DAX und Dow Jones Finanzmärkte unter Zinsdruck
Die US-Märkte standen wie schon zuletzt im Zeichen der Zinswende. Nach wechselvollem Handel blieben deutliche Verluste. In Europa hat die EZB derweil ebenfalls eine Zeitenwende eingeleitet.
Zins- und Inflationssorgen bestimmten an der Wall Street heute erneut das Geschehen und sorgten dafür, dass die Märkte im Verlauf ihre Verluste immer weiter ausbauten. Denn die Investoren fürchten, dass die anhaltend hohe Teuerung die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) veranlassen dürfte, die Zinsen schneller und stärker anzuheben als ursprünglich erwartet.
"Wir werden keine robuste Erholung des Marktes erleben, bis das Gefühl besteht, dass der Inflationsdruck nachlässt, da dies darauf hindeuten würde, dass sich die Fed in die richtige Richtung bewegt hat und die Schwächung der Wirtschaft nicht drastisch war", sagte Quincy Krosby von LPL Financial.
Die Aktienkurse gaben am Ende noch deutlich nach, wonach es zunächst nicht ausgesehen hatte. Bei wechselhaftem Handelsverlauf wurden erste höhere Eröffnungsverluste zunächst zwar wieder aufgeholt, zum Schluss hatten aber die Verkäufer die Nase vorne. Damit setzte sich der zuletzt unstete Handelsverlauf an der New Yorker Börse fort.
Der Leitindex Dow Jones verlor letztlich 1,94 Prozent auf 32.272 Zähler, die Verluste an der Technologiebörse Nasdaq liegen noch höher. Der Composite-Index gab 2,75 Prozent nach auf 11.754 Punkte, der Auswahlindex Nasdaq 100 um 2,74 Prozent auf 12.269 Stellen. Der marktbreite S&P-500-Index ging bei 4017 Punkten aus dem Handel, ein Tagesverlust von 2,38 Prozent.
Verluste gab es auch am Rentenmarkt. Die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihe stieg im Sog anziehender europäischer Renditen auf 3,04 Prozent an.
Stärker als erwartet gestiegene Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung in den USA sorgten derweil nicht für größere Verwerfungen. Die Zahl habe um 27.000 auf 229.000 zugelegt, teilte das Arbeitsministerium mit. Es ist der erste Anstieg nach zwei Rückgängen in Folge. Experten hatten im Schnitt mit 206.000 Anträgen gerechnet. Trotz des Anstiegs liegt das Niveau der Hilfsanträge weiter auf einem niedrigen Niveau, was auf einen robusten Arbeitsmarkt hindeutet.
Zuletzt lag die landesweite Arbeitslosenquote bei 3,6 Prozent, was auch in den Augen der Notenbank Fed der Vollbeschäftigung entspricht. Damit kann sich die Fed ganz der Bekämpfung der Inflation widmen, ohne zu sehr auf den Arbeitsmarkt Rücksicht nehmen zu müssen.
Bei den US-Einzelaktien standen Tesla-Papiere im Blick. Die Anteilscheine des Elektro-Autobauers zogen unter den größten Gewinnern im Nasdaq 100 zwischenzeitlich um mehr als fünf Prozent an und profitierten damit von einer Empfehlung der Bank UBS. Am Ende rutschten sie mit einem schwachen Gesamtmarkt noch 0,89 Prozent ins Minus.
Analyst Patrick Hummel sieht nach dem Kursrückschlag eine gute Einstiegsgelegenheit für Investoren. Die Tesla-Aktie hat im laufenden Jahr rund ein Drittel an Wert verloren. Nun sei es "an der Zeit, risikofreudiger zu werden", ermunterte der Branchenkenner die Anleger. Vom chinesischen Verband PCA gelieferte Zahlen belegten zudem für Mai nahezu eine Verdreifachung der Tesla-Produktion in dem Land im Vergleich zum Vormonat.
