Krieg im Nahen Osten ++ Kommandeur der Gaza-Division erklärt Rücktritt ++
Der Kommandeur der israelischen Gaza-Division hat wegen Versagens am Tag des Hamas-Massakers seinen Rücktritt erklärt. Premier Netanyahu wird vorgeworfen, sich nicht mit Opfer-Angehörigen zu treffen. Die Entwicklungen vom Sonntag zum Nachlesen.
- Israel: Kommandeur der Gaza-Division erklärt Rücktritt
- Kritik an Netanyahu wegen Umgang mit Opferfamilien
- USA nehmen Gaza-Pier wieder in Betrieb
- Baerbock sieht nach Geiselbefreiung Hoffnungsschimmer
Ende des Liveblogs
Damit beenden wir den Liveblog für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse.
Reaktionen auf Gantz' Rücktritt
Der israelische Oppositionsführer Jair Lapid (Jesch Atid) hat Gantz' Entscheidung zum Rücktritt begrüßt. "Es ist an der Zeit, diese extreme und rücksichtslose Regierung durch eine vernünftige Regierung zu ersetzen, die den Bürgern Israels wieder Sicherheit bringt, die Entführten zurückbringt und die Wirtschaft und den internationalen Status Israels wiederherstellt", schrieb er auf der Plattform X.
Premier Benjamin Netanyahu erklärte auf X, seine Tür stehe allen zionistischen Parteien offen, die sich für einen Sieg Israels und die Sicherheit seiner Bürger einsetzen wollten. Es sei nicht der Zeitpunkt, um die Kampagne aufzugeben, sondern sich zusammenzuschließen, so der Premier.
Der rechtsextreme israelische Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, forderte unterdessen, den Sitz Gantz' im Kriegskabinett zu übernehmen. Es sei "an der Zeit, mutige Entscheidungen zu treffen, echte Abschreckung zu erreichen und den Bewohnern des Südens, des Nordens und ganz Israels Sicherheit zu bringen", schrieb er auf X.
Gantz verlässt Israels Regierung
Wegen Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft des Gazastreifens verlässt Minister Benny Gantz die in Israel nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas vom 7. Oktober gebildete Notstandsregierung. Gantz verkündete den Schritt vor Journalisten.
Er hatte den Schritt zuvor bereits angedroht, falls kein Plan für eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen erarbeitet werden sollte. Sein an Netanyahu gestelltes Ultimatum lief am Samstag aus. Gantz war bisher Minister ohne Ressort, aber Mitglied des wichtigen Kriegskabinetts.
"Netanyahu hält uns davon ab, zu einem echten Sieg voranzuschreiten", sagte er nun. Die Regierung müsse die Rückkehr der von der Terrormiliz Hamas entführten Geiseln "über das politische Überleben" stellen. Da Netanyahu im Krieg gegen die Hamas versagt habe, müsse es nun eine Neuwahl geben, so Gantz weiter.
Kommandeur der israelischen Gaza-Division erklärt Rücktritt
Der Kommandeur der Gaza-Division der israelischen Armee hat wegen Versagens am Tag des Hamas-Massakers am 7. Oktober seinen Rücktritt erklärt. Brigadegeneral Avi Rosenfeld veröffentlichte ein entsprechendes Schreiben. "Am 7. Oktober bin ich an der Aufgabe meines Lebens, das Gaza-Grenzgebiet zu schützen, gescheitert", schrieb er in dem Brief. Er werde daher als Kommandeur zurücktreten und die Armee verlassen. Der Schritt soll aber erst in Kraft treten, wenn ein Nachfolger gefunden wird.
Im April hatte bereits der Chef des Militärgeheimdienstes, Aharon Chaliva, seinen Rücktritt erklärt. Auch Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant und der Chef des Inlandsgeheimdienstes, Ronen Bar, hatten Verantwortung dafür eingeräumt, dass der blutige Terrorangriff der Terrororganisation Hamas mit mehr als 1.200 Toten passieren konnte. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat dagegen noch keine persönliche Verantwortung übernommen.
Hamas: Bei Geiselbefreiung drei andere Geiseln getötet
Bei der Befreiung von vier Geiseln aus der Gewalt der Hamas durch das israelische Militär am Samstag sind nach Hamas-Angaben drei andere Geiseln getötet worden. Darunter sei eine Person mit US-Staatsbürgerschaft, erklärt der bewaffnete Arm der Hamas, die Al-Kassam-Brigaden, auf Telegram. Am Samstag hatten israelische Spezialkräfte unter Schusswechseln mit Hamas-Kämpfern vier israelische Geiseln befreit, die seit Oktober von der Hamas festgehalten worden waren. Dabei waren nach palästinensischen Angaben 274 Palästinenser getötet worden.
