"Quantitative Easing" So funktioniert der 1140-Milliarden-Plan
"Quantitative Easing" heißt das, was die EZB nun macht - und es geht um Anleihenkäufe im Wert von gigantischen 1140 Milliarden Euro. Wie soll das funktionieren? Wird das funktionieren? Und warum gerade jetzt? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was bedeutet "Quantitative Easing"?
Wenn eine Notenbank die Wirtschaft stimulieren will, senkt sie normalerweise den Leitzins. Die Geschäftsbanken können sich bei ihr dann billiger Geld besorgen - und die günstigeren Finanzierungsbedingungen an Verbraucher und Unternehmen weitergeben. Das Problem: In der Eurozone liegt der Leitzins schon lange nahe Null, ohne dass die Konjunktur anspringt. Auch unkonventionelle Maßnahmen wie milliardenschwere Sonderkredite für die Banken (EZB-Chef Mario Draghi nannte das Programm scherzhaft "Dicke Bertha") oder zuletzt der Aufkauf spezieller Bankanleihen haben die Lage nicht substanziell verbessert.
Darum greift die EZB nun zur ultimativen Waffe im Notenbankarsenal - "Quantitative Easing" (QE). Konkret bedeutet dies: Die Zentralbanker vermehren nochmals die Geldmenge, indem sie Banken und Großinvestoren in gigantischem Ausmaß Staatsanleihen abkaufen. Dahinter steht das Kalkül, dass die Investoren das Geld, das sie von der EZB bekommen, in riskantere Wertpapiere wie Aktien oder Unternehmensanleihen stecken. Dadurch soll der Wirtschaft frisches Kapital zufließen, was schließlich in reale Investitionen und neue Jobs münden soll.
Warum startet die EZB ausgerechnet jetzt mit "Quantitative Easing"?
EZB-Chef Draghi begründet den Kauf von Staatsanleihen mit der seiner Meinung nach drohenden Deflation in der Eurozone - also einer Situation, in der es zu einem dauerhaften Verfall der Preise und einer langwierigen wirtschaftlichen Lähmung kommen könnte. Tatsächlich sind die Verbraucherpreise im Euroraum zuletzt um 0,2 Prozent zurückgegangen. Für Draghi war dies das endgültige Indiz, mit "Quantitative Easing" (QE) nicht länger warten zu dürfen.
Aus Sicht des Italieners tut die EZB damit nichts anderes, als ihr Mandat zu erfüllen. Denn: Normalerweise ist es zwar der Job von Notenbankern, die Inflation einzudämmen, nicht sie zu fördern, als erstrebenswert gilt aber nicht etwa eine Null-Inflation, sondern gemäß EZB-Mandat eine moderate Teuerung von knapp zwei Prozent. Und da will Draghi mithilfe von "QE" nun wieder hin.
Was plant die EZB konkret?
Dass die EZB bei ihrer Sitzung den Startschuss für "Quantitative Easing" (QE) geben würde, war klar. Was aber niemand wusste: Was planen die Notenbanker im Detail? Die nun verkündeten Maßnahmen gehen dabei noch einmal deutlich über die Erwartungen hinaus. So will die EZB ab März eineinhalb Jahre lang Monat für Monat Staatsanleihen und sonstige Wertpapiere im Umfang von 60 Milliarden kaufen. Insgesamt erreicht das Programm damit ein Volumen von unglaublichen 1140 Milliarden Euro - wodurch sich die Bilanzsumme der EZB auf mehr als drei Billionen Euro aufblähen dürfte. "Das europäische 'QE' ist damit größer als es jedes der amerikanischen 'QE'-Programm für sich genommen war", kommentiert die Berenberg Bank.
Welche Details des Programms sind besonders bemerkenswert?
Unklar war lange Zeit, welche Staatsanleihen die EZB kaufen würde. Zur Debatte stand beispielsweise, vorwiegend Papiere aus Südeuropa zu erwerben - schließlich ist die Deflationsgefahr dort am größten. Stattdessen will die EZB nun aber gemäß ihrem eigenen sogenannten Kapitalschlüssel vorgehen. Das heißt: Große Länder mit einem entsprechend großen Kapitalanteil an der EZB sollen auch am stärksten vom Programm profitieren. Das heißt zum Beispiel, dass die Notenbanken mehr deutsche als spanische Staatsanleihen kaufen werden.
