Mariupol, Archivbild
Exklusiv

Russische Propaganda Kampf gegen die Lüge

Stand: 16.08.2022 11:12 Uhr

Der Krieg gegen die Ukraine wird von einer Propaganda-Offensive des Kreml begleitet. Behörden rechnen mit noch mehr Desinformation. Doch die Bundesregierung tut sich schwer im Kampf gegen Moskaus Lügen - das soll sich nun ändern.

Der Bundeskanzler vor einer Turbine. Es ist ein Bild, das vor Kurzem für einige Kritik und Häme sorgte. Anfang August besuchte Olaf Scholz das Siemens-Werk in Mülheim an der Ruhr und posierte demonstrativ neben jenem Modul, das in Russland angeblich so dringend gebraucht wird, damit wieder in vollem Umfang Gas durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 strömen kann. Gazprom hatte zuletzt behauptet, es fehle an Dokumenten aus Deutschland, um die Turbine nach Russland zu bringen.

"Es ist offensichtlich, dass nichts, aber auch wirklich gar nichts dem Weitertransport dieser Turbine und ihrem Einbau in Russland entgegensteht", betonte Scholz. "Sie kann jederzeit transportiert und genutzt werden. Die Reduzierung der Gaslieferungen über Nord Stream 1, die Nichterfüllung der Gaslieferungsverträge hat keinerlei technische Gründe." Scholz' Auftritt vor der Gasturbine wirkte wie ein eher hilfloser Faktencheck angesichts der Flut an russischer Propaganda und Desinformation. Die Bundesregierung tut sich bislang sichtlich schwer mit dem Kampf gegen Moskaus Lügen, will nun aber verstärkt dagegen vorgehen.

Mehr Kreml-Propaganda erwartet

Denn in den Sicherheitsbehörden geht man davon aus, dass die Kreml-Propaganda in den kommenden Monaten noch weiter zunehmen wird und sich der Fokus dabei verlagert: Vom Krieg in der Ukraine zur drohenden Energiekrise und deren Folgen für die Bevölkerung. Moskaus Propagandisten, darunter staatliche und nicht-staatliche Akteure, setzen dabei offenbar auf bestimmte Narrative, etwa jene, dass die verhängten Wirtschaftssanktionen dem Westen mehr schaden würden als Russland. Oder dass die westlichen Sanktionen verantwortlich seien für die Lebensmittelknappheit in vielen armen Regionen der Welt, insbesondere in Afrika.

Grundsätzlich, so heißt es von den Fachleuten im Bundesinnenministerium, müsse die Bevölkerung für die gezielten Angriffe auf Fakten und Realitäten präventiv sensibilisiert werden. Gleichzeitig müsse die Medienkompetenz gestärkt werden, damit Unwahrheiten und gezielte Manipulationen selbstständig erkannt werden können. Bislang aber fehlt es noch vielfach an wissenschaftlichen Erkenntnissen darüber, welche Lügen und Halbwahrheiten überhaupt in der Gesellschaft verfangen, wie Desinformation genau funktioniert und bei wem sie die Meinung nachhaltig beeinflusst.

Schon vor einigen Jahren, als klar wurde, dass Moskau versucht, durch verdeckte Aktivitäten Einfluss auf demokratische Prozesse zu nehmen, rief die Bundesregierung eine Plattform ins Leben - eine Arbeitsgruppe (AG) namens "Hybrid". Dort tauschen sich mehrere Ministerien und Behörden regelmäßig über die sogenannten "hybriden Bedrohungen" aus. Das Kanzleramt, das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt sind mit dabei, ebenso das Bundespresseamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Bundesnachrichtendienst (BND).

Die Experten versuchen vor allem durch Internet- und Medienauswertung frühzeitig solche "aktiven Maßnahmen", wie die gezielten Lügen bezeichnet werden, zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu entwickelt. Bislang hat die AG "Hybrid" vor allem vertrauliche Lagebilder und Analysen für die Regierung erstellt, die nicht für die Öffentlichkeit zugänglich waren.

So hat der BND etwa die russischen Einflussnahmeversuche auf die zurückliegende Präsidentschaftswahl in Frankreich untersucht und soll derartige Aktivitäten auch bei der im September anstehenden Parlamentswahl in Schweden in den Blick nehmen.

Schneller Aufklärung oder Warnhinweise

Der Verfassungsschutz informiert seit Kurzem auf seiner Webseite unter der Rubrik "Gemeinsam gegen Desinformation" auch öffentlich über die Maßnahmen der Bundesregierung. In Zukunft sollen die Behörden noch offensiver dabei mitwirken, die Lügengebilde zu dekonstruieren und die gesellschaftliche Resilienz zu stärken, indem bei bestimmten Vorfällen oder identifizierten Propagandisten noch schnellere Aufklärung oder Warnhinweise erfolgen sollen.

Auch auf EU-Ebene sollen weitere Projekte angestoßen werden, bei denen es auch um die Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Akteuren, etwa russischen Journalisten im Exil, geht. Ebenso soll auf diplomatischer Ebene künftig klarer den russischen Täuschungsversuchen und Lügen entgegen getreten werden.

Die Position der Bundesregierung soll auch im Ausland deutlich gemacht werden, so die Strategie, um die Deutungshoheit über bestimmte Vorgänge und Entwicklungen nicht dem Kreml zu überlassen. So soll sich das diplomatische Personal zukünftig stärker positionieren und in öffentlichen Diskursen einlassen. Wo früher eher geschwiegen wurde, soll nun öfter Widerspruch erfolgen.

Das Sendeverbot für den russischen Propagandakanal Russia Today (RT) in der EU - das durchaus nicht unumstritten ist - erweist sich indes als mäßig erfolgreich. Die Inhalte des Senders werden auch hierzulande weiter im Netz verbreitet. So gibt es auch Stimmen innerhalb der Behörden, die ein härteres, gezieltes Vorgehen gegen die Kreml-Propagandisten fordern und auf die Möglichkeiten der Strafverfolgung verweisen.

Bislang bei Strafverfolgung zurückhaltend

Anfang August wurde in Hamburg ein 31-jähriger Deutscher festgenommen, der in sozialen Netzwerken den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine durch Propaganda unterstützt haben soll. Er soll etwa das Z-Symbol verbreitet und zudem auf einem Foto mit einem Sturmgewehr posiert haben. Nach Ansicht der Ermittler handelt es sich dabei um eine strafbare Handlung: Die Billigung einer Straftat nach Völkerstrafrecht.

"Nach bisherigen Ermittlungen war der Beschuldigte Verantwortlicher des Telegram-Kanals 'Das andere Deutschland', der sich als pro-russische national-bolschewistische Plattform verstand, auf der offen Sympathien für den von Russland angezettelten Angriffskrieg gegen die Ukraine bekundet wurden", teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Bislang waren die Behörden zurückhaltend bei der Verfolgung von Kriegsbefürwortern. Daher könnte der Fall nun zu einem Präzedenzfall werden. Bis zu drei Jahre Gefängnis drohen dem festgenommenen Hamburger bei einer Verurteilung.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete rbb online in der Sendung Kontraste am 04. August 2022 um 21:45 Uhr.