Die EVP und Orban Gutes Signal für Europas Demokratie
Der offene Bruch zwischen Orban und Weber sorgt für Klarheit, meint Holger Romann. Der Spitzenkandidat der EVP muss sich nun nicht mehr umständlich erklären - allerdings hat sein Image als Brückenbauer gelitten.
Na bitte. Geht doch! Zweieinhalb Wochen vor der Europawahl hat Manfred Weber, der Spitzenkandidat der europäischen Konservativen, endlich Ruhe an einer der wichtigsten Fronten: Ungarns umstrittener Regierungschef Viktor Orban, der Mann, den Kommissionschef Jean-Claude Juncker schon vor Jahren halb im Scherz, halb ernsthaft, einen "Diktator" nannte, hat verkündet, er wolle den CSU-Mann und Fraktionsführer der gemeinsamen Parteienfamilie EVP nicht länger unterstützen. Begründung: Weber habe sein Land "beleidigt".
Der hatte in einem Interview gesagt, er werde das Amt des Kommissionspräsidenten nicht annehmen, wenn er dafür auf die Stimmen von Orbans rechtspopulistischer Fidesz-Partei angewiesen sein sollte. Er, Weber, wolle sich vielmehr auf eine Mehrheit in der Mitte stützen.
Offener Bruch sorgt für Klarheit
Der offene Bruch, nur wenige Tage bevor Wählerinnen und Wähler sich entscheiden müssen, wem sie ihre Stimme geben, sorgt für Klarheit und ist für Europas Demokratie ein gutes Signal. Obendrein war er längst überfällig. Allzu lange hatten Weber und seine EVP angesichts der wiederholten Zumutungen aus Budapest beide Augen zugedrückt, um die Geschlossenheit des bürgerlichen Lagers nicht zu gefährden. Vor allem aber haben Webers Parteifreunde von der CSU - allen voran Ex-Chef Horst Seehofer - während der Flüchtlingskrise und danach mit dem ungarischen Störenfried in fahrlässiger Weise gekungelt und ihn hofiert.
In der irrigen Annahme, Orbans harter Kurs in Sachen Migration werde auch auf die Umfragewerte der Union abfärben; am Ende aber werde sich der Rechtsausleger schon mäßigen und seine Parolen von der "Rettung des christlichen Abendlandes" und der Schaffung einer "illiberalen Demokratie" in Ungarn wieder etwas kleiner fahren.
Achillesferse der Konservativen
Dass die Rechnung nicht aufging, sondern Sprengmeister Orban im EU-Wahlkampf immer wieder querschoss und mehr und mehr zur Achillesferse der Konservativen zu werden drohte, hat Spitzenkandidat Weber immerhin als erster erkannt und die Konsequenzen gezogen: Schon vor Wochen hatte Weber im Parlament als einziger CSU-Vertreter für die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens nach Artikel 7 gestimmt, weil die Regierung in Budapest im Umgang mit Justiz und Pressefreiheit offensichtlich die Mindestanforderungen des europäischen Wertekanons missachtet. Auf Webers Druck hin wurde schließlich die Mitgliedschaft der Fidesz im Dachverband EVP auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Ein Experten-Komitee wurde beauftragt, die Verhältnisse in Ungarn genauer zu untersuchen.
Fidesz im Camp der Anti-Demokraten
Auf das Ergebnis dieser Prüfung braucht man nun nicht mehr gespannt zu sein. Die Fidesz wird nach der EU-Wahl sehr wahrscheinlich nicht reumütig in den Schoß der Europäischen Volkspartei zurückkehren, von deren Unterstützung Orban ganz persönlich - und zwar finanziell - enorm profitiert hat. Fidesz dürfte vielmehr ins Camp der Anti-Demokraten wechseln und sich den Nationalisten und Rechtspopulisten um Lega-Chef Matteo Salvini in Italien und FPÖ-Führer Heinz-Christian Strache in Österreich anschließen. Die schmieden bereits ehrgeizige Bündnispläne und wollen die EU nach ihren kruden Vorstellungen von innen umkrempeln.
Viktor Orban selbst hat das unwürdige Versteckspiel nun beendet und deutlich gemacht, dass der Riss im konservativen Lager doch tiefer geht als viele das wahrhaben wollten. Selbst, als der Ungar unlängst die EVP-Vertreter als "nützliche Idioten" beschimpfte und mit einer Plakat-Aktion für seine Fidesz gegen den Finanzinvestor Soros und Kommissionschef Juncker widerlichste antisemitische Klischees bediente, schien das Maß den meisten noch nicht voll genug.
Weber als stiller Strippenzieher
Jetzt gilt endlich klare Kante und Spitzenkandidat Weber muss bei kritischen Nachfragen künftig nicht mehr umständlich erklären, warum er einen wie Orban trotz allem noch immer für einen potenziellen Partner hält. Für den stillen Strippenzieher aus Niederbayern, der im Herbst Kommissionschef Juncker im wichtigsten Amt beerben will, das die EU zu vergeben hat, ist die Entwicklung dennoch heikel: Sucht Orban nun die offene Konfrontation, fehlen Weber am Ende in Parlament und Rat womöglich kostbare Stimmen. Sein selbstgewähltes Image als "Brückenbauer" Richtung Osteuropa hat in jedem Fall gelitten.
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