Wochenmärkten fehlt Personal "Das will eigentlich niemand mehr machen"
Wochenmärkte sind nicht nur ein Ort für regionale Erzeugnisse, sondern auch ein Treffpunkt. Doch Händlern fällt es immer schwerer, Nachfolger für ihre Stände zu finden.
Er liegt nur wenige Meter vom KaDeWe entfernt, und doch könnte das Einkaufserlebnis kaum unterschiedlicher sein: Auf dem Bauernmarkt am Berliner Wittenbergplatz gibt es weder Luxusmarken, noch Champagner, sondern vor allem landwirtschaftliche Erzeugnisse aus dem Umland - Fleisch, Fisch, Käse, Gemüse und Brot aus Berlin und Brandenburg.
"Das ist einer der schönsten Märkte, die wir in Berlin haben", sagt Michael Schiffer. Der 63-jährige Lehrer kommt jeden Donnerstag hierher. Er hat frische Maultaschen gekauft. "Man hat hier einfach ein ganz anderes Verhältnis zu den Verkäufern. Man weiß, dass man hier Handgemachtes kriegt, was auch schmeckt hinterher."
Geschäft läuft bei den meisten Händlern gut
Trotz solch begeisterter Kunden ist die Stimmung bei manchen Händlern getrübt. "Gerade ist eher eine schwierige Zeit, weil die Leute so viel sparen", sagt Anke Fischer. Sie ist schon lange Händlerin auf dem Bauernmarkt am Wittenbergplatz. Die 62-Jährige betreibt seit 28 Jahren einen Marktstand, mit dem sie auf verschiedenen Wochenmärkten steht und dort frische Nudeln verkauft. "Die Menschen haben weniger Geld in der Tasche und kaufen deswegen weniger auf dem Wochenmarkt, sondern mehr im Discounter."
Ähnliches hört auch Sebastian Stahl von vielen seiner Markthändler. Er ist Vorstand der Deutschen Marktgilde, einem privatwirtschaftlichen Unternehmen, das deutschlandweit 170 Wochenmärkte betreibt. Viele Händler hätten in den vergangenen zwei Jahren Umsatzeinbußen in Kauf nehmen müssen. Dabei gebe es aber regionale Unterschiede.
Bei der Mehrheit liefen die Geschäfte gut, sagt Olaf Lenz, Bundesvorsitzender der Fachgruppe Wochenmärkte im Bundesverband Deutscher Schausteller und Marktkaufleute (BSM). "Die Kaufkraft ist da. Corona hat uns in die Karten gespielt - wir hatten die Möglichkeit, Abstände herzustellen, was in Supermärkten nicht der Fall war." In der Zeit hätten die Märkte geboomt, so Lenz. "Jetzt sind wir wieder auf dem Niveau von 2019, das aber stabil."
Nachfolger schwierig zu finden
Das Hauptproblem sei ein anderes, sagen beide Experten. "Viele Beschicker gehören der Boomer-Generation an. Die gehen jetzt in Rente oder sind schon in Rente gegangen und finden keine Nachfolger", sagt Stahl.
Das kann auch Imker Martin Perschke bestätigen. Der 43-Jährige ist noch nicht so lange auf dem Markt am Wittenbergplatz. Trotzdem hat er hier schon einiges erlebt. So habe er im vergangenen Jahr Honig an den britischen König Charles verkauft, als dieser zu seinem Amtsantrittsbesuch in Berlin war, erzählt Perschke. An seinem Stand hängt ein Foto davon.
Das Geschäft mit dem Honig sei relativ stabil, sagt er. Doch auch Perschke hat erlebt, wie andere schließen mussten. "Viele kleine Händler haben aufgegeben", so der Händler. "Hier drüben war zum Beispiel ein Gemüsehändler, der war 25 Jahre hier und ist dann auf einmal weg gewesen. Der musste aufhören, weil er keine Angestellten gefunden hat, die den Job machen wollten."
Zu viel Bürokratie und harte Arbeit
30.000 Markthändler und -händlerinnen gebe es noch in Deutschland, sagt Lenz vom BSM. Die Zahl werde jedoch weniger. Einer der Gründe sei Bürokratie. Temperaturkontrollen, regelmäßige Reinigung: Alles müsse protokolliert werden. Auch wenn Hygiene und Kontrollen wichtig seien, habe die Belastung enorm zugenommen, kritisiert er.
Lenz selbst beschickt drei Wochenmärkte in Hamburg. "Mein Großvater ist 96, er hat selbst bis 70 auf dem Markt gearbeitet. Wenn ich dem zeige, was für Ordner ich hier stehen habe, dann schlägt der die Hände über dem Kopf zusammen."
"Der Markt ist auch Treffpunkt"
Nur wenige Kilometer vom Markt am Wittenbergplatz in Berlin entfernt, verkauft Juri-Dietmar Ivanoff auf einem kleinen Markt in der Charlottenburger Suarezstraße Gemüse. Er kommt aus Beelitz und betreibt einen von zwei Ständen, die hier am Markt noch stehen. Mit Blick auf seinen eigenen Ruhestand sagt auch er, es werde schwierig, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu finden.
Auch Verkaufspersonal habe der 54-Jährige nicht genügend. Es sei ein harter Job, für den sich kaum jemand noch begeistern lasse. "Ich stehe um zwei Uhr in der Früh auf und bin um 18 Uhr Zuhause", sagt er. "Das will eigentlich niemand mehr machen."
Ivanoff ist Markthändler in der dritten Generation - genau wie Olaf Lenz in Hamburg. Lenz kann sich schon vorstellen, dass die Zahl der Märkte in den kommenden Jahren sinken wird. Verschwinden werden sie jedoch nicht, davon ist er überzeugt. "Wochenmärkte gibt es seit dem Mittelalter, wir sind ja nicht nur für den Handel da. Der Markt ist auch Treffpunkt, Begegnung, man tauscht sich aus. Viele meiner Kunden kennen mich schon seit dem Kinderwagen."