Der Handel an den heimischen Finanzmärkten stand ganz im Zeichen der angekündigten Zinswende der EZB. Wie erwartet, kündigte die europäische Notenbank für die nächste Zinssitzung im Juli eine Zinserhöhung um 0,25 Prozent an und signalisierte darüber hinaus weitere Zinsschritte.
Obwohl die EZB damit im Kern die Erwartungen erfüllte, baute der DAX seine Verluste daraufhin aus und schloss am Ende bei 14.198 Punkten um 1,71 Prozent schwächer und nahe des Tagestiefs von 14.186 Punkten. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, rutschte unter die Marke von 30.000 Punkten. Der Schlusskurs lag bei 29.649 Punkten um 1,75 Prozent niedriger.
Deutliche Verluste gab es auch am Rentenmarkt, wo die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe auf 1,47 Prozent stieg und damit so hoch wie seit 2014 nicht mehr. Der Ausverkauf am Rentenmarkt hat allerdings in Erwartung höherer Zinsen bereits im vergangenen Jahr massiv begonnen und bei den Bestandspapieren schon für hohe Verluste gesorgt.
Konkret macht die EZB für die angekündigte Zinserhöhung den Weg frei, indem sie Anfang des kommenden Monats die billionenschweren Netto-Anleihenkäufe auslaufen lässt, was so erwartet worden war. Kritiker werfen der Notenbank trotzdem schon länger vor, viel zu zögerlich zu handeln.
"Die EZB beendet offiziell ihre lange Ära unkonventioneller Geldpolitik", resümierte Carsten Brzeski von der ING-Bank in einem ersten Kommentar. Laut Salah-Eddine Bouhmidi vom Broker IG rückten unter diesen Umständen die Kurse von Staatsanleihen vermehrt ins Blickfeld der Anleger. "Die Beendigung der Anleihekäufe könnte eine Belastung für südeuropäische Staaten wie zum Beispiel Italien bedeuten", warnte der Experte.
Dies vor allem, wenn - wie angekündigt - weitere Zinserhöhungen im Raum stehen. Es ist also heute erst einmal nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn auch mit hoher Symbolkraft. Immerhin ist es die erste Zinserhöhung seit elf Jahren.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte, die beschlossenen Maßnahmen seien einstimmig gebilligt worden. "Die hohe Inflation ist eine gewaltige Herausforderung für uns alle." Sie habe sich zuletzt verstärkt und ausgebreitet, sei "unerwünscht hoch". Die EZB werde sicherstellen, dass das Ziel der Notenbank von zwei Prozent Inflation mittelfristig erreicht werde. Im Mai lag die Teuerungsrate im Euro-Raum auf dem Rekordniveau von 8,1 Prozent.
Lagarde dämpfte in ihrer Stellungnahme die Hoffnung auf einen schnellen Rückgang der Inflation im Euro-Raum durch die für Juli angekündigte Zinswende. "Erwarten wir, dass die Zinserhöhung im Juli unmittelbare Auswirkungen auf die Inflation haben wird? Die Antwort lautet: Nein", sagte sie auf der auf der Pressekonferenz am Nachmittag. "Es ist kein Schritt, es ist eine Reise", so die EZB-Chefin weiter. Sie signalisierte zugleich, dass der nächste Zinsschritt im September größer ausfallen könnte als die für Juli avisierte Anhebung von 0,25 Prozentpunkten.
Die europäische Gemeinschaftswährung hat heute lange mit der Marke von 1,07 Dollar gerungen, um danach deutlich zurückzufallen. Im US-Handel werden mittlerweile nur noch 1,0616 Dollar bezahlt. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0743 (Mittwoch: 1,0739) Dollar fest, über einen Cent höher. Vor dem Hintergrund der rekordhohen Inflation in der Eurozone hätten einige Marktteilnehmer auf mehr Tempo bei der geldpolitischen Straffung spekuliert, hieß es aus dem Devisenhandel.
"Mit der heutigen Entscheidung, die Zinsen im kommenden Monat zunächst vorsichtig zu erhöhen, versucht die EZB trotz des hohen Inflationsdrucks, nicht zu weiteren Unruhen an den Märkten beizutragen", kommentierte Chefvolkswirt Michael Holstein von der DZ Bank.
