Studie zu Genehmigungsverfahren Brandschutzmängel bei der Nutztierhaltung?
Immer wieder sterben Nutztiere bei Bränden. Ein Gutachten im Auftrag von Greenpeace zur Genehmigung von Schweinehaltungsanlagen in Ostdeutschland konstatiert: Der Brandschutz sei nur unzureichend berücksichtigt worden.
Jährlich sterben in Deutschland bei Bränden Zehntausende Nutztiere. Ein Gutachten, was von Greenpeace in Auftrag gegeben wurde und MDR Investigativ vorliegt, hat den Brandschutz von großen Schweinehaltungsanlagen untersucht. Aus dem Gutachten geht hervor, dass in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt bei der Genehmigung von industriellen Schweinehaltungsanlagen der Brandschutz nur unzureichend berücksichtigt worden sei. Das Gutachten basiert auf der Überprüfung von zehn solcher Anlagen.
"Wir haben die Genehmigungsbescheide und Brandschutzkonzepte von den zuständigen Behörden angefordert und überprüft, nach welchen Vorgaben die Anlagen genehmigt wurden", sagt Ulrich Werner, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, der im Auftrag von Greenpeace das Gutachten erstellt hat. Die Vorgaben der Landesbauordnungen seien nicht nur fehlerhaft ausgelegt, sondern durch großzügige Abweichungen geradezu konterkariert worden, heißt es in dem Gutachten.
Große Probleme für Rettung der Tiere
Eine Brandkatastrophe wie im März 2021 in Alt Tellin in Mecklenburg-Vorpommern, bei der mindestens 50.000 Sauen und Ferkel verendet sind, könne sich so jederzeit wiederholen, so Anwalt Werner. Die Abweichungen beträfen vor allem die vorgeschriebenen Abstände zwischen den Brandwänden. Diese sollen ein schnelles Übergreifen eines Brandes auf andere Stallabschnitte verhindern, um die Tiere aus den anderen Abschnitten retten zu können.
In der Ferkel- und Sauenaufzuchtanlage in Alt Tellin soll laut Gutachten die maximal zulässige Brandabschnittsgröße etwa um das 13-fache überschritten worden sein. In den Landesbauordnungen ist vorgeschrieben, dass Brandwände nicht mehr als 40 Meter voneinander entfernt errichtet werden dürfen. Diese Vorgabe führt zu Brandabschnitten, die demzufolge nicht größer als 1600 Quadratmeter sein dürfen und so für die Feuerwehr im Brandfall beherrschbar sind.
Allerdings sind Abweichungen von diesen Vorgaben im Genehmigungsprozess möglich. Das führte in Alt Tellin dazu, dass die Abschnitte, laut Gutachten, statt 1600 Quadratmeter 22.000 Quadratmeter groß waren. Auch in den drei untersuchten Anlagen in Sachsen und Sachsen-Anhalt seien zum Teil erheblich größere Brandabschnitte genehmigt worden.
Mängel bei tragenden Gebäudeteilen
Eine weitere Voraussetzung für eine erfolgreiche Tierrettung im Brandfall ist, laut Gutachten, die Widerstandsfähigkeit tragender Gebäudeteile. Das heißt: Die tragenden Wände sollen einem Feuer ausreichend lange standhalten können, so dass Tausende Tiere aus den einzelnen Abschnitten evakuiert werden können. Doch in der Praxis würden kaum oder gar keine Anforderungen an die brandschutztechnische Auslegung von tragenden Wänden und Decken gestellt.
So sei es laut Gutachten bei dem Brand in Alt Tellin und dem Brand einen Monat zuvor in einem Stall der Schweinehaltungsanlage in Kobrow (Mecklenburg-Vorpommern) den Rettungskräften kaum möglich gewesen, Tiere zu evakuieren, da die Stallgebäude beim Eintreffen der Feuerwehr bereits eingestürzt waren oder kurz davor waren einzustürzen.
Rechtswalt Ulrich Werner sagte MDR Investigativ: "Außerdem haben wir gefragt, ob die Gewährleistung einer Tierrettung im Brandfall nach dem Bau der Anlagen jemals überprüft worden ist. Dies war bei keiner einzigen der teilweise bereits seit mehr als 20 Jahren in Betrieb befindlichen Anlagen der Fall."
Kritik auch von der Agrarministerkonferenz
Auch die nach dem verheerenden Brand in Alt Tellin einberufene "ad-hoc-AG" der Agrarministerkonferenz sieht Nachbesserungsbedarf beim Brandschutz und der Tierrettung. Im Ergebnisbericht von 2022 heißt es unter anderem: "Bei landwirtschaftlichen Nutztierhaltungen ergeben sich insbesondere Mängel beim vorbeugenden Brandschutz. Bisher fehlen im geltenden Tierschutzrecht hinreichend konkrete Anforderungen zu Sicherheitsvorkehrungen in Tierhaltungen im Falle technischer Störungen und im Brandfall."
Außerdem wird konstatiert, dass eine schnelle Ausbreitung der Brände durch "fehlende bauliche Voraussetzungen noch beschleunigt" werde.
Auf Anfrage von MDR Investigativ antwortete eine Sprecherin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, es werde daran gearbeitet, "die tierschutzrechtlichen Regelungen für die Haltung von landwirtschaftlichen Tieren mit dem Ziel zu ergänzen, den Brandschutz in Haltungseinrichtungen zu verbessern."
Allerdings wird in der Antwort darauf verwiesen, dass Lösungen vor allem an das Landesbauordnungsrecht adressiert würden, für das die Länder zuständig sind. Jedoch heiße es aus der Bauministerkonferenz, man halte die bisherigen bauordnungsrechtlichen Anforderungen an Tierhaltungsanlagen grundsätzlich für ausreichend.
Forderungen an den Bund
Sind dem Bund also die Hände gebunden, um die brandschutzrechtlichen Anforderungen an Tierhaltungsanlagen zu verbessern, weil das Bauordnungsrecht Ländersache ist? Hier widerspricht sowohl das von Greenpeace in Auftrag gegebene Gutachten als auch der Ergebnisbericht der ad-hoc-Arbeitsgruppe der Agrarministerkonferenz. Sie sehen die Verantwortung beim Bund, der für das Tierschutzgesetz zuständig ist.
"Zu den Grundpflichten des Tierschutzes (§2 Nr.1 Tierschutzgesetz) gehört, dass die Tiere im Brandfall gerettet werden können. Tierschutz ist Bundessache. Da es regelmäßig zu Bränden in Intensivtierhaltungsanlagen kommt, ist das BMEL in der Pflicht, durch Erlass von tierschutzrechtlichen Vorschriften den Schutz der Tiere bundeseinheitlich zu regeln", sagt Gutachter Ulrich Werner MDR Investigativ.
Die "ad-hoc-AG" der Agrarministerkonferenz kommt in ihrem Ergebnisbericht zu einer ähnlichen Schlussfolgerung. "Durch die Ermächtigungsnorm (…) Tierschutzgesetz können durch den Bund Anforderungen an Sicherheitsvorkehrungen im Falle technischer Störungen oder im Brandfall geregelt werden."
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft will jetzt den Brandschutz verbessern und die Chancen auf eine Rettung der Tiere maßgeblich erhöhen. Die Zeit drängt. Allein 2022 starben laut der "Initiative Stallbrände" in Deutschland bei Bränden in Tierställen rund 90.000 Nutztiere.