Prognose des Bauernverbands Diesjährige Ernte wird "Zitterpartie"
Erst Trockenheit, dann Dauerregen: Laut Deutschem Bauernverband dürfte die Getreideernte in diesem Jahr geringer ausfallen als 2022. Die Auswirkungen des Klimawandels seien "deutlich spürbar" - auch in der Erntequalität.
Der Deutsche Bauernverband rechnet nach häufigem Regen in diesem Sommer mit einer kleineren Getreideernte als im vergangenen Jahr. Ob die Marke von 40 Millionen Tonnen noch erreicht werden könne, sei fraglich, hieß es bei einer Pressekonferenz in Berlin. Die Vorjahresmenge betrug 43 Millionen Tonnen Getreide.
Bauernpräsident Joachim Rukwied nannte die diesjährige Ernte eine "echte Zitterpartie". Ergiebiger und häufiger Regen in weiten Teilen Deutschlands habe die Ernte immer wieder ausgebremst. Ein nasses Frühjahr - gefolgt von Trockenheit im Mai und Juni - sowie eine ständig durch Niederschläge unterbrochene Ernte hätten die Landwirte vor gewaltige Herausforderungen gestellt.
Nach wie vor stehe in einigen Regionen Weizen auf den Feldern, der längst hätte geerntet werden müssen. Regen und Sturm hätten teils deutliche Schäden hinterlassen, was zu geminderten Mengen und Qualitäten führe. Bei Kartoffeln und Gemüse, Mais und Zuckerrüben dagegen werden die Landwirte im Herbst wohl einen "ordentlichen Ertrag einfahren können", so Rukwied.
Besondere Einbußen bei Winterweizen
Nach der vorläufigen Schätzung des Verbands dürften die Erträge bei Weizen als wichtigster Getreidesorte deutlich unter Vorjahresniveau liegen. Nur bei Wintergerste, die noch vor der Regenperiode geerntet werden konnte, sei die Erntemenge gestiegen. Bei Winterraps sei trotz einer Ausweitung der Anbauflächen eine geringere Erntemenge zu erwarten.
Vor allem beim Winterweizen, der bedeutendsten Getreideart hierzulande, erwarten die Landwirtinnen und Landwirte eine schlechte Ernte. Viele Bauern hätten den Weizen wegen des ständigen Regens nicht dreschen können, vielerorts ist er "auf dem Halm gekeimt" und könne daher nicht mehr für Brot verwendet werden, sagte Rukwied bei der Vorstellung der vorläufigen Erntebilanz. Dieses Getreide landet dann in den Futtertrögen oder in der Biogasanlage.
Steigende Preise für das Brotgetreide erwartet der Bauernverband aber trotzdem nicht - denn europaweit werde die Weizenernte über dem Durchschnitt liegen, dazu kämen Weizenimporte aus der Ukraine. Letzteres nannte Rukwied eine "paradoxe Situation", denn dringend gebraucht werde das Getreide in den Entwicklungs- und Schwellenländern in Afrika, in Nahost und in Asien. Die Politik müsse "alles dafür tun, dass der Transit durch Europa funktioniert und der Seeweg wieder in Gang kommt", forderte er.
Forderung nach Schutzmaßnahmen
"Der diesjährige Witterungsverlauf zeigt aufs Neue die deutlich spürbaren Auswirkungen des Klimawandels", sagte Rukwied. "Wir müssen alles dafür tun, um zukünftig unsere Erträge und die Ernährung sichern zu können." Dazu gehörten die Züchtung widerstandsfähigerer Pflanzen, eine breite Palette an Wirkstoffen zum Pflanzenschutz, wassersparende Bodenbearbeitung und die Förderung einer Bewässerungsinfrastruktur.
Derzeit werden in Deutschland nach Rukwieds Angaben rund drei Prozent der Flächen bewässert, vor allem im Obst- und Gemüseanbau. Dieser Anteil müsse auf vier bis fünf Prozent ansteigen. Hier wünschen sich die Landwirte eine "positive Begleitung" durch die Behörden - etwa, wenn es um Genehmigungen für Brunnenbohrungen oder Wasserentnahme gehe.