Benko-Projekte in Berlin Große Pläne - und bange Mitarbeiter
Galeria-Eigner Benko hat hochtrabende Pläne für Berlin, unter anderem will er eine Karstadt-Filiale in Neukölln im Stil der 1920er-Jahre umbauen. Die Beschäftigten bangen derweil um ihre Zukunft, denn 52 Filialen werden geschlossen.
Von Jacqueline Piwon, rbb
Der Fahrstuhl fährt in den 31. Stock. Eine Loft-Etage mit eleganten Loungemöbeln in Beige und einem Blick über die Hauptstadt. Von hier oben sieht alles ganz klein aus, geplant wird hier aber Großes. Auf hüfthohen Säulen stehen weiße Modelle von Wolkenkratzern. Es sind geplante und zum Teil schon realisierte Bauvorhaben für die Hauptstadt, sagt Timo Herzberg, Chef der Immobiliensparte der Firma Signa.
Das Unternehmen plant monumentale Immobilienprojekte an markanten Orten Berlins. "Das ist das zukünftige Hochhaus am Berliner Alexanderplatz und das "Stream", das schon fertiggestellt worden ist, am Mercedes-Benz-Platz in Friedrichshain", sagt Herzberg.
52 Filialen sollen dicht machen
Die Firma Signa gehört dem umstrittenen österreichischen Immobilienunternehmer René Benko. Das Unternehmen ist ein wichtiger Akteur im Einzelhandel der Stadt und beeinflusst mit seinen Bauvorhaben auch die Entwicklungen von Kiezen. Neben dem Premium-Warenhaus KaDeWe gehört ihm auch die insolvente Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof.
Während sich Benko lange als "Warenhaus-Retter" darstellte, befürchten Kritiker, dass es ihm vor allem um die gewinnträchtige Entwicklung seiner Immobilien geht. Am Nachmittag bestätigte die Konzernleitung, was zuvor der Gesamtbetriebsrat bekannt gegeben hatte: Von aktuell noch 129 Warenhäusern mit rund 17.400 Beschäftigten werden 52 Filialen geschlossen. Die betroffenen Häuser sollen in zwei Wellen Ende Juni dieses Jahres und Ende Januar kommenden Jahres dicht gemacht werden. Die Arbeitnehmervertretung beziffert die Zahl der Menschen, denen die Kündigung droht mit mehr als 5000, während die Unternehmensspitze von insgesamt 4300 Beschäftigten spricht.
Geht die Vielfalt verloren?
Am Hermannplatz in Berlin-Neukölln wuselt es. Hier trifft man auf die Vielfalt Berlins. Ein bisschen hip, ein bisschen dreckig und immer laut. Hier plant Signa eins seiner Großprojekte: den Umbau der dortigen Karstadt-Filiale im Stil der 1920er-Jahre. Geplant ist ein schickes Quartiersgebäude - mit weniger Verkaufsfläche, dafür mit Büros, Restaurants und auch Wohnungen.
Doch die Pläne sind umstritten. Die Befürchtung ist, das Projekt könne die vielfältige Gegend rund um den Hermannplatz unbezahlbar machen: "Es geht um eine Auswechslung der Mieter- und Käuferschaft rund um den Hermannplatz. Irgendwann werden wir hier Prenzlauer-Berg-Verhältnisse kriegen, und das macht mir Angst", sagt Joachim von der Initiative Hermannplatz, die gegen die Neubaupläne ist.
Lobbyarbeit für Prestigeprojekte
Um Politik und Gesellschaft dazu zu bringen, diese Vision des schicken 20er-Jahre-Baus lieb zu gewinnen, nimmt Signa viel Geld in die Hand - für PR-Strategien und Lobbyismus. "So was habe ich bei einem Investorenprojekt noch nicht erlebt", sagt die Grünen-Abgeordnete Susanna Kahlefeld. Über Wochen habe sie ständig Mitarbeiter der PR-Agentur im Abgeordnetenhaus getroffen.
Der Verein LobbyControl hat seinen Sitz gegenüber vom Hermannplatz und die Bemühungen von Signa in den vergangenen Jahren interessiert verfolgt. "Man versucht hier, auf allen Ebenen zu spielen und Einfluss zu nehmen," sagt Timo Lange von LobbyControl. Dazu gehöre, politische Entscheidungsträgerinnen und -träger direkt anzusprechen, aber auch direkt in die Stadtgesellschaft hineinzuwirken.
Deal zwischen Signa und Warenhauskette
Dabei hat die Signa schon einmal bewiesen, wie gut ihre Kontakte in die Politik sind. Vielleicht zu gut? 2020 kam es zu einem Deal zwischen der Signa und Galeria Karstadt Kaufhof. Die einen sprechen von "Rettung", die anderen von "Erpressung". Arbeitsplätze und Standorte sollten erhalten werden, versprach das Unternehmen. Dafür unterstützte der Berliner Senat bei der Entwicklung großer Immobilienprojekte wie beispielsweise am Alexanderplatz oder am Hermannplatz.
Viel Hoffnung wurde in das Unternehmen und deren Akteure gesetzt. Und manche davon wurden enttäuscht. Viele Mitarbeiter von Karstadt und Galeria Kaufhof sind verunsichert. "Du weißt ja nicht, wie es weitergeht. Hast du noch einen Job in vier Monaten, oder hast du keinen mehr?", sagt Corinna Grauhering, Mitarbeiterin der Filiale am Berliner Ring-Center. Die Arbeitsplätze hier galten eigentlich bis 2023 als sicher. So sah es zumindest die Vereinbarung zwischen der Signa und dem Berliner Senat vor. Doch inzwischen läuft ein zweites Insolvenzverfahren für die maroden Warenhäuser.
Die Mitarbeiter sind wütend. "Seit Jahren verzichten die Karstadt-Mitarbeiterinnen auf Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und auf den regulären Flächentarifvertrag", sagt Betriebsrätin Susanne Urbansky. Man hätte gedacht, es helfe, "wenn wir ein paar Einbußen haben", man komme so vielleicht voran. "Jetzt sind wir innerhalb von zwei Jahren wieder in einer Insolvenz." Die Prestigebauten der Signa wie das Hochhaus am Alexanderplatz sind mittlerweile genehmigt.