Wall Street im Plus Die Fed schaltet einen Gang zurück
Die US-Börsen sind den zweiten Tag in Folge gestiegen. Wie erwartet, deutet sich im Zinszyklus der Notenbank Federal Reserve zumindest eine etwas langsamere Gangart an. Das sorgte für Erleichterung.
Die großen US-Aktienindizes haben zur Wochenmitte an den Aufschwung des Vortages angeknüpft und sind mit Gewinnen aus dem Handel gegangen. Der Dow-Jones-Index, der Leitindex der Standardwerte, rückte um 0,28 Prozent vor auf 34.194 Punkte. Er behauptet sich damit weiter über der Marke von 34.000 Punkten, die der Index gestern übersprungen hatte. Anleger setzten bei dieser Rally um etwa 19 Prozent seit Mitte Oktober darauf, dass die Fed ihr hohes Straffungstempo auf der nächsten Zinssitzung Mitte Dezember etwas verringern könnte.
Auch an der Technologiebörse Nasdaq und dem Auswahlindex Nasdaq 100 ging es jeweils um knapp ein Prozent Prozent bergauf. Der marktbreite S&P-500-Index ging bei 4027 Zählern aus dem Handel, ein Tagesgewinn von 0,59 Prozent.
Am Donnerstag bleiben die US-Börsen wegen des Erntedankfestes ("Thanksgiving") geschlossen. Am Tag darauf gibt es einen verkürzten Handelstag. Der als Black Friday bekannte Brückentag gilt als Lackmustest für die Konsumlaune der US-Amerikaner vor dem Weihnachtsfest. Die Geschäfte locken mit vielen Angeboten.
Die US-Notenbank Fed hat derweil ein vorsichtigeres Zinserhöhungstempo in Aussicht gestellt. "Eine deutliche Mehrheit der Teilnehmer war der Ansicht, dass eine Verlangsamung der Zinserhöhung wahrscheinlich bald angemessen wäre", heißt es in dem am Abend veröffentlichten Protokoll (Minutes) zur jüngsten Zinsentscheidung vom 2. November. "Eine Reihe" von Fed-Vertretern sagte demnach, ein langsameres Tempo der Zinserhöhungen würde es erlauben, die Fortschritte bei der Zielerreichung zu bewerten.
Auf der Sitzung Anfang November hatte die Fed ihren Leitzins zum vierten Mal in Folge kräftig um 0,75 Prozentpunkte erhöht. US-Notenbankchef Jerome Powell und andere Fed-Vertreter hatten zuletzt ein zurückhaltenderes Vorgehen in Aussicht gestellt. Schließlich hat die Fed im laufenden Jahr die Leitzinsen bereits von fast null auf aktuell 3,75 bis 4,0 Prozent angehoben. Zudem hat sich die Inflation in den vergangenen Monaten etwas abgeschwächt.
Die im Vorfeld mit Spannung erwarte Veröffentlichung der Protokolle entsprach damit den Markterwartungen. Allerdings ist weiterhin nicht klar, wie weit der Weg der Fed im aktuellen Zinszyklus noch gehen wird. Der Zinsausschuss der Fed kommt am 13. und 14. Dezember zum letzten Mal in diesem Jahr zusammen. Die Märkte erwarten eine weitere Zinserhöhung um 50 Basispunkte. Zudem stehen die Inflationsdaten aus dem November auf der Agenda. Fed-Chef Jerome Powell hatte zuletzt stets betont, Zinsentscheidungen würden nach Datenlage getroffen.
Aktuelle Wirtschaftsdaten fielen gemischt aus. Während Industrie-Auftragsdaten höher ausfielen als erwartet, schwächelte der Arbeitsmarkt. Hier fielen die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe mit 17.000 Anträgen stärker aus als prognostiziert. Im Fokus standen aber vor allem die Einkaufsmanagerindizes für die Industrie und den Dienstleistungssektor im November, die die Forderung nach einem sachteren geldpolitischen Straffungskurs der Fed unterfütterten.
"Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die USA liegt jetzt unter demjenigen der Eurozone", gab Volkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank zu bedenken. Das sei insbesondere vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und den stark gestiegenen Energiepreisen in Europa "erstaunlich". Die Zinserhöhungen der Notenbank Fed um mehr als drei Prozentpunkte würden anscheinend zunehmend zu einer großen wirtschaftlichen Belastung, konstatierte er.
Den heimischen Anlegern bot sich heute ein ähnlicher Blick wie schon die ganze Woche. Der DAX bewegte sich um die Marke von 14.400 Punkten auf hohem Niveau, zu mehr reicht es aber nicht. Am Ende eines ideenlosen Tages schloss der deutsche Leitindex nahezu unverändert bei 14.427 Zählern, ein Miniplus von 0,04 Prozent.
Auch zahlreiche neue Konjunkturdaten, sowohl aus Europa als auch aus den USA, konnten die Anleger heute nicht aus der Reserve locken. Einzig und allein der künftige Zinskurs der Fed steht derzeit auf der Agenda der Anleger ganz oben. Mit Spannung erwarteten die Börsianer die Veröffentlichung des Fed-Zinsprotokolls, von dem sie sich weitere Aufschlüsse über die Zinspolitik der Fed erhoffen.
"Oft sind es nicht die Inhalte des Protokolls, sondern die subtilen Veränderungen, die die Anleger mitreißen", sagt Craig Orlam vom Broker Orlanda. Allgemein wird an den Börsen mit einer langsameren Gangart seitens der US-Notenbank gerechnet. "Dennoch dürften die Zinsen weiter erhöht werden, um die Inflation weiter zu bekämpfen", sagte Marktanalyst Christian Henke vom Broker IG.
Einzig die unsichere Corona-Lage in China hat derzeit weiteren Einfluss auf das Geschehen, derzeit vor allem über den Umweg der Rohstoffmärkte. Der Ölpreis geriet heute wegen der strikten Corona-Restriktionen der Regierung in Peking erneut deutlich unter Druck. Die Pandemie bleibt damit wie ein Damoklesschwert über den Märkten.
Von der deutschen Wirtschaft kamen am Vormittag ermutigende Daten. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft - Industrie und Service-Sektor zusammen - stieg um 1,3 auf 46,4 Punkte. Das teilte der Finanzdienstleister S&P Global mit. Dennoch verharrte das an den Finanzmärkten viel beachtete Barometer damit den fünften Monat in Folge unter der Marke von 50, ab der es ein Wachstum signalisiert.
Die Aussicht auf einen kleineren Zinsabstand zwischen dem Dollar und dem Euro hilft der Gemeinschaftswährung derzeit dabei, die Parität zum Dollar wieder auf Abstand zu bringen. Am Abend weitete der Euro seine Gewinne aus und wird im US-Geschäft bei 1,0400 deutlich höher gehandelt. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0325 (Dienstag: 1,0274) Dollar fest.
Die zahlreichen Konjunkturdaten halfen dem Dollar nicht. Das besser als erwartet ausgefallene Konsumentenvertrauen der Uni Michigan und steigenden Neubauverkäufe verpufften. Insgesamt zeigte sich kein klares Bild der US-Wirtschaft, allerdings auch keine unmittelbaren Rezessionsgefahren.
Die Energie-Tochter des Siemens-Konzerns, Siemens Energy, liegt mit einem Plus von rund 2,5 Prozent an der DAX-Spitze. Dagegen machen Anleger nach einer Herabstufung einen Bogen um Siemens Healthineers. Die Aktien des Medizintechnik-Konzerns rutschen mit einem Kursminus von rund 3,0 Prozent ans Index-Ende. Die Analysten von Jefferies setzten die Titel auf "Hold" von zuvor "Buy". Angesichts von Personalknappheit und höheren Finanzierungs- sowie Baukosten zeigten sich die Experten der Investmentbank vorsichtig mit Blick auf das Auftragswachstum im nächsten Jahr.
