Streit um Italiens Haushalt Die EU in der Zwickmühle
Gibt sie nach oder ebnet sie den Weg für ein Defizitverfahren? Die EU entscheidet heute, wie sie mit Italiens Haushaltsentwurf umgeht. Dass sie früher oft nicht konsequent war, macht das nicht leichter.
Soweit wie Markus Ferber wird die EU-Kommission wohl nicht gehen. "Mit einem Lügenhaushalt kann man nicht gewinnen", betonte der Finanzexperte und CSU-Europapolitiker und verwies auf die nach seiner Einschätzung bewusst unrealistischen Wachstumserwartungen der italienischen Regierung. "Ich fordere die Kommission auf, hart zu bleiben. Ansonsten droht uns eine neue Krise in der Eurozone."
Auch wenn die EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker den Begriff "Lügenhaushalt" niemals benutzen würde, so deutet vieles darauf hin, dass sie den italienischen Haushaltsentwurf am Mittwoch endgültig ablehnt, nachdem sich Italien in der vergangenen Woche konsequent weigerte, einen Nachbesserungsvorschlag mit weniger Neuschulden und realistischeren Wachstumsannahmen vorzulegen.
EU droht, unglaubwürdig zu erscheinen
Ein italienischer Journalist wollte von Junckers Sprecher trotzdem wissen, warum sich die EU-Kommission eigentlich so über Italien aufrege? Deutschland habe unter Bundeskanzler Gerhard Schröder den Stabilitätspakt doch auch ignoriert. Und Frankreich habe sich zehn Jahre lang höher neuverschuldet, als vom Maastricht-Vertrag erlaubt - mehr als doppelt so viel, wie es die derzeitige Regierung in Italien plane. Und auch gegen die Schuldensünder Spanien und Portugal habe die EU alle Sanktionen gestrichen. Wo bleibe da die Glaubwürdigkeit?
Der Korrespondent der Tageszeitung "Corriere della Serra" vermutete seinen Worten zufolge eher, dass die Härte der Kommission weniger mit der italienischen Neuverschuldung und Wachstumsprognose zusammenhängt, als mit der Aversion des Juncker-Teams gegen die Koalition aus Rechts- und Linkspopulisten in Rom.
Der EU-Sprecher ging auf den Vorwurf nicht ein. Doch die Kommission steckt de facto in einer Zwickmühle: Zeigt sie jetzt gegenüber Italien weniger Pardon, als es jahrelang in Brüssel gegenüber anderen mediterranen EU-Mitgliedern üblich war, könnte man ihr Parteilichkeit vorwerfen. Handelt sie nicht, riskiert sie den Vorwurf der Unglaubwürdigkeit.
Leitet Kommission ein Defizitzverfahren ein?
Manfred Weber, der Spitzenkandidat der Konservativen im EU-Parlament, forderte eine inneritalienische Debatte über den Schuldenhaushalt. Doch die ist nicht in Sicht. Und deshalb deutet alles daraufhin, dass die EU-Kommission die Weichen Richtung Defizitverfahren stellt.
Ein solches Verfahren, an dessen Ende eine 3,5 Milliarden Euro schwere Strafe für Italien stehen könnte, müssen die Finanzminister der EU beschließen. Vor Januar wird das nicht mehr geschehen. Und danach beginnt der Europawahlkampf, in dem die Populisten um Italiens Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini nur auf Signale aus Brüssel warten, die sie in Wahlkampfmunition verwandeln können.