EU-Gespräche mit Großbritannien Misstrauen und Pessimismus
Nach dem Brexit kommen Brüssel und London auf dem Weg zu einem Partnerschaftsabkommen kaum voran. Die dritte Gesprächsrunde läuft - und die Aussichten sind düster. Verbände und Abgeordnete zeigen sich pessismistisch.
Zu Beginn der dritten Verhandlungsrunde zwischen der EU und Großbritannien über ein Partnerschaftsabkommen mehren sich die skeptischen Stimmen. So warnendie deutsche Wirtschaft und Europaabgeordnete vor einem Scheitern der Verhandlungen über ein Handelsabkommen. "Der bisherige Verhandlungsfortschritt ist absolut unzureichend", kritisierte der Bundesverband der Deutschen Industrie zum Start der dritten Runde. "Leider ist es realistisch, dass die Verhandlungsführer am Ende dieser Woche abermals mit leeren Händen dastehen."
Großbritannien hatte die EU Ende Januar verlassen, ist aber bis zum Jahresende noch Teil des Europäischen Binnenmarkts und der Zollunion. In dieser Übergangsphase sollen die künftigen Wirtschaftsbeziehungen in einem Abkommen geregelt werden. Andernfalls drohen Zölle, strikte Warenkontrollen und weitere Erschwernisse für die Wirtschaft.
Dutzende Detailfragen zu besprechen
Zwei Verhandlungsrunden seit Anfang März haben aber kaum Fortschritte gebracht. In der dritten Runde sollen die Unterhändler bis Freitag in Videokonferenzen Dutzende Detailfragen besprechen. Doch sind die Positionen weit auseinander. Knackpunkt für die EU ist, dass Großbritannien gleiche Sozial- und Umweltstandards akzeptiert, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Außerdem verlangt Brüssel eine rasche Einigung über Fischereirechte.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie kritisierte, die Taktik der britischen Regierung werde dem Ernst der Lage nicht gerecht. London müsse den Sorgen der Wirtschaft Rechnung tragen. "Ein Auslaufen der Brexit-Übergangsphase am Ende des Jahres ohne Abkommen würde aus einer bereits schwierigen wirtschaftlichen Situation eine katastrophale machen."
Barley: "Das Misstrauen ist inzwischen groß"
Die Übergangsphase könnte um ein oder zwei Jahre verlängert werden, wenn beide Seiten dies bis Ende Juni vereinbaren. Doch ist der britische Regierungschef Boris Johnson strikt dagegen. Die SPD-Politikerin und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, glaubt zwar nicht an eine Fristverlängerung, hält einen Schwenk aber auch nicht für ausgeschlossen. "Dass er zu Wendungen fähig ist, hat Boris Johnson ja schon öfter unter Beweis gestellt", sagte sie im RBB-Inforadio.
Grundsätzlich aber zeigte sich Barley pessimistisch: "Das Misstrauen ist inzwischen groß." Die Briten dürften keine einseitigen Vorteile ziehen. "Man kann nicht Zugang zum Binnenmarkt haben und gleichzeitig bei Fragen von Arbeitsschutz, Verbraucherschutz, Umweltschutz dann die europäischen Standards unterbieten und sich so einen Vorteil verschaffen." Das werde auf keinen Fall funktionieren, so Barley.
Rufe nach Verlängerung der Übergangsfrist
Die FDP-Politikerin Nicola Beer sagte im SWR, sie habe wegen der britischen Haltung "keine Hoffnung mehr", dass ein Abkommen bis Ende des Jahres möglich sei. Auch Beer ist für eine Verlängerung der Übergangsfrist. Dies forderte auch die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini. Sie beklagte zudem, dass Großbritannien sich weigere, die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens zum zentralen Punkt des Handelsabkommens zu machen.