Eine straffere Geldpolitik der EZB dürfte den Euro zwar tendenziell stützen, das Zinsvoraus des Greenbacks bleibt aber hoch und gilt derzeit als der Hauptgrund für den starken Dollar - nicht nur gegenüber dem Euro.
Belastend wirkten heute auch Nachrichten aus China: Wegen eines Coronavirus-Ausbruchs verhängte die Regierung neue Beschränkungen über Teile von Shanghai. Erst vor wenigen Tagen war ein rund zweimonatiger Lockdown der Wirtschaftsmetropole zu Ende gegangen.
Dabei wuchsen Chinas Exporte noch im Mai deutlich schneller als von Experten erwartet. Die Volksrepublik verzeichnete ein Plus von 16,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie aus Daten der Zollbehörde hervorging. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Analysten hatten acht Prozent erwartet. Im April waren die Ausfuhren um 3,9 Prozent gestiegen.
Die Ölpreise bleiben wie in den vergangenen Tagen auf hohem Niveau, tendieren heute aber etwas leichter. Als Grund nannte Analyst Jeffrey Halley vom Brokerhaus Oanda die erneuten Pandemie-Beschränkungen in Teilen der chinesischen Wirtschaftsmetropole Shanghai. "Sie lassen Ängste vor einer erneuten Schwäche der dortigen Wirtschaft wegen der Null-Covid-Strategie der Regierung wieder aufflammen."
"Die Begleitmusik am Ölmarkt ist ausgesprochen bullish", schreiben die Rohstoffexperten der Commerzbank. Namhafte Investmentbanken erhöhten ihre Preisprognosen reihenweise, der Chef des Rohstoffhändlers Trafigura sehe den Ölpreis schon bald bei 150 Dollar je Barrel. Daher überrasche es nicht, dass die Marktteilnehmer im Überschwang die Preise immer weiter nach oben trieben.
Unter den Einzeltiteln im DAX gingen die Abgaben heute quer durch alle Branchen. Mit Zalando, HelloFresh und Delivery Hero lagen aber diejenigen Papiere deutlich am Indexende, die auch zuletzt schon stärker unter Druck standen. Auch Vonovia gaben weiter nach. Gegen den Trend hielten sich die beiden Rückversicherungsaktien Münchener Rück und Hannover Rück besser.
Wegen gesenkter Gesamtjahresziele verzeichneten die Aktien von Boozt den größten Tagesverlust seit dem Börsengang 2017. Die Titel des Online-Modehändlers fielen in Stockholm um über 18 Prozent. Wegen der Inflation, einer nachlassenden Konsumlaune und Lieferketten-Problemen rechnet das Unternehmen für 2022 nur noch mit einem operativen Ergebnis von umgerechnet 22 bis 27 statt 35 bis 40 Millionen Euro. Im Sog von Boozt gaben auch Zalando-Titel deutlich um 8,49 Prozent nach.
Die Deutsche Lufthansa und ihre Tochter Eurowings streichen wegen Personalmangels im eigenen Haus sowie bei Boden- und Flughafendienstleistern ihren Flugplan im Ferienmonat Juli zusammen. Lufthansa hat für Juli 900 Flüge innerhalb Deutschlands und Europas an den Drehkreuzen in Frankfurt und München aus dem System genommen. Auch Eurowings streiche zur Stabilisierung des Angebots für den Monat Juli mehrere hundert Flüge.
Der Konsumgüterkonzern Beiersdorf blickt dank bisher gut laufender Geschäfte etwas optimistischer auf das laufende Jahr. Zudem will das Unternehmen das Wachstum in seinem Hautpflegegeschäft in den kommenden Jahren vorantreiben und setzte dem größten Bereich des Konzerns ehrgeizige Umsatz- und Renditeziele.