Eine Einschränkung machte Draghi hier allerdings: Die Notenbank will maximal ein Drittel der ausstehenden Papiere eines einzelnen Landes kaufen. Bemerkenswert ist, dass das Programm Staatsanleihen verschiedenster Laufzeiten umfasst - von zwei bis 30 Jahren. Teilweise war erwartet worden, dass die EZB sich auf kürzerlaufende Papiere beschränkt, um entsprechend früher auch wieder aus dem Programm aussteigen zu können.
Das auf den ersten Blick einzige Zugeständnis an die "QE"-Kritiker in Deutschland scheint zu sein, dass die Eurozone als Ganzes nur für 20 Prozent der aufgekauften Papiere haften soll. 80 Prozent der Risiken sollen bei den jeweils nationalen Notenbanken liegen. In den vergangenen Tagen war dieser Punkt öffentlich heftig debattiert worden. Viele Experten sind allerdings der Meinung, dass es hier um eine technische Feinheit geht, die faktisch keinen großen Unterschied macht.
Warum ist "Quantitative Easing" gerade in Deutschland so umstritten?
Viele deutsche Ökonomen werfen Draghi vor, dass er das Deflations-Argument nur vorschiebt - und in Wirklichkeit mit "Quantitative Easing" (QE) die Staatshaushalte der südeuropäischen Schuldenländer finanzieren will. Zudem sehen sie kritisch, dass Draghis Gelddruck-Politik den Verfall des Euro begünstigt; nach der "QE"-Entscheidung kostete er tatsächlich nur noch rund 1,15 Dollar, der niedrigste Kurs seit 2003. Vor allem aber fürchten viele Draghi-Kritiker, dass die EZB mit ihrer Anti-Deflationspolitik über das Ziel hinausschießen und letztlich eine gefährliche Inflation hervorrufen könnte.
Was ist mit Griechenland?
Die EZB darf zunächst einmal nur solche Staatsanleihen kaufen, die von den großen Ratingagenturen als "sicher" eingestuft werden - für griechische Schuldpapiere trifft das momentan nicht zu. Allerdings macht die Notenbank eine Ausnahme für Länder, die sich in einem offiziellen Hilfsprogramm der Troika aus EZB, EU und IWF befinden - was Griechenland tut.
Auf den ersten Blick mag das inkonsequent erscheinen. Tatsächlich aber steckt dahinter politisches Kalkül: Das aktuelle griechische Hilfsprogramm läuft nämlich im Februar aus, während "QE" erst im März startet. Falls die künftige griechische Regierung (die Parlamentswahl ist an diesem Sonntag) also vom Anleihekaufprogramm profitieren will, muss sie sich erst einmal wieder mit der Troika einigen.
Wird "Quantitative Easing" helfen?
Das lässt sich beim besten Willen nicht prognostizieren - denn selbst ausgewiesene Experten sind zum Teil völlig konträrer Ansicht. "Ich bin überzeugt, dass das Programm auf Sicht dazu beiträgt, die Stimmung aufzuhellen und Deflationsängste zu vertreiben", sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Kollege Carsten Brzeski von der ING Diba ist da vorsichtiger: "Auch wenn ich die Anleihekäufe grundsätzlich positiv sehe - letztlich kann die EZB niemanden zwingen, das viele Geld, das sie in den Markt pumpt, tatsächlich auch zu investieren."
Der profilierte EZB-Kritiker Markus Krall, Bankenexperte bei der Beratungsfirma Goetzpartners, hingegen fürchtet, dass die Notenbank am Ende das Gegenteil dessen bewirkt, was sie eigentlich will. Seine Argumentation: Wenn die EZB durch ihr Geld die Zinsen immer weiter senke, dann erodiere die Ertragslage der Banken - denn gerade die Banken verdienen ja an der Zinsmarge etwa bei Baukrediten. Wenn nun aber die Erträge der Banken schrumpften, so Krall, "dann sinkt auch ihre Fähigkeit, die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen". Der EZB-Kurs führe damit "ungewollt, aber auf direktem Wege in die Deflationsspirale."