EU-Gipfel Das haben die Wähler nicht verdient
Dieser EU-Gipfel war schlichtweg peinlich. Er zeigte, dass die Staats-und Regierungschefs ausschließlich dem kleinkarierten, nationalistischen Proporzdenken verhaftet sind. Die Wähler haben mehr verdient.
Das war ein blamabler Gipfel, den sich die Staats-und Regierungschefs lieber hätten sparen sollen. Die Bürger der EU haben mit ihrer stärksten Europawahlbeteiligung seit Jahrzehnten eindeutig mehr Europa-Begeisterung in Brüssel verdient.
Während die Wähler an die Zukunft der EU denken, sind die Staats-und Regierungschefs weiter ausschließlich dem kleinkarierten nationalistischen Proporzdenken verhaftet. Als ginge es bei den EU-Spitzenjobs noch immer um Pfründe, die man am besten in kleinen Klüngelrunden verteilt, so dass vor allem Frankreich und Deutschland auf ihre Kosten kommen. Und natürlich auch die Osteuropäer, weil das zum guten Ton gehört.
Die EU - ein nationaler Selbstbedienungsladen
Die Staats- und Regierungschefs können die EU nur deshalb zum nationalen Selbstbedienungsladen machen, weil das europäische Parlament ihnen keinen mehrheitsfähigen Spitzenkandidaten präsentiert, sondern ebenfalls kleinkariert denkt - und zwar ausschließlich parteipolitisch.
Europas Sozialdemokraten unterstützen den konservativen Spitzenkandidaten Manfred Weber nicht, weil Weber eben ein Konservativer ist. Obwohl sie rein zahlenmäßig überhaupt keine Chance haben, ihren eigenen Kandidaten Frans Timmermans durchzubringen.
Die Liberalen im EU-Parlament halten eh nichts vom Spitzenkandidaten-Prinzip. Und die Grünen wollen über Themen reden und nicht über Personen. Das kleine Karo des EU-Parlaments spielt der aufs nationale Prestige fixierten Kleinkariertheit des Gipfels in die Hände.
Klimafrage könnte Chance für Weber sein
Wenn sich das Parlament nicht sehr schnell einen Ruck gibt und einen mehrheitsfähigen Kandidaten, oder eine mehrheitsfähige Kandidatin für die Nachfolge von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker präsentiert, dann ist das Konzept des Spitzenkandidaten Makulatur und die Staats-und Regierungschefs können wieder die Rolle des Kommissionspräsidenten-Machers spielen - und das Parlament die Rolle des braven Ja-Sagers.
Weber hat jetzt eine winzige Chance, aus dem Scheitern des EU-Gipfels in der Klimafrage für sich Kapital zu schlagen: Indem Weber die Klimaneutralität bis 2050 zu seinem Kernthema macht, welche die Staats-und Regierungschefs beim Gipfel zur Fußnote degradiert haben, weil sie sich wegen des Widerstands der Osteuropäer nicht auf eine klimaneutrale Industrieproduktion bis 2050 einigen konnten.
Kleinkariertes Geschacher
Wenn Weber dieses Thema aus der Gipfel-Versenkung holt, hat er eine minimale Chance bei Grünen, Sozialdemokraten und den Liberalen zu punkten. Dann hätte es der engagierte Klimawandel-Bekämpfer Emmanuel Macron beim EU-Sondergipfel am 30. Juni auch etwas schwerer, weiterhin Weber zu bekämpfen.
Wenn dem konservativen Spitzenkandidaten Weber dieser Durchbruch im Parlament nicht gelingt, dann ist das Spitzenkandidaten-Konzept des Europawahlkampfes gescheitert. Und den Wählern wird es dann auch relativ egal sein, wie der nächste EU-Kommissionspräsident heißt - oder die nächste EU-Kommissionspräsidentin.
Die EU wäre dann wieder kleinkariertes Geschacher as usual. Und das haben die Europa-Wähler wirklich nicht verdient.
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