen. "Sie behaupten, sie seien Friedensparteien. Frau Wagenknecht behauptet das. Die AfD behauptet das auch - dabei sind sie pro Putin." Deswegen dürfe man ihnen das Thema nicht überlassen. "Deswegen müssen die demokratischen Parteien darüber streiten. Die SPD tut das. Mit Leidenschaft. Mit Respekt."
Keine Zustimmung des Bundestags nötig
Auch wenn die Entscheidung längst gefallen ist. Und sie nach Ansicht des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages keiner Zustimmung des Parlaments bedarf: Für den Sozialdemokraten ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Bis 2026, glaubt Stegner, könne noch viel passieren.
Direkt nach der Sommerpause soll es nach dem Willen des SPD-Präsidiums auf jeden Fall eine Debatte im Bundestag geben. Dabei dürfte auch die Nationale Sicherheitsstrategie eine Rolle spielen. Ebenso der Plan der Bundesregierung, selbst reichweitenstarke Raketen entwickeln zu wollen - zusammen mit den Verbündeten.
Bis es so weit ist, sollen die US-Raketen für die nötige Abschreckung sorgen. Die sollen, wie im Präsidiums-Beschluss betont wird, auf US-Militärstützpunkten im Westen Deutschlands stationiert. Die völkerrechtlichen Verpflichtungen des Zwei-plus-Vier-Vertrages, heißt es ausdrücklich, würden eingehalten. Das Papier liefert Erklärungen und Diskussionspotential: etwas, das nicht nur Kritiker bisher vermisst haben.