Zehn Jahre Euro Die Geburtstagsfeiern fallen aus
Es ist der erste runde Geburtstag des Euro. Doch auf die Idee zu feiern, kommt niemand. Denn der Jubilar ist in der Krise. Politiker und Wirtschaftswissenschaftler erklären, was die Währung noch wert ist und warum es sich lohnt, an ihn zu glauben.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Seit dem 1. Januar 2002 zahlen wir mit Euro und Cent. Die Währungsunion gab es da genau betrachtet zwar schon (seit der Festschreibung der Wechselkurse zwischen den damals beteiligten elf Ländern drei Jahre zuvor). Aber seit der Ausgabe des Bargeldes ist die Wahrungsunion sozusagen mit Händen zu greifen. Zehn Jahre ist das nun her. Aber auf die Idee zum Feiern kommt keiner, auch nicht in Brüssel.
Feiern, nein Danke!
Der Grüne Sven Giegold sagt: "Ehrlich gesagt, zum Feiern ist mir gerade nicht zumute." Auch der Ökonom Janis Emmanoulidi glaubt nicht, dass es jetzt angebracht sei zu feiern. Der Liberale Alexander Graf Lambsdorff sagt: "Der Euro feiert seinen Geburtstag ja nicht. Im Moment ist allen daran gelegen, ihn zu stabilisieren." Feiern, nein Danke! Da sind sich die Politiker und Experten in Brüssel einig.
Der Jubilar ist gerade auf Intensivstation. Aber eine Missgeburt sei der Euro deshalb noch lange nicht, sagt der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullman. "Ich glaube, der Euroeinführungstermin ist immer noch Grund, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Der Euro ist eine gesunde Währung. Der Euro ist ein Glücksfall für die gesamte Europäische Union. Er muss aber politisch besser verteidigt werden, und hier liegt noch manches im Argen." Bullmann redet sich fast schon wieder in Feierlaune.
Gute Währung, aber falsche Politik, das sieht auch der Grüne Giegold so: "Die Euro-Währung war eine gute Idee und ist leider sehr schlecht gemacht." Und auch sein FDP-Kollege Graf Lambsdorff kann die Währungsunion nicht als Fehler erkennen. Gerade für deutsche exportorientierte Wirtschaft sei es ein großer Vorteil gewesen, den Euro einzuführen.
Die guten Seiten der Währung
Ist der Euro im Grunde genommen und trotz allem eine Erfolgsgeschichte? Janis Emmanoulidis von der Brüsseler Denkfabrik EPC meint ja: "Ich glaube, da sind die Zahlen recht eindeutig. Über die zehn Jahre war der Euro tatsächlich stabiler als die DM in ihren letzten zehn Jahren." Die Inflationsrate sei entweder niedrig oder nah am Referenzwert von zwei Prozent gewesen, den man sich gesetzt hatte.
Graf Lambsdorff nennt ein weiteres Pro-Euro-Argument: Im Außenverhältnis hat der Euro mal bei 80 bis 85 Cent gegenüber dem US-Dollar begonnen. Und jetzt hat er jahrelang bei 1,40 Dollar gelegen. Eine starke Währung, die dem Dollar auch immer mehr seine Stellung als dominierende weltweite Reservewährung streitig macht. Und dennoch, der Euro steht für alle sichtbar auf der Kippe.
Die Angst vor dem Scheitern
Die Politiker sprechen nicht so gerne von der Gefahr des Scheitern, der Wissenschaftler Guntram Wolff nimmt aber kein Blatt vor den Mund: "Ich glaube noch nie habe ich die Brüsseler Community so ängstlich gesehen. Ich glaube, die Leute haben wirklich Angst, dass das Projekt scheitert. Und die Angst ist auch berechtigt, und das wäre natürlich ein Katastrophe."
Und Wolffs Angstszenario geht so: Wenn die Rezession im nächsten Jahr schlimmer würde und immer mehr Menschen von Athen bis Lissabon ihren Job verlieren und im Süden des Kontinents die politische Situation außer Kontrolle geraten würde, dann könnte der Kessel überkochen. Das "worst-case-Szenario" sei, dass es dann politische Instabilitäten gäbe und es dann vielleicht sogar eine politische Mehrheit in einer größeren Länder gäb, den Euro zu verlassen."
Augen zu und durch
Die Folgen eines Auseinanderbrechens der Eurone wären dramatisch, auch in Deutschland, davon ist Wolff von der Denkfabrik Bruegel überzeugt - bankrotte Banken, ein massiver Anstieg der Arbeitslosigkeit. Und deshalb könne die Devise nur sein: Augen zu und Flucht nach vorn. "Jetzt haben wir diese Währungsunion. Diese Entscheidung kann nicht leicht rückgängig gemacht werden. Und wenn sie rückgängig gemacht wird, dann mit erheblichen Kosten."
Deshalb bleibt für Wolff eigentlich nur eine Wahl: "Wir müssen weiterhin zu einer stärkeren politischen Union." Wo die europäsche Ebene mehr Macht bekommt, um Schuldensünder an die Kandare zu nehmen. Solche Durchgriffsrechte sind bei der Schaffung der Währungsunion viel zu kurz gekommen, und das wenige, was es in den Stabilitätspakt hineingeschrieben wurde, das wurde nicht einmal angewendet. Jetzt basteln die europäischen Führer daran, den fehlenden Unterbau für ein solides Währungsgebäude nachzuliefern.
Der große Handlungsdruck zeigt Wirkung, meint der Wirtschaftswissenschaftler Emmanoulidis. Er glaubt, man dürfe nicht vergessen, dass in den letzten ein, zwei Jahren einiges vollbracht wurde, was vor drei, vier Jahren noch unmöglich erschien. Aber es fehlten noch einige Elemente in der Krisenbewältigung. Die Herausforderung sei gigantisch: "Und während der Patient krank ist und während er operiert wird, muss man ihm sagen und jetzt rennst du auch noch einen Marathon", sagt Emmanoulidis.
Geburtstag ohne Torte
Noch scheint der politische Wille da zu sein, die Herkulesaufgabe anzugehen. Emmanoulidis glaubt daher, dass der Euro überleben wird und in zehn Jahren der Währungsunion sogar noch mehr Mitglieder angehören. Auch Graf Lambsdorff ist davon überzeugt: "Am 20. Jahrestag gibt es dann auch eine Geburtstagstorte."