EU-Gipfel in Brüssel Das Pokern um Merkels Ideen hat begonnen
Stimmrechtsentzug für Haushaltssünder? Diese Idee Kanzlerin Merkels finden die meisten EU-Regierungschefs inakzeptabel - daran hatten sie unmittelbar vor Auftakt des Brüsseler Gipfels keinen Zweifel gelassen. Andere Berliner Vorschläge scheinen chancenreicher. Das Pokern hat begonnen.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Jetzt haben sich die Türen hinter den Regierungschefs geschlossen - wahrscheinlich für viele Stunden. Der Poker um die Zukunft der Währungsunion geht in die entscheidende Phase. Der Kampf um die öffentliche Meinung ist schon vorher voll entbrannt, viele Regierungschefs haben schon bei der Ankunft im Brüsseler Ratsgebäude ihre Positionen verkündet - und die verheißen für Bundeskanzlerin Angela Merkel nichts Gutes: Die deutsche Forderung, chronischen Haushaltssündern die Stimmrechte in den EU-Gremien zu entziehen und dafür die EU-Verträge zu ändern, traf auf nahezu einhellige Ablehnung.
"Wenn Vertragsänderung heißt, die Stimmrechte für Mitgliedsstaaten zu beschneiden, dann finde ich das völlig inakzeptabel", sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso. In das gleiche Horn stieß Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker: Stimmrechte würden derzeit entzogen, wenn ein Mitgliedsstaat in gröbster Weise gegen Menschenrechte verstoße - "Haushaltsregeln nicht zu beachten und Menschenrechte zu verachten, sind zwei verschiedene Paar Schuhe".
Merkel: Was den Euro gefährdet, rüttelt an EU-Grundwerten
Die Bundeskanzlerin wiederholte bei Ihrer Ankunft im Ratsgebäude ungeachtet der Kritik die deutsche Position. "Ich werde hier heute deutlich machen, dass aus meiner Sicht eine Politik, die den Euro in Gefahr bringt, auch eine Politik ist, die an den Grundwerten der EU rüttelt." Man werde über dieses sehr kontroverse Thema sprechen, sie werde es auf der Tagesordnung halten.
Auf der Tagesordnung halten - das klingt allerdings nicht so, als ob die Bundeskanzlerin den Stimmrechtsentzug zur absoluten Voraussetzung für einen Gipfelerfolg machen wollte. Merkel scheint sich vielmehr auf die Durchsetzung eines dauerhaften Rettungsmechanismus konzentrieren zu wollen, der bei künftigen Eurokrisen greifen soll: "Hier brauchen wir einen Mechanismus, ein Vorgehen, das auch die mit einbezieht - Banken und Fonds -, die an den hohen Zinsen verdienen." Das heiße, das nicht mehr der Steuerzahler alleine die Verantwortung trage.
Merkels Chancen auf einen neuen Mechanismus
Und in diesem Punkt stehen die Chancen für Merkel wesentlich besser. Viele Regierungschefs haben sich schon dafür ausgesprochen. Offen ist allerdings, ob sie alle anderen auch davon überzeugen kann, dafür den EU-Vertrag zumindest leicht umzuschreiben. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte äußerte sich skeptisch: "Ich finde die technische Ausgestaltung eines solchen Mechanismus' viel wichtiger als die Frage, ob man wegen der deutschen Probleme den Vertrag ändern muss."
Mit deutschen Problemen meint Rutte die Befürchtung der Bundesregierung, dass eine weitere Rettungsaktion wie im Falle Griechenlands vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden könnte. Und dass man deshalb eine wasserdichte vertragliche Formulierung brauche.