Danny Danon soll erneut Israels UN-Botschafter werden
Danny Danon, ranghohes Mitglied in der rechtskonservativen Likud-Partei des Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu, soll zum zweiten Mal Israels UN-Botschafter werden. Dies entschieden Netanyahu und Außenminister Israel Katz, wie Netanyahus Büro mitteilte. Die Ernennung des 53-Jährigen muss noch von der Regierung gebilligt werden.
Danon soll den gegenwärtigen UN-Botschafter Gilad Erdan ablösen. Dieser war wiederum 2020 Danons Nachfolger auf dem Posten gewesen. Erdan hatte immer wieder mit dramatischen Auftritten für Aufmerksamkeit gesorgt. Im Oktober steckte er sich etwa vor dem Weltsicherheitsrat einen gelben Davidstern mit den Worten "Never Again" ("Nie wieder") ans Revers. Dies erinnerte an Sterne, die die Nazis im Dritten Reich Juden als Kennzeichen aufgezwungen hatten.
Huthi-Miliz bekennt sich zu Angriffen auf Schiffe vor jemenitischer Küste
Vor der Küste des Jemen sind erneut mehrere Schiffe angegriffen worden. Die Huthi-Miliz erklärte am Sonntag, sie habe drei Schiffe mit Raketen und Drohnen attackiert. Das Sicherheitsunternehmen Ambrey und die britische Seefahrtsbehörde UKMTO betätigten Angriffe auf zwei Frachtschiffe. Verletzt worden sei niemand.
Zunächst wurde nach Angaben von Ambrey ein Frachtschiff im Golf von Aden von einer Rakete getroffen. Das Geschoss sei im Bug des Schiffes eingeschlagen. Das dadurch ausgelöste Feuer sei gelöscht worden. Eine zweite Rakete verfehlte demnach den Frachter. Von kleinen Booten aus sei das Schiff zudem beschossen worden. Es habe daraufhin seinen Kurs geändert, um einen Hafen anzusteuern. Bei einem weiteren Vorfall im Golf von Aden schlug am Samstagabend nach Angaben der UKMTO ein Geschoss "im Heckbereich" eines Schiffes ein und löste einen Brand aus. Es sei niemand verletzt worden.
Die Huthi-Rebellen bekannten sich zu den Angriffen auf die beiden Frachter. Nach Angaben des Militärsprechers der Miliz, Jahja Saree, handelte es sich um ein Schiff, das unter der Flagge Liberias fährt sowie ein Schiff unter der Flagge von Antigua und Barbuda. Die Huthis nahmen außerdem einen Angriff auf ein britisches Marineschiff für sich in Anspruch. Dafür gab es aber keine Bestätigung aus London.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Israel verlängert Verbot von Sender Al Jazeera
Israel hat das Verbot TV-Senders Al Jazeera um 45 Tage verlängert. Sein Zugang zu Kabel- und Satellitenanbietern bleibe untersagt und seine Internetseiten blieben gesperrt, erklärt das israelische Ministerium für Telekommunikation. Die Regierung hatte den im arabischen Emirat Katar ansässigen Sender im Zusammenhang mit seiner Berichterstattung über den Krieg im Gazastreifen als Gefahr für die nationale Sicherheit eingestuft. Das hatte internationale Kritik ausgelöst und war in Israel bereits Thema von Gerichtsverhandlungen. Ein Gericht in Tel Aviv hatte das anfängliche 35-tägige Verbot, das bis Samstag galt, bestätigt.
US-Militär: Gaza-Pier nicht bei Befreiung der Geiseln genutzt
Das US-Militär dementiert Gerüchte in den sozialen Medien, wonach israelische Spezialkräfte bei der Befreiung von vier Geiseln die provisorische Anlegestelle vor der Küste des Gazastreifens genutzt haben sollen. "Der humanitäre Pier, einschließlich seiner Ausrüstung, seines Personals und seiner Mittel, wurde bei der Operation zur Rettung der Geiseln in Gaza nicht eingesetzt", teilte das für den Nahen Osten zuständige US-Regionalkommando (Centcom) mit.
