Die iranische Flagge weht vor dem Atomkraftwerk Busher (Archivbild)
FAQ

Grossi-Besuch in Teheran Iran auf dem Weg zur Atommacht?

Stand: 04.03.2023 15:58 Uhr

Die Sorge vor einer iranischen Atombombe treibt die internationale Gemeinschaft seit Jahren um. Jüngste Funde von höher angereichertem Uran verstärken sie. Nun ist IAEA-Chef Grossi im Land. Wie laufen die Gespräche? Wie nah ist der Iran an einer Atombombe?

Von Mit Material von dpa

Warum besucht IAEA-Chef Grossi den Iran?

Erstmals seit einem Jahr ist der Chef der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), Rafael Mariano Grossi, für Gespräche in Teheran. Dabei geht es um internationale Befürchtungen, dass die Iraner Atomwaffen bauen könnten.

Es herrsche eine Arbeitsatmosphäre mit Ehrlichkeit und Zusammenarbeit, sagte Grossi in einer Pressekonferenz mit dem Leiter des iranischen Atomprogramms Mohammed Eslami. Der Dialog gehe weiter, zum Inhalt seiner Gespräche sagte er nichts. Im Iran soll Grossi auch Präsident Ebrahim Raisi treffen. Thema wird ein "Neustart des Dialogs" und eine "Neuausrichtung der Beziehung auf höchster Ebene".

IAEA-Direktor Grossi im Iran

IAEA-Direktor Grossi bei der Pressekonferenz im Iran. Es wird erwartet, dass er nach seiner Rückkehr ausführlich über die Gespräche informieren wird.

Worüber streiten der Iran und die IAEA?

Ein Diskussionspunkt sind Spuren von 84-prozentigem Uran, die IAEA-Experten vor Kurzem in der unterirdischen iranischen Atomanlage Fordo fanden. Für Atomwaffen wird ein Reinheitsgrad von rund 90 Prozent benötigt. Die IAEA will nun klären, ob der hohe Anreicherungsgrad bewusst erreicht wurde, oder ob es sich um einen unbeabsichtigten Ausreißer handelte, wie iranische Vertreter argumentieren. Teheran habe bisher "keinen Versuch unternommen, auf über 60 Prozent anzureichern", wurde der Sprecher der iranischen Atomenergiebehörde in Staatsmedien zitiert. Die 60-Prozent-Schwelle der Anreicherung hat der Iran schon seit einiger Zeit erreicht.

Außerdem fordert die IAEA häufigere Inspektionen. Weiter wartet die Atomenergieagentur seit Langem auf glaubhafte Antworten zu geheimen nuklearen Aktivitäten, die es in der Vergangenheit gegeben haben soll.

Wann hat das iranische Atomprogramm angefangen?

Irans Atomforschung reicht zurück bis in die 1950er-Jahre unter der damaligen Monarchie. 1970 ratifizierte das Land den Atomwaffensperrvertrag und verpflichtete sich zur rein zivilen Nutzung von Kernenergie. Fünf Jahre später begann die Konstruktion des ersten und bis heute einzigen Atomkraftwerks in der Hafenstadt Buschehr, der auch mithilfe deutscher Firmen gebaut wurde.

Nach der Islamischen Revolution von 1979 und dem Bruch mit dem Westen beschränkte die politische und klerikale Führung in Teheran den Zugang internationaler Kontrolleure immer weiter. Zu Beginn des neuen Jahrtausends gab es den ersten großen Streit über neue Nuklearanlagen - die IAEA war besorgt. 2011 kam die Atomenergiebehörde zum Schluss, dass der Iran bis etwa 2003 geheime Atomwaffenforschung betrieben hatte. Gebaut wurden die Waffen aber nicht.

Was war das Atom-Abkommen und wie steht es um seine Zukunft?

Der Iran verpflichtete sich 2015 in Wien, sein Atomprogramm einzuschränken. Im Gegenzug wurden UN-Sanktionen aufgehoben, die unter anderem den iranischen Energie- und Bankensektor betrafen. Der Pakt sollte verhindern, dass das Land Atomwaffen entwickelt. Nachdem die USA 2018 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump aus dem Abkommen ausstiegen, machte Teheran die Beschränkungen rückgängig.

Seit Mai 2022 kommen die Verhandlungen nicht mehr signifikant voran. Das unter dem damaligen Präsidenten Hassan Rouhani geschlossene Abkommen hatte große Hoffnungen geweckt. Viele Iraner feierten den Deal, die Wirtschaft erlebte einen Aufschwung. Heute stehen die Verhandlungen zur Wiederbelebung des Pakts in der Kritik - auch angesichts der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste gegen den repressiven Kurs der Regierung und das islamische Herrschaftssystem im Iran. Aktivisten und andere Kritiker fordern, die Verhandlungen mit der Islamischen Republik einzustellen.

Was darf der Iran, was darf er nicht?

Laut dem Wiener Abkommen von 2015 darf für friedliche Zwecke eine eingeschränkte Menge Uran mit einem niedrigen Reinheitsgrad unter vier Prozent produziert werden, etwa als Reaktor-Brennstoff. Dafür darf jedoch nur eine Anreicherungsanlage in der Atomanlage Natans mit einer begrenzten Zahl von Zentrifugen betrieben werden.

Zusätzlich erlaubte der Iran in dem Abkommen engmaschige IAEA-Kontrollen. Seit 2019 hat der Iran die Auflagen jedoch schrittweise verletzt und unter anderem in Fordo 60-prozentiges Uran hergestellt. Zudem wurde ein Teil der IAEA-Überwachungsgeräte abgebaut.

Wie nah ist der Iran einer Atombombe?

Laut IAEA-Chef Grossi verfügt der Iran über ausreichend Uran für mehrere Atomwaffen, falls derzeitige Bestände noch weiter angereichert würden. Da Anreicherung entlang einer exponentiell aufsteigenden Kurve verläuft, kann 60-prozentiges Material sehr schnell auf 90 Prozent gebracht werden. Bis zur Entwicklung einer Atomwaffe sei es aber "ein langer und auch politisch schwieriger Weg", sagte Grossi im Januar im EU-Parlament.

Der US-Auslandsgeheimdienst habe derzeit keine Hinweise, dass der Iran sich entschieden habe, sein militärisches Atomprogramm wieder aufzunehmen, sagte CIA-Chef William Burns Ende Februar. Sollte Teheran diesen Weg einschlagen, würde es noch mindestens ein Jahr bis zur Fertigstellung einer Atomwaffe dauern, meinte ein hochrangiger europäischer Diplomat. Die IAEA ist jedenfalls überzeugt, trotz eingeschränkter Inspektionen waffenfähiges Uran binnen kurzer Zeit entdecken zu können und so der internationalen Gemeinschaft Zeit für Gegenmaßnahmen zu verschaffen. Teheran hat stets betont, ausschließlich an friedlicher Nukleartechnologie interessiert zu sein.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 04. März 2023 um 10:55 Uhr und Deutschlandfunk am 02. Februar 2023 um 18:25 Uhr.