Prozess gegen BND-Agenten Welche Rolle spielte das FBI?
Beim Spionageprozess gegen den Ex-BND-Agenten Carsten L. hat eine FBI-Agentin ausgesagt. Es ging um Aussagen seines mutmaßlichen Komplizen Arthur E. und um den Vorwurf, dieser sei in eine Falle gelockt worden.
Die Zeugin war aus Florida angereist, um fünf Verhandlungstage lang im hochgesicherten Saal 146a des Kammergerichts Berlin auszusagen. Als Agentin der US-Bundespolizei FBI betreute sie im Januar 2023 den Fall Arthur E. - einer von zwei Angeklagten im BND-Prozess. Er ist der mutmaßliche Komplize von Carsten L., Ex-Agent des Bundesnachrichtendienstes BND.
Beide sind wegen schweren Landesverrats angeklagt. Laut Anklage sollen sie dem russischen Geheimdienst FSB geheimes Material des BND übergeben haben. Der eine soll 450.000 Euro, der andere 400.000 Euro dafür erhalten haben.
Tagelange Gespräche mit dem FBI
Der 33-jährige Geschäftsmann Arthur E. wurde zum Fall für die FBI-Agentin, als er am 12. Januar 2023 am Flughafen von Miami vom US-Zoll aufgegriffen wurde. Er hatte vier Handys und ein Tablet dabei, außerdem eine größere Menge Bargeld, die er ordnungsgemäß verzollte.
Seine Aussagen veranlassten den Zoll, das FBI zu verständigen. Warum genau, das sagte die FBI-Agentin aufgrund ihrer eingeschränkten Aussagegenehmigung nicht.
Was sie beschrieb: Arthur E. habe bereitwillig seine Geschichte erzählt und zwei Mal sein Handy zur Auslesung der Daten ausgehändigt. Er sei als Zeuge und nicht als Beschuldigter befragt worden. Sie erläuterte, das FBI sei Ermittlungsbehörde und Geheimdienst zugleich. Zu ihren Aufgaben zähle seit 2018 Spionageabwehr.
Freiwillige Kooperation
Arthur E. habe in sechs Gesprächen ausführlich von seinen Geheimdienstkontakten erzählt. Er gab an, Informant des BND zu sein, mit Diensthandy, einem Agentenführer und schriftlicher Vereinbarung, die ihn allerdings zur Geheimhaltung verpflichtet hätte. Vermittelt hatte dies Carsten L., der den umtriebigen Geschäftsmann einem Kollegen als Insider für Afrika empfahl, wo Arthur E. mit Diamanten und anderen Rohstoffen gehandelt haben soll.
Auch von seinen Aktionen mit Carsten L. erzählte der 33-Jährige dem FBI offenbar ausführlich - dass er zwei Mal von ihm Material erhalten habe, um es in Moskau russischen Agenten zu übergeben. In einem Fall habe ihm Carsten L. ein Paket mit zehn bis 20 Seiten gegeben, das er nicht geöffnet haben will. Doch auf seinem Handy fand das FBI Fotos von geheimen Dokumenten.
Anklage in den USA erwogen
Auf Nachfrage sagte die FBI-Agentin, sie habe Arthur E. nicht darauf angesprochen. Es sei keine gute Strategie für eine freiwillige Kooperation, jemanden der Lüge zu bezichtigen. Den US-Ermittlern gelang es offenbar, Arthur E. in Sicherheit zu wiegen, während die FBI-Agenten eine Anklageerhebung durch die US-Staatsanwaltschaft erwogen. Anlass war demnach Material, das die Ermittler auf dem Handy gefunden hatten und zu dem Arthur E. auch Auskunft gab.
Sie hätten sich mit ihm geeinigt, ihn auf seinem Flug von Miami zu seinem Wohnort München zu begleiten, so die FBI-Agentin. Man habe ihn glauben lassen wollen, sich von ihm Tatorte zeigen zu lassen - Orte, wie das "Hugo’s" in Starnberg, wo er sich mit Carsten L. traf und ihm seinen russischen Geschäftspartner Visa M. vorstellte.
Jener Visa M. stellte Arthur E.s Erzählungen zufolge in Moskau den Kontakt zu FSB-Agenten her, denen er schließlich das geheime Material übergab. Jener Visa M. kam demnach auch für erhebliche Reisekosten von Arthur E. auf. Für den Flug in der Business Class von Miami nach München soll er 7.000 Dollar gezahlt haben.
