Eine Anzeigetafel am Flughafen BER zeigt etliche Flüge als «Gestrichen» an.
analyse

Gebühren, Steuern und Krisen Was steckt hinter den vielen Flugstreichungen?

Stand: 10.10.2024 14:31 Uhr

Immer mehr Airlines reduzieren ihr Flugangebot, obwohl die Nachfrage ungebrochen ist. Für Reisende wird es künftig wahrscheinlich teurer. Woran liegt das - und welche Strecken sind betroffen?

Von Antonia Mannweiler, ARD-Finanzredaktion

Dass bei der Bahn regelmäßig Zugverbindungen gestrichen werden, daran haben sich mittlerweile die meisten Reisenden gewöhnt. Doch auch immer mehr Fluggesellschaften streichen Verbindungen aus Deutschland.

Hinter den Flugstreichungen stecken viele Gründe, darunter die momentanen geopolitische Krisenherde, auf die die Fluggesellschaften kurzfristig reagieren müssen. So hat die Lufthansa etwa aufgrund der Krise im Nahen Osten alle Flüge nach Tel Aviv bis zum Ende des Monats ausgesetzt. Und auch die libanesische Hauptstadt Beirut und Teheran werden zurzeit nicht angeflogen.

Flüge nach Asien länger und teurer

Auch der Ukraine-Krieg wirkt sich indirekt auf den Flugplan vieler Airlines nach Asien aus. So streicht die Lufthansa Ende des Monats ihre Verbindung vom Frankfurter Flughafen in die chinesische Hauptstadt: Ab dem 26. Oktober können Reisende keine Flüge mehr zwischen Frankfurt und Peking buchen.

Denn während europäische Airlines den russischen Luftraum auf dem Weg nach Asien großräumig umfliegen, dürfen chinesische Fluggesellschaften weiterhin über Russland fliegen. Ganz aufgegeben hat die größte deutsche Fluggesellschaft Peking jedoch nicht. Sie steuert die chinesische Hauptstadt weiter an, allerdings nur noch vom Münchner Drehkreuz aus.

"Durch die russischen Gegensanktionen sind europäische Fluggesellschaften zwei Stunden länger unterwegs nach Fernost. Diesen Wettbewerbsvorteil spielen die chinesischen Airlines aus", sagt Alexander Klay, Sprecher beim Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) gegenüber tagesschau.de.

Umweg lässt Kosten steigen

Die europäischen Airlines können den niedrigeren Kosten für Kerosin und Personal nur wenig entgegensetzen. Daher ist die Lufthansa mit ihren Flugstreichungen nach China nicht allein. Auch die britische Fluggesellschaft British Airways hatte im August angekündigt, ab Ende Oktober alle Flüge nach Peking zu streichen.

"Dass Lufthansa nun mit Frankfurt-Peking eine ihrer ältesten Verbindungen aus dem Flugplan nehmen muss, zeigt, wie sehr sich die Gewichte im internationalen Wettbewerb verschieben", heißt es von der Lufthansa auf Anfrage. Europäische Airlines befänden sich mit China und auch mit den Fluggesellschaften vom Persischen Golf und Bosporus in einem extrem ungleichen Wettbewerb.

Die Route sei seit einiger Zeit ohnehin wenig profitabel gewesen, sagt die Luftfahrt-Expertin Yvonne Ziegler tagesschau.de. Der Tourismus in der Volksrepublik und auch Geschäftsreisen nach China seien seit der Pandemie und dem Ukraine-Krieg zurückgegangen. Der Konflikt im Nahen und Mittleren Osten habe die Situation jetzt noch einmal verschärft, weil dort weitere Gebiete umflogen werden müssen. "Mit jedem Umweg wird die Flugzeit länger und unattraktiver für die Kunden. Zusätzlich steigen die Kosten."

Auslieferung von Maschinen verzögert sich

Auch das Ziel Nordamerika ist von den Kürzungen im Luftverkehr betroffen. So wird etwa die Streckenfrequenz von München nach Denver und Chicago ausgedünnt. "Das liegt daran, dass die Nachfrage nicht so hoch ist wie gedacht", sagt Ziegler. Im Vorjahr seien die US-Strecken deutlich besser gelaufen. Auch wegen der Nachholeffekte durch Corona seien die Reisenden im vergangenen Jahr bereit gewesen, Preiserhöhungen zu zahlen. "Weil die Wirtschaft nicht so gut läuft, sind die Verbraucher dieses Jahr aber preissensibler."

Hinzu kommt, dass viele Airlines derzeit unter den Verzögerungen bei der Auslieferung ihrer Flugzeuge leiden. So wartet die Lufthansa aktuell noch auf 41 Boeing-777-Maschinen. Ursprünglich sollten die Flieger schon 2021 ausgeliefert werden, nun wird mit Ende 2026 gerechnet. Auch aufgrund außerplanmäßiger Wartungsarbeiten beim US-Triebwerkshersteller Pratt & Whitney stehen dem Unternehmen "deutlich weniger Flugzeuge als ursprünglich geplant zur Verfügung", heißt es seitens des Unternehmens.

