Euro-Symbol mit Geldscheinen
Hintergrund

Geschacher um das Ja zur Fiskalunion Warum zusammenhängt, was nicht zusammenhängt

Stand: 21.06.2012 18:15 Uhr

Fiskalpakt, ESM, Finanztransaktionssteuer, Wachstumsimpulse - Regierung und Opposition haben das Paket rund um die Einführung der europäischen Schuldenbremse mächtig aufgebläht. Manches hängt direkt zusammen, doch vieles wird aus rein politischen Gründen miteinander verknüpft. Ein Überblick von tagesschau.de.

Von David Rose, tagesschau.de

In ihrem Ringen um den Fiskalpakt haben Regierung und Opposition Elemente miteinander verknüpft, von denen die meisten wenig oder gar nichts miteinander zu tun haben. Eine wichtige Rolle spielen der künftige dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM, die Finanztransaktionssteuer sowie Schritte für mehr Wirtschaftswachstum.

Zwei-Drittel-Mehrheit für Fiskalpakt notwendig

Ausgangspunkt der Debatte war der Fiskalpakt. Er tritt in Kraft, sobald die ersten zwölf von 17 Euro-Staaten ihn ratifiziert haben. Um ihn in Deutschland zu verabschieden, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig. Die schwarz-gelbe Koalition drängt auf eine schnelle Verabschiedung. Dafür ist sie aber auf Stimmen der Opposition angewiesen und lud deshalb SPD und Grünen zu Verhandlungen ein, die ihrerseits die Zustimmung an Bedingungen knüpften.

Die Regierungskoalition drängt darauf, den Fiskalpakt gemeinsam mit dem ESM noch vor der Sommerpause unter Dach und Fach zu bringen. Faktisch eilt die Ratifizierung nur beim ESM, weil er laut den ursprünglichen Plänen zum 1. Juli in Kraft treten soll. Für die Billigung des Rettungsschirms ist im Gegensatz zum Fiskalpakt keine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament notwendig. Die Opposition sah - anders als die Regierung - auch keinen Bedarf, über beides gleichzeitig abzustimmen. Doch Schwarz-Gelb beharrte darauf, das Votum über die Verträge miteinander zu verknüpfen. Das war in erster Linie eine politische Entscheidung und kein rechtlicher Zwang.

Zusammenhang zwischen ESM und Fiskalpakt

Einen konkreten Zusammenhang zwischen dem ESM-Vertrag und dem Fiskalpakt gibt es allerdings. Denn ab März 2013 können nur jene Staaten Hilfen des dauerhaften Rettungsschirms in Anspruch nehmen, die den Fiskalpakt ratifiziert haben und sich an die darin vorgesehenen Regeln zur Begrenzung der Verschuldung halten. Daraus ergibt sich aber keine Notwendigkeit, beide Verträge gemeinsam zu billigen.

Aus Sicht der Bundesregierung sind beide jedoch politisch eng miteinander verknüpft. Denn wenn die Schuldenbremsen des Pakts greifen, so die Argumentation, reduziert das die Wahrscheinlichkeit, dass der ESM überhaupt Rettungspakete schnüren muss. Damit müsste auch Deutschland weniger Sorge haben, als wichtigster Zahler tatsächlich für die Finanzprobleme anderer Euro-Staaten aufkommen zu müssen.

Forderung nach mehr Wachstumsimpulsen

Die Opposition stellt ihrerseits ganz andere Zusammenhänge her. Einerseits pocht sie darauf, nicht nur zu sparen, sondern auch mehr für das Wirtschaftswachstum zu tun. Denn mit dem Fiskalpakt alleine lasse sich die Krise nicht überwinden, sondern dafür seien auch zusätzliche Anstrengungen für eine Stärkung der Konjunktur erforderlich. Ähnlich argumentiert unter anderem der neue französische Präsident François Hollande. Auch diese Kopplung ist politisch gewollt, ohne rechtlich erforderlich zu sein.

Im Grundsatz argumentiert auch die Bundesregierung, dass sich Wachstum und Sparen nicht ausschließen, sondern im Gegenteil beide notwendig sind. Doch die Frage ist, was für mehr Wachstum getan werden kann und wieviel das kosten darf - wenn es doch in erster Linie darum geht, die Schulden der Staaten einzudämmen.

In ihrem "Pakt für Wachstum und Beschäftigung" einigten sich Regierung und Opposition schließlich auf eine Reihe von Schritten und gemeinsamen Zielen, um das Wirtschaftswachstum zu unterstützen: Das Eigenkapital der Europäischen Investitionsbank soll um zehn Milliarden Euro aufgestockt werden, um auf diese Weise binnen vier Jahren zusätzliche Kredite von 60 Milliarden Euro für Investitionen bereitstellen zu können. Vorhandenes Geld aus den EU-Strukturfonds soll in die Wachstumsförderung fließen. Die Bundesregierung will sich zudem dafür einsetzen, dass alle EU-Staaten Jugendlichen binnen vier Monaten nach Schulabschluss oder Jobverlust einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz oder eine Praktikantenstelle anbieten müssen. Hinzu kommt das Bekenntnis zum Ziel, dass aus dem Europäischen Sozialfonds Einstellungszuschüsse an Unternehmen fließen.

Opposition beharrt auf Finanztransaktionssteuer

Als weitere Bedingung für ihre Zustimmung zum Fiskalpakt forderten SPD und Grüne mit Nachdruck die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Sie pochten darauf, dass die Finanzmärkte auf diese Weise an den Kosten der Krise beteiligt werden. Gegen diese Form der Besteuerung im nationalen Alleingang oder in Zusammenarbeit nur weniger Länder wehrte sich vor allem die FDP, weil sie negative Auswirkungen für den Finanzplatz Deutschland fürchtet.

Die Koalition einigte sich schließlich mit SPD und Grünen auf das Ziel, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Diese soll möglichst alle Finanzinstrumente einschließen, vor allem Aktien, Anleihen, Devisen und Derivate. Zugleich sollen aber negative Folgen für Kleinanleger, für die Altersversorgung der Bürger und für die Wirtschaft vermieden werden. Weil die Durchsetzung der Steuer in allen 27 EU-Staaten nicht zu erreichen sei, sagte die Bundesregierung zu, sich für eine Einführung im Rahmen der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit stark zu machen. Die Steuer könnte auf diese in Kraft treten, wenn mindestens neun EU-Staaten mitmachen. Als Ziel wurde vereinbart, die rechtliche Grundlage dafür auf europäischer Ebene bis Ende 2012 zu schaffen. Falls das nicht gelingt, soll die Steuer neben Deutschland zumindest in möglichst vielen weiteren EU-Staaten eingeführt werden.

Die Verhandlungen über all diese Punkte führten Union und FDP ausschließlich mit SPD und Grünen. Die Partei Die Linke war bei den Gesprächen nicht dabei. Sie lehnt sowohl den Fiskalpakt als auch den ESM grundsätzlich ab. Gegen den Fiskalpakt und den ESM-Vertrag kündigte sie bereits eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an.