Umstrittenes TV-Duell Höcke und Voigt liefern sich Schlagabtausch
In einem umstrittenen TV-Duell diskutierten der Thüringer CDU-Politiker Voigt und sein AfD-Kontrahent Höcke. Um Landespolitik ging es nur am Rande, gestritten wurde über Erinnerungskultur und belegte Brötchen.
Knapp fünf Monate vor der Landtagswahl in Thüringen haben bundespolitische Themen das Fernsehduell der Spitzenkandidaten Björn Höcke (AfD) und Mario Voigt (CDU) bestimmt. Zu den Themen Europa, Migration und Erinnerungskultur lieferten sich Höcke und Voigt bei "Welt TV" rund 70 Minuten lang Wortgefechte, die von gegenseitigen Vorwürfen des Populismus und der Unkenntnis geprägt waren.
Höcke wird vom Landesverfassungsschutz als Rechtsextremist gewertet, deshalb hatte das Rededuell im Vorfeld für viel Kritik gesorgt. Der Vorwurf: Die Veranstaltung biete Höcke ein bundesweites Forum. Unter anderem SPD, Grüne und Linke kritisierten "Welt TV" für die Ausrichtung. Dies biete der AfD die Möglichkeit, ihre Positionen salonfähig zu machen. Der Sender wies diese Kritik zurück.
"Man sollte die Konfrontation mit der AfD suchen, sie stellen. Mehr davon - und nicht nur von der CDU", sagte der Politikwissenschaftler Oliver Lembcke nach dem TV-Duell. Der Verlauf widerlege "all jene, die davor gewarnt hatten, Höcke dieses Podium zu bieten und ihn so salonfähig zu machen", sagte der Politikwissenschaftler und Publizist Albrecht von Lucke. "Voigt hat den Beweis erbracht, dass man die AfD inhaltlich stellen kann."
Voigt schließt Koalition mit AfD aus
Inhaltlich bewegte sich die Diskussion oft fernab der Landespolitik in Thüringen. Europa, Migration und Erinnerungskultur waren laut "Welt TV" Voigt und Höcke einige Tage vor der Sendung von der Redaktion als Gesprächsthemen mitgeteilt worden. Gegen Ende kam auch der russische Krieg gegen die Ukraine zur Sprache. Dabei sagte Höcke: "Dieser Krieg muss so schnell wie möglich beendet werden - und zwar um jeden Preis." Waffenlieferungen an die Ukraine wollten nur diejenigen, die den Krieg verlängern wollten.
Voigt schloss während des Duells erneut eine Koalition mit der AfD nach der Landtagswahl im September aus. Ein entsprechendes Angebot Höckes wies er zurück. Voigt nannte Höcke "völkisch" und "autoritär" und sagte, er wolle mit ihm nicht zusammenarbeiten. Voigt selbst gab für die CDU das Ziel aus, stärkste Kraft bei der Landtagswahl zu werden. Er selbst wolle "Ministerpräsident aller Thüringer" sein. "Sie sind nicht bürgerlich, Sie sind völkisch. Ich bin demokratisch, Sie sind autoritär", erklärte Voigt zum Schluss.
Der thüringische AfD-Landeschef Björn Höcke wurde bereits mehrfach wegen Volksverhetzung angeklagt. Seine Immunität als Landtagsabgeordneter wurde aus diesem Grund bereits acht Mal aufgehoben.
Aktuell gibt es Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Halle, weil Höcke bei einer Versammlung eine in Deutschland verbotene Losung der Sturmabteilung (SA), der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP, verwendet haben soll. Ab dem 18. April muss sich Höcke vor dem Landgericht in Halle verantworten.
Wegen eines Beitrags bei Telegram wurde zudem eine Anklage am Landgericht Mühlhausen wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung zugelassen. Das Verwaltungsgericht Meiningen entschied außerdem im September 2019, dass es aufgrund seiner Äußerungen und Veröffentlichungen zulässig ist, Björn Höcke als Faschist zu bezeichnen.