Zuvor war online ein Video kursiert, auf dem offensichtlich zu sehen ist, wie ein Helikopter des israelischen Militärs nahe dem Pier vom Strand abhebt. Den US-Angaben zufolge wurde ein Bereich südlich der Anlage von den Israelis genutzt, um die Geiseln nach Israel zurückzubringen. "Alle gegenteiligen Behauptungen sind falsch", hieß es in der Mitteilung. Der Pier sei einzig zu dem Zweck errichtet worden, "dringend benötigte lebensrettende Hilfe nach Gaza zu bringen". Auch das israelische Militär wies Vorwürfe zurück, die Truppen seien getarnt in humanitären Hilfsfahrzeugen oder über den US-Pier in das Gebiet eingedrungen.
Papst Franziskus fordert Gaza-Waffenruhe
Papst Franziskus hat zum wiederholten Mal eingefordert, dass Hilfslieferungen die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen erreichen. Israel und die militant-islamistische Hamas rief er dazu auf, unverzüglich Vorschlägen für eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der Hamas zuzustimmen. Er erkannte an, dass die Verhandlungen "nicht einfach sind", erklärte aber, dass er hoffe, dass den Vorschlägen unverzüglich zugestimmt werde - zum Wohle der Palästinenser und der Israelis.
Beim Angelusgebet auf dem Petersplatz dankte er zudem Jordanien für die Ausrichtung einer internationalen Gaza-Konferenz am kommenden Dienstag. "Ich ermutige die internationale Gemeinschaft, schnell zu handeln, mit allen Mitteln, um den Menschen von Gaza zu Hilfe zu kommen, die vom Krieg erschöpft sind", sagte er. "Humanitäre Hilfe muss zu den Bedürftigen gelangen und niemand darf das verhindern."
Türkei verurteilt Geisel-Einsatz in Gaza
Die Türkei hat den Einsatz zur Befreiung von Geiseln im Gazastreifen als "barbarischen Angriff" verurteilt und Israel Kriegsverbrechen vorgeworfen. "Mit diesem jüngsten barbarischen Angriff hat Israel der Liste der Kriegsverbrechen ein weiteres hinzugefügt", erklärte das Außenministerium in Ankara, ohne die Geiselbefreiung zu erwähnen.
Israels Militär hatte am Samstag im Zentrum des Gazastreifens vier aus Israel entführte Menschen aus einer acht Monate langen Geiselhaft befreit. Nach Angaben einer Behörde der militant-islamistischen Hamas wurden 210 Palästinenser getötet. In Nuseirat seien zudem rund 400 Menschen verletzt worden. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde sowie medizinische Kreise im Gazastreifen hatten zuvor von 55 Toten gesprochen. Israels Armee-Sprecher Daniel Hagari wiederum sprach von weniger als 100 Todesopfern.
Opposition kritisiert Netanyahu
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu ist in die Kritik geraten, weil er sich medienwirksam mit befreiten Geiseln, nicht aber mit Opferfamilien getroffen hat. "Wenn man Ministerpräsident ist, dann ist man Ministerpräsident der Erfolge und der Niederlagen", sagte Oppositionsführer Jair Lapid dem israelischen Kan-Sender. "Nur dann Regierungschef zu sein, wenn alles klappt, und zu verschwinden, wenn alles nicht so läuft, wie man will, das ist erbärmlich."
Netanyahu hatte sich gestern mit vier aus dem Gazastreifen befreiten Geiseln getroffen und fotografieren lassen. Familien von Israelis, die während des Hamas-Massakers am 7. Oktober getötet worden waren, sowie Angehörige von getöteten Geiseln kritisierten dagegen nach Medienberichten, weder Netanyahu noch andere Regierungsvertreter hätten mit ihnen Kontakt aufgenommen.
Offenbar zweites Schiff vor Küste des Jemen getroffen
Die britische Organisation für maritimen Handel meldet eine weitere Beschädigung eines Schiffs. Sie habe einen Bericht eines Schiffskapitäns über einen Vorfall 70 Seemeilen südwestlich der jemenitischen Stadt Aden erhalten. "Der Kapitän berichtet, dass das Schiff von einem unbekannten Projektil im hinteren Bereich getroffen wurde, was zu einem Brand führte. Die Schadensbegrenzung ist im Gange", hieß es in einer Mitteilung. Niemand sei verletzt worden, das Schiff steuere seinen nächsten Anlaufhafen an.
