Öffentlicher Dienst Wer gewinnt, wer verliert?
Was verdient ein Müllmann künftig mehr? Und wie ist es mit den kommunalen Krankenhäusern? Der Tarif-Durchbruch für den öffentlichen Dienst hat viele Facetten - und nicht alle sind begeistert. Ein Überblick.
Für wen gilt der Tarifabschluss?
Der Abschluss bringt Verbesserungen für die rund 2,3 Millionen Beschäftigten des Bundes und der Kommunen. Er gilt nicht für die Länder. Mit ihnen haben die Gewerkschaften im vergangen Jahr einen Tarifabschluss ausgehandelt, der noch bis kommendes Jahr läuft.
Bundesinnenminister Horst Seehofer kündigte an, der Bund werde das Tarifergebnis auf seine Beamten übertragen. Der Abschluss wird in der Regel zeitversetzt auch von den kirchlichen Einrichtungen übernommen.
Wer profitiert?
Das hängt von der Berufsgruppe, der jeweiligen Position und den Entgeltgruppen ab. Das durchschnittliche Gehaltsplus von rund 7,5 Prozent gilt laut ver.di über die gesamte Entgelttabelle. Das Bundesinnenministerium beziffert das Plus für "alle Beschäftigten" mit "mindestens 6,8 Prozent". Manche bekommen demnach mehr, andere weniger als im Durchschnitt.
Die Gehaltstabellen für die einzelnen Berufsgruppen wurden komplett überarbeitet und neu geordnet. So werden zum Beispiel Einstiegsgehälter in allen Entgeltgruppen bis 2020 um zehn Prozent angehoben. Aber auch berufserfahrene Beschäftigte bekommen mehr. Bisher unregelmäßige Stufen wurden geglättet und sollen dadurch gerechter werden.
Die jeweilige Erhöhung wird in drei Schritten erfolgen: Rückwirkend zum 1. März 2018 sowie zum 1. April 2019 gibt es jeweils 42,5 Prozent der Erhöhung und zum 1. März 2020 dann 15 Prozent der Erhöhung. Bei der ersten Steigerung ist eine Mindestanhebung von rund 90 Euro vorgesehen - und von rund 80 Euro bei der zweiten Steigerung.
Ein Müllwerker in der höchsten Gehaltsstufe bekommt beispielsweise rückwirkend zum März zunächst 82 Euro mehr, nämlich 2712 Euro. Ein Jurist (Entgeltgruppe 13, nach 15 Jahren) steigert sein Einkommen dann um knapp 160 Euro auf 5683 Euro.
Was bekommen die unteren und mittleren Gehaltsgruppen?
Beschäftigte in den unteren und mittleren Gehaltsgruppen (1 bis 6) machen einen Sprung, weil sie eine Mindesterhöhung von zehn Prozent und eine Einmalzahlung von 250 Euro bekommen. Die Gehälter von Berufseinsteigern (Entgeltgruppe 1) werden zudem überproportional um bis zu zwölf Prozent angehoben.
Wie schneiden Führungskräfte ab?
Besonders hohe Gehaltszuwächse gibt es in den Bereichen, in denen der öffentliche Dienst die größten Personalprobleme hat - etwa bei Fach- und Führungskräften in sozialen, technischen und IT-Berufen (Entgeltgruppen 9-13). Bei ihnen ist das Gefälle zu den Einkommen in der Wirtschaft bisher besonders groß. Mit dieser Forderung haben sich die Arbeitgeber durchgesetzt.
Und die Azubis?
Die Entgelte für Azubis und Praktikanten werden in zwei Schritten um insgesamt 100 Euro erhöht. Zudem wird ihr Urlaub um einen Tag auf 30 Tage angehoben.
Was ist mit den kommunalen Krankenhäusern?