In Thüringen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt. In den seit dem Jahreswechsel veröffentlichen Umfragen lag die AfD mit 29 bis 36 Prozent vorn, gefolgt von der CDU mit Werten um die 20 Prozent. Die Linke, die derzeit mit Grünen und SPD unter ihrem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow ohne eigene Mehrheit regiert, lag in den Umfragen zuletzt bei höchstens 18 Prozent. Die SPD erreichte sechs bis neun Prozent, die Grünen lagen bei fünf Prozent.
CDU zufrieden, Höcke punktet bei emotionalen Themen
Wirklich ins Schleudern geriet Höcke nur bei den Fragen nach seiner Haltung zur NS-Zeit und zum Faschismus. Dass er in Buchenwald Hausverbot habe, mochte er nicht verstehen. Und dass der SA-Spruch "Alles für Deutschland" verboten ist, habe er nicht gewusst. Das zeige aber, so Höcke, dass das Strafrecht in Deutschland "immer mehr zur Einschränkung der Meinungsfreiheit genutzt" werde und "Oppositionsarbeit unmöglich gemacht" werde. Worauf Voigt konterte, Höcke solle aufhören, sich als Opfer darzustellen: "Er steht doch hier und kann seine Meinung sagen."
Gerade beim Thema Erinnerungskultur sei es Voigt gelungen, Höcke zu entlarven, sagte ARD-Korrespondentin Sarah Frühauf. In der Union sei man zufrieden, sagte sie in den tagesthemen. Die eigenen Leute sahen einen "Sympathiesieg für Voigt".
Anders sei es bei emotionalen Themen gewesen. Dort habe Höcke als Populist punkten können. Als Beispiel nannte Frühauf die Themen Inflation und Altersarmut. Dort habe er zwar keine Lösungen anbieten können, aber das Thema instrumentalisieren können.
Die Brötchen-Frage
Emotional wurde die Debatte bei einer Alltagsfrage - der korrekten Bezeichnung für ein Brötchen mit rohem Hackfleisch. Sinnbildlich ging es dabei um Heimatverbundenheit, denn Voigt ist Thüringer, während Höcke aus Nordrhein-Westfalen stammt.
Höcke sprach zunächst von "Gehacktesbrötchen" und fügte dann "Mettbrötchen" hinzu. Voigt belehrte seinen Kontrahenten dann, dies heiße in Thüringen "Gehacktesbrötchen" und nicht "Mettbrötchen". Tatsächlich wird gehacktes und gewürztes Schweinefleisch in Thüringen nicht als Mett bezeichnet.
Veranstaltung am Jahrestag der Buchenwald-Befreiung
"So eine braun-schwarze Freakshow hat Thüringen nicht verdient, und es ist ein Fehler der Unionsführung aus Berlin, dies nicht im Vorfeld unterbunden zu haben", sagte Linken-Parteichef Martin Schirdewan. Die Veranstaltung sei im Ganzen unwürdig und den realen Problemen der Menschen in Thüringen nicht angemessen gewesen.
Kritik hatte vor dem Duell auch schon das Internationale Auschwitz Komitee - gegründet von Überlebenden des größten NS-Vernichtungslagers - geäußert. Vor allem, weil das Aufeinandertreffen von Höcke und Voigt am Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora stattfand. Es handele sich dabei um einen Affront gegenüber Überlebenden des Holocaust, kritisierte der Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner, schon Anfang März.
Die Entscheidung des Thüringer CDU-Vorsitzenden, einer der bekanntesten Galionsfiguren rechtsextremer Hetze in Europa ausgerechnet an diesem Gedenktag einen weithin beachteten Auftritt zu ermöglichen, mutet Überlebenden des Holocaust politisch völlig instinktlos und makaber an.
CDU-Kandidat Voigt hatte seine Teilnahme an dem Duell mehrfach gegen Kritik verteidigt: Ihm gehe es darum, Höcke und die AfD direkt zu konfrontieren. Die guten Umfrageergebnisse der AfD in Thüringen ließen sich "nicht länger ignorieren", so Voigt Anfang März in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Die Thüringer AfD wird seit März 2021 vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft und beobachtet.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung hieß es auf Basis von Angaben der Nachrichtenagenturen, dass Höcke nur von "Mettbrötchen" gesprochen habe. Tatsächlich hatte der AfD-Spitzenkandidat aber beide Ausdrücke hintereinander verwendet.
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