Das betrifft vor allem die A320neo-Flotte. Die deutsche Airline hat daher die Verbindungen von Frankfurt nach Friedrichshafen sowie von München nach Münster und Leipzig eingestellt. Auch die Verbindungen nach Kuwait und Bahrain wurden aus wirtschaftlichen Gründen gestrichen. Mit einer verkleinerten Flotte setzen die Airlines ihre Maschinen vor allem auf profitablen Strecken ein und streichen die weniger attraktiven.

Ryanair reduziert Angebot deutlich

Doch nicht nur deutsche Airlines wie Lufthansa reduzieren ihr Angebot. Der irische Billigflieger Ryanair hatte bereits im August angekündigt, seine Kapazitäten in Berlin um ein Fünftel zu senken. Betroffen sind die Strecken nach Brüssel, Chania, Kaunas, Krakau, Luxemburg und Riga, die eingestellt werden. Außerdem sollen statt der derzeit neun Flieger nur noch sieben in Berlin stationiert werden. Die freien Kapazitäten sollen nach Italien, Polen oder Spanien verlagert werden.

Und dabei bleibt es nicht: "Ryanair wird den gesamten Betrieb in Dortmund, Dresden und Leipzig einstellen und das Flugangebot in Hamburg um 60 Prozent reduzieren, was zu einem Verlust von 1,8 Millionen Sitzplätzen führt", sagte Ryanair-Airlinechef Eddie Wilson heute. Das deutsche Flugangebot des Billigfliegers wird damit im kommenden Sommer 2025 um weitere zwölf Prozent gestrichen, 22 Strecken fallen weg.

Hohe Standortkosten

Ryanair begründet den Rückzug mit den hohen Standortkosten für die Airlines in Deutschland. Dazu gehören die Kosten für die Flugsicherung, die Luftsicherheit und die Luftverkehrssteuer, die im Mai dieses Jahres um 20 Prozent erhöht wurde. Laut dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sind die Standortkosten am Flughafen in Frankfurt seit 2019 um mehr als 50 Prozent gestiegen. In Düsseldorf haben sich die Kosten seitdem beinahe verdoppelt. In Madrid oder Istanbul lagen die Kostensteigerungen dagegen bei maximal vier Prozent, in Rom sind sie sogar gesunken.

"Wer in Deutschland ins Flugzeug steigt, zahlt allein 30 Euro an Steuern und Gebühren für einen Flug innerhalb Europas", moniert Verbandssprecher Klay. Die Luftverkehrssteuer, die Luftsicherheitsabgaben und die Kosten für die Flugsicherung hätten sich seit 2020 verdoppelt. "Europaweit liegen wir damit an der Spitze". Was das für die Airlines bedeuten kann, rechnet die Lufthansa vor: "Hebt ein A320 von Dresden zum Flug nach Barcelona ab, sind die staatlichen Abgaben rund achtmal höher als bei einem Start im nahe gelegenen Prag."

Ryanair beklagt "horrende Luftverkehrskosten"

Auch der ungarische Billigflieger Wizz Air fliegt den Flughafen Köln/Bonn nicht mehr an. Vermutet wird, ähnlich wie bei Ryanair, dass die hohen Standortkosten der Grund dafür sind. Die beiden zuletzt verbliebenen Strecken nach Skopje und Tirana sollen mit dem Winterflugplan nicht mehr bedient werden, auch wenn noch Verhandlungen ausstehen.

Je stärker das Angebot schrumpft, desto mehr Preismacht erhalten die restlichen Airlines, die die Strecken noch bedienen. Für Flugreisende dürfte das bei Routen mit geringer oder gar keiner Konkurrenz zu steigenden Flugpreisen führen.

Ryanair will dabei nicht kampflos aufgeben und hat nun gedroht, seine Kapazitäten in Deutschland im Sommer 2025 um weitere zehn Prozent zu reduzieren, sollten die "horrenden Luftverkehrskosten" nicht gesenkt werden. Besonders die angehobene Luftverkehrssteuer steht dabei in der Kritik.

Schweden schafft Steuer ab

"Ursprünglich war die Steuer dazu gedacht, eine Reduzierung der CO2-Emissionen in der Branche anzustoßen", sagt Ziegler. "Im Koalitionsvertrag der Ampel sollte die Luftverkehrssteuer zur Förderung von CO2-neutralen Flugkraftstoffen und zur Flottenmodernisierung im Luftverkehr genutzt werden." Am Ende sei das Geld aber dafür genutzt worden, Löcher im Haushalt zu stopfen.

In Schweden hat die Regierung umgesteuert, nachdem Ryanair auch dort mit einem Rückzug gedroht hatte. Ab Juli 2025 wird deswegen die Luftverkehrssteuer abgeschafft. Als Reaktion darauf hat die Airline neue Investitionen in Höhe von 200 Millionen Dollar angekündigt, darunter zwei neue Flieger und zehn neuen Strecken.

Der BDL rechnet damit, dass Deutschland im Winterflugplan nur eine Auslastung von knapp 83 Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 erreichen wird, während im restlichen Europa 110 Prozent erwartet werden. Andere Länder in Europa hätten ihr Vor-Corona-Niveau bereits erreicht. In Deutschland dagegen sei die Erholung des Flugverkehrs noch nicht abgeschlossen.