Beschäftigten mit Nacht- und Wechselschichten im Krankenhaus wird der Zusatzurlaub zum Januar 2019, 2020 und zum 2021 jeweils um einen Tag erhöht. Derzeit bekommen sie bis zu sechs Tage Zusatzurlaub im Jahr. Der Nachtdienstzuschlag in den Krankenhäusern wird zudem von 15 auf 20 Prozent angehoben und damit an den übrigen öffentlichen Dienst angeglichen.
Über eine Erhöhung des Zeitzuschlages bei Samstagsarbeit, bei Schicht- und Wechselschichtarbeit soll noch verhandelt werden. Zunächst wollen beide Seiten einen im Koalitionsvertrag angekündigten Schritt der Regierung abwarten: Die Personalkosten in der Pflege sollen den Kliniken im Vergleich zu heute besser bezahlt werden.
Sind die Gewerkschaften zufrieden?
Ver.di und der Beamtenbund dbb hatten für die Tarifbeschäftigten eigentlich sechs Prozent mehr Lohn gefordert, mindestens aber 200 Euro pro Monat, bei einer Laufzeit von nur zwölf Monaten. Trotzdem zeigen sich die Gewerkschaften jetzt erfreut über den Abschluss. Ver.di-Chef Bsirske sprach sogar vom "besten Abschluss seit Jahren".
Ver.di Chef Bsirske ist mit dem Tarifabschluss zufrieden.
Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach zeigte sich überzeugt, dass die wochenlangen Proteste und mehr als 40 Stunden intensiver Verhandlungen sich gelohnt hätten. Der Beamtenbund habe geliefert, sagte er dem SWR. Es sei aber die Vereinbarung einer 30-monatigen Laufzeit erforderlich gewesen, um die Arbeitgeber zur Zustimmung zu bewegen.
Als einen "guten Abschluss" wertete die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) das Tarifergebnis. Oliver Malchow, Chef der Gewerkschaft der Polizei, sprach von einem "Kraftakt", mit dem die Reform der Entgelttabellen gelungen sei.
Wie reagieren Bund und Kommunen?
CSU-Chef Seehofer, der zum ersten Mal als Verhandlungsführer des Bundes agierte, war "sehr zufrieden, auch wenn es anstrengend war". Für die Bediensteten des öffentlichen Dienstes komme es nun zu spürbaren Gehaltsverbesserungen sowie zu Verbesserungen bei den Entgeltstrukturen. Er sprach von einer "großen Reform", zu mehr Transparenz und Gerechtigkeit führen werde.
Zwiespältig fallen die Reaktionen bei den Kommunen aus. Der kommunale Arbeitgeberpräsident Thomas Böhle, der die Tarifeinigung mit ausgehandelt hatte, bezifferte die Mehrbelastung durch den Tarifvertrag auf insgesamt etwa 7,5 Milliarden Euro. Das Ziel, die Kommunen auf dem Arbeitsmarkt zu stärken, sei erreicht worden, sagte Böhle.
Der Deutsche Städtetag bezeichnete den Abschluss zwar als "vertretbar", sein Präsident, der Münsteraner Oberbürgermeister Markus Lewe, wies aber auch darauf hin, dass die Mehrausgaben vor allem von strukturschwachen Städten mit hohen Sozialausgaben und Defiziten schwer zu verkraften seien.
Laut VKA-Präsident Böhle ist der Tarifabschluss nötig, um Fach- und Führungskräfte für die Kommunen zu gewinnen.
Der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager warnte, man müsse aufpassen, "uns nicht selbst eine allzu schwere Hypothek für die kommenden Jahre aufzubürden". Die Einigung gehe "bis an die Grenze des Verkraftbaren".
Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge kritisierte den Abschluss als eindeutig zu hoch. Viele Bürger würden das merken, wenn die Gebühren ansteigen, sagte er dem NDR. Auch der Steuerzahlerbund warnt vor Finanzierungsproblemen für die Kommunen. Personalabbau, Sparmaßnahmen sowie höhere Steuern und Abgaben könnten die Folge sein.