An der Börse sorgten die Nachrichten für Auftrieb: So notierte die bald wieder im Leitindex DAX enthaltene Aktie gegen den Trend über vier Prozent höher und gewann in der Spitze sogar fast acht Prozent. Damit erreichte sie das höchste Niveau seit September 2021. Jefferies-Analystin Molly Wylenzek hob in einer ersten Reaktion den ambitionierteren Ausblick und die neuen mittelfristigen Ziele für das Konsumentengeschäft hervor.
Die Aktionäre des Hamburger Einkaufszentren-Investors Deutsche Euroshop können ihre Papiere bis zum 7. Juli an das Konsortium aus Oaktree und der Unternehmerfamilie Otto verkaufen. Die Finanzaufsicht BaFin habe die 1,4 Milliarden Euro schwere Offerte genehmigt, teilten der Finanzinvestor Oaktree und die Beteiligungsfirma der Familie, Cura Vermögensverwaltung, heute mit.
Sie bieten den Euroshop-Aktionären 21,50 Euro je Aktie und wollen damit auf mehr als 50 Prozent der Anteile kommen. Familienoberhaupt Alexander Otto hält bereits 20 Prozent an Euroshop. Cura steht auch hinter dem Immobilienmanager ECE, der die meisten der von Euroshop gehaltenen Einkaufszentren betreibt.
Die Konzernführung von Twitter geht nach eigenen Angaben von einer Abstimmung der Aktionäre über die geplante Milliarden-Übernahme durch Tesla-Chef Elon Musk bis Anfang August aus. Dies werde möglicherweise bereits im späten Juli geschehen, erklärte die Chefjuristin des Kurznachrichtendienstes, Vijaya Gadde, vor Mitarbeitern.
Hochtief-Aktien standen im Zeichen der Kapitalerhöhung des Baukonzerns und gaben nach. Die Essener besorgten sich für die vollständige Übernahme der australischen Tochter Cimic neues Geld. Der Platzierungspreis für neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung wurde auf 57,50 Euro festgelegt. Den Löwenanteil der gut sieben Millionen neuen Papiere übernimmt die spanische Mutter ACS
Ryanair-Deutschland-Chef Andreas Gruber geht von steigenden Ticketpreisen aus und setzt weiter auf Regionalflughäfen. "Wir rechnen mit einer Erhöhung von fünf bis zehn Prozent", sagte er den "Badischen Neuesten Nachrichten". Trotz steigender Flugpreise und unsicherer Weltlage erwartet er mehr Fluggäste. Die zehnjährige Zusammenarbeit mit dem Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden (FKB) habe sich bewährt. "Insgesamt haben wir schon zehn Millionen Menschen von und nach Baden-Baden geflogen. Für das laufende Jahr streben wir ein Passagieraufkommen von einer Million an. Das ist deutlich mehr als vor der Pandemie."
Der Maschinenbauer Heidelberger Druck will im neuen Geschäftsjahr Umsatz und Ergebnis trotz des Kostendrucks weiter steigern. Beim Erlös plant der Konzern mit einem Zuwachs von den 2,18 Milliarden Euro aus dem Vorjahr auf rund 2,3 Milliarden. Davon sollen vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen mindestens acht Prozent als operativer Gewinn hängenbleiben. Heidelberger Druck werde zwar mit zum Teil deutlichen Kostensteigerungen bei Material, Energie, Logistik und Personal konfrontiert. Diese sollen allerdings über eigene Preiserhöhungen kompensiert werden.
Intel hat im Rahmen von Maßnahmen zur Kostenreduzierung Neueinstellungen in der Sparte ausgesetzt, die für Chips für Desktop-PCs und Laptops verantwortlich ist. Der Schritt könne in zwei Wochen wieder rückgängig gemacht werden, nachdem die Prioritäten in der Client Computing Group überprüft worden seien, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Darin werden auch andere Maßnahmen wie eine Sperre bei Geschäftsreisen umrissen. Der Chiphersteller sieht sich zunehmendem Wettbewerb durch AMD ausgesetzt und hat zudem Apple als Kunden verloren, nachdem der Mac-Hersteller seine eigenen Prozessoren entwirft.