USA liefern wieder Hilfsgüter über Pier an Gaza-Küste
Nach tagelanger Unterbrechung wegen Sturmschäden haben die USA die Lieferung von Hilfsgütern über eine Anlegestelle an der Küste des Gazastreifens wieder aufgenommen. Die Hilfslieferungen seien wieder angelaufen, erklärte das US-Militärkommando für die Region (Centcom) mit. Dabei seien knapp 492 Tonnen Hilfsgüter für die Bevölkerung im Gazastreifen geliefert worden. Die Hilfslieferungen auf dem Seeweg waren Ende Mai unterbrochen worden, nachdem der provisorische Pier vor der Küste des Palästinensergebiets bei einem Sturm beschädigt worden war.
Da der Gazastreifen selbst über keinen Hafen verfügt, hatte das US-Militär im April mit dem Bau der Anlegestelle begonnen, um auf dem Seeweg Hilfslieferungen in das Palästinensergebiet bringen zu können. Die israelische Armee kämpft seit acht Monaten im Gazastreifen gegen die Terrororganisation Hamas.
Dunkle Flächen: besiedelte Gebiete, Schraffur: militärische Aktivitäten Israels
Offenbar deutlich weniger Opfer unter Frauen und Kindern
Der Anteil palästinensischer Frauen und Kinder, die im Krieg zwischen Israel und der Hamas getötet werden, ist einer Datenanalyse der Nachrichtenagentur AP zufolge stark zurückgegangen. Die Entwicklung fällt zusammen mit einer Änderung der israelischen Kampftaktik und widerspricht den Erklärungen des von der radikal-islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen, auf dessen Daten sich die AP-Analyse stützt.
Der Trend ist bedeutsam, weil die Todesrate unter Frauen und Kindern als zuverlässigster Indikator für die Zahl ziviler Opfer in dem Konflikt gilt. Zu Kriegsbeginn im Oktober lag der Anteil bei mehr als 60 Prozent. Für den Monat April betrug er nun weniger als 40 Prozent. Das Gesundheitsministerium in Gaza unternahm keinen Versuch, den Sachverhalt richtigzustellen.
Israel steht wegen der Zahl an getöteten Zivilpersonen im Gazastreifen international massiv unter Druck. Vielfach wird infrage gestellt, ob die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu genug unternimmt, um zivile Opfer zu vermeiden.
Frachter vor Küste des Jemen von Rakete getroffen
Vor der Küste des Jemen ist laut dem britischen Unternehmen für Sicherheit auf See, Ambrey, ein Frachter von einer Rakete getroffen worden und hat Feuer gefangen. "Das Schiff war mit einer Geschwindigkeit von 8,2 Knoten auf dem Golf von Aden in südwestlicher Richtung unterwegs, als der vordere Bereich von einer Rakete getroffen wurde. Ein Feuer brach aus, wurde aber neutralisiert", so Ambrey in einer Mitteilung. "Eine zweite Rakete wurde gesichtet, traf das Schiff aber nicht. Personen an Bord kleiner Boote in der Nähe eröffneten während des Vorfalls das Feuer auf das Schiff."
Das Schiff habe seinen Kurs mit erhöhter Geschwindigkeit in Richtung eines Hafens geändert, es seien laut Ambrey keine Verletzungen gemeldet worden.
Baerbock sieht Hoffnungsschimmer
Außenministerin Annalena Baerbock sieht nach der Befreiung von vier israelischen Geiseln neue Hoffnung auf ein Ende der Kämpfe im Gaza-Streifen. "Die Hamas hat es in der Hand und muss dem Vorschlag für ein Abkommen über eine Feuerpause zustimmen", sagt die Grünen-Politikerin den Zeitungen der "Funke Mediengruppe". "Es liegt auf dem Tisch und kann der Einstieg in das Ende des Kriegs sein." Für die Familien der vier Geiseln sei es ein fast nicht mehr erhoffter Moment des Glücks. "Und für die Menschen im Nahen Osten ist es ein Hoffnungsschimmer", sagt Baerbock.
Der Liveblog vom Samstag zum Nachlesen
Israels Premier Netanyahu hat seinen Rivalen Gantz aufgefordert, nicht als Mitglied des Kriegskabinetts zurückzutreten. Im Libanon sollen zwei Menschen bei einem israelischen Angriff getötet worden sein.