Übergabe an deutsche Ermittler
Die FBI-Agentin und ihr Kollege belegten auf Staatskosten die Plätze neben Arthur E. Als sie den Flug am 20. Januar 2023 gebucht hätten, habe es bereits einen deutschen Haftbefehl gegen Arthur E. gegeben. Warum sie ihn dann noch begleitet hätten, ob sie den deutschen Behörden nicht getraut hätten? "Er konnte nicht mehr weglaufen, als die Türen geschlossen waren. Wir aber auch nicht", so die FBI-Agentin.
Das Kalkül der US-Ermittler schien jedenfalls bis zum Schluss aufzugehen. Als sie Arthur E. am Flughafen München BKA-Beamten übergaben, sagte er zum Kollegen der FBI-Agentin: "Ich dachte, wir wären Freunde."
Hoffen auf Strafmilderung
Das Vorgehen der Ermittler konnte die Verteidigung der Angeklagten an zwei der fünf Verhandlungstage mit der FBI-Agentin hinterfragen, nachdem sie von den Richtern und der Bundesanwaltschaft befragt worden war.
Arthur E.s Anwälte konzentrierten sich darauf, seine Kooperationsbereitschaft herauszustellen, die zu einer Strafminderung führen könnte. Er hatte auch bei Vernehmungen in Deutschland und schon vor Gericht ausgesagt, wobei er in den Augen der Bundesanwaltschaft bislang wichtige Angaben ausließ, wie zur Zeit vor seiner Bekanntschaft mit Carsten L.
In eine Falle gelockt?
Die Aussagen von Arthur spielen eine wichtige Rolle für die Frage, ob es Carsten L. war, der das Material aus dem BND herausgeschmuggelt hat. Carsten L. bestreitet dies. Er war bereits am 21. Dezember 2022 in München festgenommen worden, vier Wochen vor Arthur E.
Entsprechend zielt die Verteidigung von Carsten L. darauf, die Glaubwürdigkeit der Aussagen Arthur E.s zu hinterfragen. Carsten L.s Anwalt Johannes Eisenberg legte mit seinen Fragen nahe, dass Arthur E. von den Ermittlern von den deutschen und amerikanischen Ermittlern in eine Falle gelockt wurde.
Heikle Fragen
So drang Eisenberg mit seinen beiden Kollegen auf Antworten dazu, inwieweit das FBI mit deutschen Behörden kooperiert hat. Er verwies zum Beispiel darauf, dass Arthur E. in Miami nicht öffentlich zugängliche Fotos eines BND-Agenten vorgelegt worden seien und fragte, woher das FBI sie hatte. Eisenberg zitierte auch aus einem Vermerk eines deutschen Ermittlers über ein Treffen mit US-Kollegen.
Die erfahrene US-Ermittlerin reagierte besonnen, signalisierte Verständnis für das Informationsinteresse der Verteidiger, bezog sich jedoch immer wieder auf die Einschränkungen ihrer Aussagegenehmigung und ließ über der deutsch-englischen Übersetzung auch den oder anderen Aspekt unbeantwortet.
Beugehaft oder Strafgeld beantragt
Eisenberg insistierte jedoch und geriet ein über das andere Mal mit Richter Detlef Schmidt in Streit. Schließlich stellte der Anwalt einen Antrag an das Richtergremium, eine Aussage der FBI-Agentin mit Ordnungsmitteln zu erzwingen, also mit Beugehaft oder Strafgeld.
Nach einer Verhandlungspause wiesen die Richter den Antrag allerdings zurück. Mit Verweis auf frühere Gerichtsentscheidungen erklärten sie, dass ausländische Staatsangehörige nicht zu Aussagen gezwungen werden könnten. Außerdem sei die FBI-Agentin durch die Einschränkungen ihrer Aussagegenehmigung gebunden gewesen.
Eisenberg erreichte jedoch, dass einer der Zuschauer den Gerichtssaal verlassen musste: Dem offiziellen Vertreter des FBI an der US-Botschaft in Berlin, von dem während des Prozesses schon mehrfach die Rede war. Die Verhandlung darf er nicht verfolgen, da Eisenberg seine Vernehmung als Zeuge vor Gericht anstrebt. Verhandlungstermine sind bislang bis in das Jahr 2026 festgelegt.