Olaf Scholz
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Scholz' Telefonat mit Putin Der richtige Schritt

Stand: 15.11.2024 17:32 Uhr

Bundeskanzler Scholz wurde für seine Haltung zur Ukraine oft kritisiert. Sein Telefonat mit Putin ist zu diesem Zeitpunkt aber richtig. Nicht nur, dass er mit Putin gesprochen hat, sondern auch wie.

Ein Kommentar von Demian von Osten, ARD-Hauptstadtstudio

Man kann vieles kritisieren, was der Bundeskanzler in puncto Ukrainehilfe macht - und wie er es tut: Zu zögerlich, zu schlecht kommuniziert, zu wenig. Doch nicht heute. Denn das Telefonat mit Russlands Präsident Wladimir Putin ist ein richtiger Schritt zu diesem Zeitpunkt. Nicht nur, dass Olaf Scholz mit Putin gesprochen hat, sondern auch wie. Die Gründe:

BSW und AfD den Wind aus den Segeln nehmen

Erstens, die Innenpolitik: Die Ergebnisse der Landtagswahlen haben es eindeutig gezeigt: Die Frage nach Krieg und Frieden treibt die Menschen in Deutschland um. Viele Wähler haben für das BSW gestimmt, das mehr diplomatische Initiativen forderte, um den Krieg zu beenden. Parteien wie BSW und AfD in Deutschland den Wind wenigstens etwas aus den Segeln zu nehmen, ist ein wichtiger innenpolitischer Grund für das Telefonat.

Der Kanzler kann jetzt sagen: Er redet ja mit Putin. Das Ampel-Aus hat dabei wohl weniger eine Rolle gespielt, da ein mögliches Telefonat mit Putin schon länger im Raum stand. Es dürfte Scholz aber für den Wahlkampf nicht ungelegen kommen.

Aktion war abgestimmt

Zweitens, die Abstimmung mit den Partnerländern: Der Kanzler hat nicht den Fehler gemacht, isoliert mit dem russischen Präsidenten zu reden und sich vom ehemaligen Geheimdienstler Putin um den Finger wickeln zu lassen. Nein, sowohl vorher als auch nachher hat der Bundeskanzler nach Angaben des Kanzleramts mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gesprochen, das Telefonat außerdem abgestimmt mit den westlichen Bündnispartnern.

Es ist also kein naiver Alleingang, sondern eine abgestimmte Aktion. Gut so! Denn auch das ist richtig und wichtig.

Nicht Trump den ersten Kontakt seit Langem überlassen

Drittens: Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten ist es sicherlich klug, nicht Trump den ersten Kontakt zu Putin seit langer Zeit zu überlassen. Der emotionale Trump würde sich viel eher zu unbedachten Äußerungen hinreißen lassen oder unvorbereitet Putin etwas zusagen. Und es ist zumindest zweifelhaft, ob Trump im europäischen Interesse handeln würde.

Scholz dagegen hat nach dem Kriegsbeginn verstanden, dass Putin auf hegemonialem Kurs ist und eine Zeitenwende für die deutsche und die europäische Sicherheitspolitik nötig ist. So hat er auch im Telefonat mit Putin nach Angaben des Bundeskanzleramts Putin zum Verhandeln aufgefordert mit dem Hinweis, dass keines der russischen Angriffsziele erreicht worden sei. Insofern ist es erleichternd, dass der Bundeskanzler dieses erste Telefonat westlicher Staatschefs seit Langem geführt hat und nicht Donald Trump.

Ein Signal auch nach Russland

Viertens: Es ist auch ein Signal nach Russland hinein. Ohne Putin wird in Russland nichts entschieden. Wenn man irgendwie den Krieg beenden will, wird man mit Putin reden müssen. Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen, das ist auch Selenskyjs Forderung. Dass Scholz mit einem Telefonat so etwas ein kleines bisschen vorbereitet, ist der richtige Weg.

Wünschenswert wäre allerdings auch eine kluge Kommunikation an die russische Bevölkerung: Klar und öffentlich sagen, wie viele Hunderttausend russische Soldaten bereits ihr Leben gelassen haben. Klar und deutlich sagen, dass die NATO Russland nicht bedroht. Klar und deutlich sagen, dass der Krieg nicht im Interesse der russischen Bevölkerung ist. Bei dieser Form der Kommunikation ist bei der Bundesregierung noch viel Luft nach oben. Das heutige Telefonat von Scholz mit Putin war aber dennoch der richtige Schritt in dieser Zeit.

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