Shelby Lynn über Begegnung mit Lindemann "Ich will das nicht machen"
Shelby Lynn hat den Me-Too-Skandal rund um die Band Rammstein ins Rollen gebracht. Im Gespräch mit NDR und SZ schildert sie die Begegnung mit Frontmann Lindemann - und wie die Öffentlichkeit auf ihre Äußerungen reagierte.
Shelby Lynn sitzt auf dem Sofa ihrer Mutter in einem Reihenhaus in einer kleinen Stadt in Nordirland. Sie hält sich an ihrer E-Zigarette fest, während sie erzählt, wie sie mit 15 Jahren den Rammstein-Song "Pussy" zum ersten Mal hörte und zum Fan wurde.
Mittlerweile ist Lynn 24 Jahre alt und arbeitet als Beamtin im öffentlichen Dienst. Sie schildert, wie sie für das Konzert in Vilnius am 22. Mai eine Karte gekauft hat. Und wie sie im Internet erfuhr, dass es Partys geben soll rund um die Konzerte. Dafür habe sie lediglich eine Frau aus dem Umfeld der Band kontaktieren müssen.
"Ich dachte, es würde nur eine Afterparty mit Rammstein-Fans werden. Gute Musik danach, jeder plaudert, trinkt etwas. Und vielleicht würde ein Bandmitglied auftauchen, vielleicht auch nicht."
Sie sei dann noch vor Konzertbeginn zu einer sogenannten Pre-Party eingeladen worden, berichtet Lynn. Dort sei ihr Alkohol angeboten worden.
"Oh nein, das ist falsch"
Während einer Konzertpause sei sie dann unter die Bühne geführt worden. Als sie den winzigen komplett schwarzen Raum betreten habe, sei ihr klar gewesen: "Oh nein, das ist falsch. Das ist schlecht. Das ist auf jeden Fall eine Sex-Sache!"
Till (Band-Frontmann Till Lindemann) kommt rein. Und ich sage sofort zu ihm: 'Till, wenn du wegen Sex hier bist, dann ist das deine Sache. Ich will das nicht machen. Sex ist für mich etwas ganz Besonderes.' Und er wird sehr wütend und er schreit mich an und stürmt durch den Vorhang, um zu gehen. Ich habe eine Minute gewartet, damit er weggeht, den Vorhang geöffnet und er ist immer noch da. Und schreit mich an: 'Nein, du wartest! Du wartest da drin!
"Wie vernebelt"
Lynn selbst berichtet, die Begegnung sei eine der wenigen Szenen, an die sie sich noch klar erinnern könne. Denn alles nach der Pre-Party sei "wie vernebelt". Sie könne sich an das meiste nur bruchstückhaft erinnern. Abends in ihrem Hotel habe sie dann große blaue Flecke an ihrem Körper entdeckt.
"Ich bin zu fast 100 Prozent sicher, dass ich unter Drogen gestanden habe. Denn so habe ich mich in meinem ganzen Leben noch nie gefühlt. Es war ein Gefühl wie nichts anderes jemals!"
In sozialen Netzwerken geteilt
Sie entschließt sich dazu, ihre Erlebnisse in sozialen Netzwerken zu teilen. Die Resonanz ist riesig: Viele junge Frauen melden sich bei ihr. "Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so eine Erschöpfung gespürt: Die ganze Zeit nur am Telefon, die Geschichten der Mädchen teilen, Informationen sammeln und so weiter. Ich konnte nicht zulassen, dass das noch einmal passiert! Es ging nicht mehr um mich."
Nach und nach erheben immer mehr junge Frauen öffentlich Vorwürfe gegen die Band. Lynn erfährt Solidarität - aber auch Morddrohungen. Die Band weist die Vorwürfe in den sozialen Medien zurück, erklärt dort später aber auch: "Beteiligt euch nicht an öffentlichen Vorverurteilungen jeglicher Art denen gegenüber, die Anschuldigungen erhoben haben. Sie haben ein Recht auf ihre Sicht der Dinge."
Und auch die Band habe ein Recht, nicht vorverurteilt zu werden, so das Statement weiter.
Der Ton wird aggressiver
Mittlerweile ist der Ton deutlich aggressiver. Lindemann hat einen neuen Anwalt engagiert. Zu den Vorwürfen, Lindemann habe Frauen möglicherweise mithilfe von K.o.-Tropfen bzw. Alkohol betäubt, um sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können, heißt es in einer schriftlichen Presseerklärung: "Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr. Wir werden wegen sämtlicher Anschuldigungen dieser Art umgehend rechtliche Schritte gegen die einzelnen Personen einleiten."
Auf eine aktuelle Anfrage des NDR hat die Band nicht geantwortet. Lynn hat nach eigener Aussage bereits vor der Presseerklärung eine Unterlassungsaufforderung erhalten. Doch Lynn ist das egal.
"Macht mich bankrott. Ist mir egal. Bringt mich vor Gericht. Ich habe keine Angst. Sie haben viel zu verlieren und eine Menge zu verbergen. Ich habe nichts zu verbergen."
Sie werde weiter dafür kämpfen, dass es in Zukunft auf Rammstein-Konzerten weder Pre-Partys noch Aftershow-Partys gebe.
Das Interview sehen Sie im Ersten bei Titel Thesen Temperamente am Sonntag ab 23.05 Uhr und ab 20 Uhr in der Mediathek