Die VW-Aktie weitet ihre Verluste aus. Nach mehr als 16 Stunden "intensiver Verhandlungen" hat Volkswagen nach eigenen Angaben am frühen Mittwochmorgen einen Tarifabschluss über den Haustarif erzielt. Die Gewerkschaft IG Metall und der Wolfsburger Autobauer haben sich auf Einkommenserhöhungen in zwei Schritten um 8,5 Prozent sowie eine 3000 Euro Einmalzahlung netto bei einer Laufzeit von zwei Jahre geeinigt.
Die Rettung des taumelnden Gasriesen Uniper wird für den deutschen Staat noch teurer als zuletzt angenommen. Neben den bereits bekannten Rettungsplänen solle ein genehmigtes Kapital in Höhe von bis zu 25 Milliarden Euro durch die Ausgabe neuer Aktien gegen Bar- und/oder Sacheinlagen geschaffen werden, teilte der Konzern heute mit. Damit solle das durch weitere Verluste in 2022, 2023 und 2024 geschwächte Eigenkapital teilweise wiederhergestellt werden. Mitsamt der bereits angekündigten oder laufenden Maßnahmen könnte die Rettung des größten deutschen Gasimporteurs bis zu 51,5 Milliarden Euro kosten.
SDAX-Mitglied Uniper macht seit Monaten hohe Verluste, weil der Konzern teuren Ersatz für ausbleibende Gaslieferungen aus Russland besorgen muss. In den ersten neun Monaten diese Jahres hatten die Düsseldorfer einen Verlust von 40 Milliarden Euro angehäuft.
Die Aktie des britischen Fußball-Clubs legte im Londoner Handel um rund elf Prozent zu. Die US-Eigentümer von Manchester United denken über einen Verkauf des englischen Premier-League-Clubs nach. Wie der Verein mitteilte, prüft die Glazer-Familie eine externe Finanzierung, um das Wachstum zu fördern.
"Als Teil dieses Prozesses wird der Vorstand alle strategischen Alternativen in Betracht ziehen, einschließlich neuer Investitionen in den Club, einen Verkauf oder andere Transaktionen, die das Unternehmen betreffen". Die Ankündigung kam rund vier Stunden nach der Mitteilung, dass Manchester United und Fußball-Superstar Cristiano Ronaldo den Vertrag auflösen.
Die Aktionäre der krisengeschüttelten Schweizer Bank haben einer Kapitalerhöhung zugestimmt. Auf einer außerordentlichen Generalversammlung stimmten mehr als 90 Prozent für die Pläne der Geschäftsführung, wie die Credit Suisse mitteilte. Unter anderem erwirbt die Saudi National Bank aus Saudi-Arabien einen Anteil von etwa 9,9 Prozent. Für bestehende Aktionäre gibt es ein Angebot des Zukaufs. Insgesamt sollen die neuen Aktien vier Milliarden Franken in die Kassen spülen. Mit diesem Rettungsplan will die Bank nach Milliardenverlusten aus der Krise kommen.
Der US-Computerhersteller HP will bis zum Ende des Geschäftsjahres 2025 weltweit etwa 4000 bis 6000 Stellen abbauen. Für die Restrukturierung dürften Kosten und andere Aufwendungen von rund einer Milliarde Dollar anfallen, so das Unternehmen gestern Abend. Für das vierte Quartal gab HP einen Rückgang des Umsatzes um elf Prozent auf 14,8 Milliarden Dollar bekannt. Zuvor hatten auch andere Firmen aus der Technologiebranche wie Amazon und Meta mitgeteilt, sich wegen eines wahrscheinlichen Konjunkturabschwungs von Mitarbeitern trennen zu wollen.