5G-Netzausbau Die weißen Flecken von 1&1
Der Ausbau der eigenen 5G-Funkmasten bei Mobilfunkanbieter 1&1 kommt nur langsam voran. Insbesondere in der Fläche und bei den sogenannten weißen Flecken sieht auch die Politik noch Nachholbedarf.
Ein Fahrradfahrer ist gestürzt und liegt bewusstlos im Schnee. Ein Rettungswagen des Bayerischen Roten Kreuzes hält. Die Sanitäter schauen mit einem Hightech-Röntgengerät, was dem Mann fehlt. Die Bilder werden fast in Echtzeit zu einem Arzt in die Klinik geschickt und dort analysiert.
Es ist kein echter Unfall, sondern ein Versuchsaufbau der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden. So könnte die Zukunft aussehen, sagt Hamm. Der Gesundheitsökonom ist sich sicher: Das schnelle 5G-Mobilfunknetz könnte das Gesundheitswesen revolutionieren und Kosten sparen - gerade auf dem Land.
Hamm forscht zur Digitalisierung, Robotik und Automatisierung im Gesundheitswesen. An seiner Hochschule erledigt ein Roboterhund schon Botengänge, ein anderer desinfiziert die Böden. Das alles sei oft im Krankenhausalltag noch Zukunftsmusik, sagt Hamm. Denn gerade für solche Anwendungen sei das schnelle 5G-Mobilfunknetz auf dem Land noch nicht ausreichend ausgebaut.
Das Mobilfunknetz der Zukunft?
Ein schnelles Mobilfunknetz - das wollte auch der Bundesminister für Digitales, Volker Wissing von der FDP. Im Dezember steht er lächelnd vor einer kleinen weißen Kugel. Es ist der symbolische Startknopf für ein schnelles 5G-Mobilnetz von 1&1, den er zusammen mit Firmenchef Ralph Dommermuth drückt: "Das ist ein großer Tag für uns", so der Firmenchef.
Die Hoffnung des Ministers: mehr Wettbewerb durch einen vierten neuen Anbieter. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde Mobilfunk nur von Telekom, Vodafone und Telefónica (O2-Netz) angeboten. Wissing sagte damals: "Wettbewerb ist der Innovationstreiber schlechthin und wir können gar nicht genügend Innovationen in diesem Bereich haben. Insofern ist das ein Gewinn für unser Land." Am Ende würden Verbraucher und Verbraucherinnen profitieren durch flächendeckende Angebote, so der Minister.
Deutschland verliert den Anschluss
Experten und Verbraucherschützer widersprechen. Beispielsweise Susanne Blohm von der Verbraucherzentrale Bundesverband sieht bei 1&1 und den anderen Anbietern oftmals nicht, dass die hohen Geschwindigkeiten tatsächlich schon ankommen - insbesondere auf dem Land. Hier habe man in der Realität oft keine hohen Bandbreiten; auch wenn 5G auf dem Display stehe, seien die Geschwindigkeiten eher mit dem normalen 4G beziehungsweise LTE zu vergleichen. Hier sei noch Nachholbedarf. 1&1 habe zu viel versprochen und der Ausbau komme nur schleppend voran.
Deutschland verliere immer mehr Zeit und den Anschluss an die internationale Spitze, meint zudem Bernd Sörries vom Wissenschaftlichen Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK). Zwar habe man beispielsweise im Vergleich zum Nachbarland Frankreich aufgeholt, aber gerade im ländlichen Raum bräuchte es Tausende Basisstationen mehr, um an die Weltspitze anzuknüpfen. Der Grund: Die Genehmigungsverfahren dauerten zu lange, Flächen seien oft zu teuer oder nicht verfügbar. Das betreffe alle Netzbetreiber.
1&1 verfehlte Ausbauziele von Anfang an
Aber bei 1&1 fingen die Probleme schon früher an. 1&1 ersteigerte im Jahr 2019 mehrere 5G-Lizenzen für gut eine Milliarde Euro, was mit Auflagen verbunden war. Eigentlich sollte 1&1 bis Ende 2022 an 1.000 Standorten Funkmasten für das neue 5G-Netz aufgebaut haben. Tatsächlich waren es aber nur eine Handvoll.
Weil das Unternehmen seinen Verpflichtungen nicht schnell genug nachkam, hatte die Bundesnetzagentur ein Bußgeldverfahren eröffnet. Es droht noch immer eine Strafe in Millionenhöhe. Die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen, teilt die Bundesnetzagentur auf Anfrage von tagesschau.de mit.
Liegt die Schuld beim Wettbewerber?
1&1 selbst sieht die Schuld bei seinem "wichtigsten Ausbaupartner Vintage Towers". Dieser wiederum gehört zum Konkurrenten Vodafone und habe seine vertraglichen Lieferzusagen nicht eingehalten, schreibt 1&1. Deswegen habe man vor rund einem Jahr Beschwerde beim Bundeskartellamt eingelegt. Die Behörde prüfe aktuell, ob Vodafone bewusst den Ausbau behindert habe.
1&1 schreibt weiter: "Wir haben daraufhin die Zusammenarbeit mit anderen Ausbaupartnern verstärkt. Mittlerweile kommen wir gut voran". Auf der heutigen Bilanzpressekonferenz sprach Firmenchef Ralph Dommermuth von rund 400 eigenen Antennen, die die Kunden aktuell nutzen könnten. Zum Vergleich: O2 hat in Deutschland rund 28.000 aktive Mobilfunk-Standorte, Vodafone 26.000. Nach wie vor nutzt 1&1 hauptsächlich das Mobilfunknetz von Telefónica (O2) für die eigenen Kunden.
Das Ministerium sieht Nachholbedarf
Zudem verpflichtete sich das Unternehmen 2019, 400 Funklöcher - sogenannte weiße Flecken - zu stopfen: Orte, an denen bislang noch überhaupt kein 5G-Netz vorhanden war. Zuletzt war laut Handelsblatt die Rede von 48 fertigen Funkmasten und 50 weiteren "in Umsetzung". Dazu gab es auf der heutigen Bilanzpressekonferenz von 1&1 keine neuen Zahlen. Auf Anfrage von tagesschau.de schreibt das Unternehmen, man sei zum Aufbau von besonders "zeitaufwendigen und kostenintensiven" Funkmasten verpflichtet. Das Projekt sei aber weit fortgeschritten.
Das Bundesministerium für Digitales sieht das kritisch: "Derzeit wird von einer niedrigen dreistelligen Zahl von Standorten ausgegangen, die über den Vertrag errichtet werden." Und auch insgesamt ist das Ministerium von Wissing unzufrieden. Das eigene 5G-Netz von 1&1 decke bislang nur eine minimale Fläche in Deutschland ab. Das seien im April 0,3 Prozent gewesen. Das ist für das Ministerium "kein zufriedenstellendes Ergebnis und liegt deutlich hinter den Erwartungen". Es sei wichtig, dass die Auflagen von 1&1 zügig erfüllt würden.
Bis Ende 2025 muss 1&1 mit seinen Antennen ein Viertel der Haushalte in Deutschland erreichen, so sieht es eine Vorschrift der Bundesnetzagentur vor. Ob dann auch die letzten Funklöcher geschlossen sein werden, bleibt abzuwarten.